„Schreib doch bitte mal über deinen Weg zum Fluglehrer. Bitte bis morgen Abend. Kthxbay!“ Wohlan – Wenn die Jugend des Vereins es so wünscht: Federkiel gespitzt und die Tastatur auf Angriff gestellt.
Es begann, wie könnte es anders sein, mit einer unschuldigen Aussage bei einem post-aviatischen Kaltgetränk: „Also Schulung könnte ich mir schon vorstellen.“, welche vom CFI der direkt als tatsächliche Willenserklärung im Sinne §133BGB verstanden wurde: „Sehr gut. Dann meld dich an!“. Ich ahnte noch nicht, mit welcher Konsequenz und welchem Nachdruck mir zu meinem Glück verholfen werden würde.
Von da an wurde jeder Besuch auf dem heiligen Acker der Luftfahrt im Westerwald von einem: „Hast du dich schon angemeldet“, begleitet. Und da der stete Tropfen Westerwaldbräu auch den standhaftesten Westfalen irgendwann umwirft, war es nur eine Frage der Zeit, bis ich einen passenden Lehrgang auf einem befreundeten Flugplatz im Osten der Republik im Folgejahr fand. Vor diesen Lehrgang haben die weisen Menschen der Europäischen Flugsicherheit aus Köln die eignungsspezifische Vorabbeurteilung der Befähigung im Verein gestellt, welche u.a. aus 20 Starts vom hinteren Sitz besteht. Das Ziel: „Hierbei sind keine methodisch pädagogischen Flüge durchzuführen, sondern der Anwärter soll Sicherheit beim Fliegen der Übungen in allen Ausbildungsabschnitten gewinnen.“ Das Fluglehrerkollegium des LSC hat diese Vorgabe buchstabengetreu umgesetzt und ich freue mich mitteilen zu können, dass auf keinem dieser Starts versucht wurde mir bereits ein Gespür für die pädagogischen Herausforderungen des Fluglehrertums beizubringen und ich definitiv niemals, in Anbetracht leichter Überforderung aus Fliegen, Schulen und Denken die falsche Landebahn nutzte und dies definitiv nie-niemals mit einem herzhaften „Hahahaaa, hab dich!“ vom vorderen Sitz quittiert wurde.
Die Saison bestand fortan vor allem aus der Frage: „Wie viele musst du noch?“, und meiner Antwort: „Ein paar brauche ich noch.“ Dank meiner im Zeitmanagement wesentlich begabteren Partnerin, endete diese Phase jedoch kurz vor dem Lehrgang abrupt, als sie mich eines Morgens auf dem Weg zum Einkaufen am Flugplatz aus dem Auto schmiss und beim Wegfahren rief: „Und komm mir nicht unter 20 Starts heim!“. An dieser Stelle meinen herzlichen Dank an alle Beteiligten!
Schlussendlich kam der September und ich machte mich auf gen Osten: Laucha an der Unstrut! Sehnsuchtsort, das Rom der Fliegerei, Perle des Burgenlands. Dort, unweit des Naturschutzgebiets „Tote Täler“ sollte ich meine Schwingen erhalten. Die Ankunft: Niederschmetternd. Acht weitere Aspiranten erwarteten mich mit dem Ausruf: „Ah, der Gruppenälteste ist eingetroffen.“ Diese Schmach sollten sie mir büßen – ist doch mein jugendliches Aussehen weithin unbestritten.
Am nächsten Morgen um Punkt 09:07 Uhr ging es los. Punkt 1 der Tagesordnung: Dokumentenkontrolle! Hierbei ein Tipp aus der Praxis: Lizenzen sind zu unterschreiben. Wer das nicht macht, fliegt ohne gültige Lizenz. Ich gebe dem geneigten Leser an dieser Stelle 30 Sekunden zur inneren Einkehr und Kontrolle der eigenen Dokumente.
Weiter geht’s: Raus aufs Feld, Kontrollflug! Die Anwärter sollen im F-Schlepp Kastenflug und nach dem Ausklinken Trudeln, Steilkreise und eine Ziellandung mit Seitengleitflug demonstrieren. Hier gilt es, Schütze, deine Kunst zu zeigen: Das Ziel ist würdig, und der Preis ist groß. Es winkt Ansehen in der Gruppe und Hand aufs Herz: man ist eben auch der beste Pilot seit Maverick. Es gibt das Sprichwort, dass die drei Prüfungsflüge die drei ordentlichsten Flüge einer Pilotenkarriere sind. Wenn dem so ist, dann haben wir mit dem Kontrollflug das Gegenteil dessen gefunden. Ohne ins Detail gehen zu wollen kann doch festgestellt werden, dass wir nach diesem Tag alle deutlich geerdet waren.
Pausen zum durchatmen gab es jedoch nicht. Die Tage bestanden wechselweise aus Theorieunterricht in sämtlichen Prüfungsfächern und Praxis in allen Ausbildungsabschnitten. Die werte Leserschaft fragt sich nun gewiss: „Wie geht das in der Praxis?“, und diese Antwort will ich selbstverständlich nicht schuldig bleiben. Das geht, in dem die Ausbilder auf die bestmögliche Art und Weise verrückt sind. Es muss eine lebendige Laientheaterkultur in Sachsen-Anhalt geben, anders ist die dargebotene Vielfalt an verschiedenen Schülercharakteren, welche durch die Ausbilder gemimt wurden und welche wir zu beschulen hatten, nicht erklärbar. Als besonders hartnäckig erwies sich die 14-jährige Maxine, welche durch absolut wortgetreue Umsetzung der Fluglehreransprache auffiel. Hier ein weiterer Praxistipp: Wenn man hier im Windenstart selbstbewusst: „Zieh!“, empfiehlt, so wird dies umgesetzt – der Knüppel wandert zum Bauch. Faszinierende Anstellwinkel und völlig neuer Respekt für Sollbruchstellen können die Folge sein. Ein weiterer liebenswürdiger Charakter war der 64-jährige ostdeutsche Rentner Karl-Heinz, dessen Redseligkeit über die gute alte Zeit nur von seinem Akzent übertroffen wurde. Um mit ihm kommunizieren zu können, empfiehlt sich das BZF III (sächsisch).
Die Tage vergingen, die simulierten Schüler schritten in ihrer Ausbildung voran und wir Anwärter mit ihnen. Und stets wenn wir dachten, wir hätten es so langsam raus, wurde eine weitere Schippe drauf gelegt. Das pädagogische Konzept der „stimulierenden Überforderung“ war allgegenwärtig. Schlussendlich führte kein morgendliches Joggen mehr an der Erkenntnis vorbei: Die Prüfung ist nah! Jedoch, da die Prüfung zum FI(S) in ihrer Wichtigkeit nur einen Platz hinter dem Konklave steht, wird diese nicht in einem Tag und nur von einem Menschen abgehandelt. Es sollten vier Prüfer und zwei Tage werden.
Tag 1: Die Lehrprobe und die Theorieprüfung. Letztere wurde im „ungezwungenen Zwiegespräch“ durchgeführt. Auch hier ein Tipp: Alles über 7 Tassen Kaffee vor einer solchen Prüfung kann sich negativ auf Konzentration und Ausdrucksvermögen auswirken. Für die darzubietende Lehrprobe, bei welcher ein Theorieunterricht simuliert wird, wählte ich das Thema „Der Fahrtmesser und der Höhenmesser“ – clever alle Möglichkeiten für etwaige Fragestellungen zu anderen Themen im Nachgang umgangen! Wenn der beisitzende Prüfer jedoch Diplommeteorologe ist, findet er einen Weg um über die Schichtung der Atmosphäre zur Idealzyklone und von dort zur zulässigen Toleranz des Fahrtmessers bei CAT III ILS Anflügen und den Vorteilen der Gemischtbauweise bei labilen Wetterlagen zu kommen. Conclusio – doch nicht clever. Und schlussendlich irrelevant, denn die Lehrprobe dient der Beurteilung der pädagogischen Kompetenz, nicht der fachlichen (hierzu: siehe Theorieprüfung). Tag 1 endete jedoch mit einer langen heißen Dusche um den Angstschweiß abzustreifen und dem guten Gefühl, dass alle acht zur Prüfung angetretenen Aspiranten theoretisch fliegen und lehren können. Blieb also nur noch die Praxis. Und mal im Ernst: How hard can it be?
Tag 2: Praxisprüfung. Vier Starts. Start 1: F-Schlepp mit Kastenflug und nach dem Ausklinken Trudeln, Steilkreise und eine Ziellandung mit Seitengleitflug. Flashbacks vom ersten Tag. Der absolute Wille es dieses Mal besser zu machen. Und siehe da: Alles klappt wie gewünscht. Die ASK-13 zeigt sich kooperativ und Trudelt in alle Richtungen, die Steilkreise werden mit der gewünschten Querlage und einem festgetackerten Faden absolviert. Jetzt nur noch eben mit Seitengleitflug ziellanden. Hierzu besser etwas höher anfliegen, denn zum anschaulichen Höhe vernichten braucht es ebendiese und die ASK-13 vernichtet im Slip Höhe wie eine Wilga Öl. Doch die sachsen-anhaltinische Physik unterscheidet sich nicht von der restlichen und so blieb beim Aufsetzen die Feststellung: 150m über der Platzkante sind zu hoch um am 2. Landereiter aufzusetzen. Ein langer Weg zurück zum Start mit einem in Demut gesenktem Haupt folgte.
Start 2: Ein Lehrtextflug. Hier zahlte sich die absolut professionelle Ausbildung aus. Ich gehe davon aus, dass wir alle auch noch in 17 Jahren nachts um 03:00 Uhr geweckt werden können und den Lehrtext inklusive Satzzeichen werden runterbeten können.
Start 3: Eine Alleinflugüberprüfung. Der Prüfer mimt den Schüler, der Prüfling muss beurteilen, ob der Schüler alleine fliegen darf. Zudem ist abzuwägen, wie und in welcher Form einzugreifen ist. Ich kann abkürzen: Mein Schüler durfte nicht alleine fliegen. Hierzu hätte es etwas weniger Todessehnsucht im Endanflug bedurft.
Start 4: Ein Seilriss. Noch einmal sammeln. An das Gelernte denken: Bei einem Seilriss in 2 Metern Höhe keinesfalls reflexhaft nachdrücken. Haben wir demonstriert. Die ASK-21 landet in diesem Fall mit dem Bugrad zuerst – und danach auch eine ganze Zeit gar nicht mehr. „Seil strafffertig , FREI!“. Das Flugzeug in sich steigen lassen. Langsam anstellen und Steigfluglage einnehmen. Und weiter steigen. Und weiter. Und dann endlich: „Peng!“. Fahrt einstellen, Höhe kontrollieren: 200m. „D-2612 fliegt eine verkürzte Platzrunde.“ Verkürzt ist hierbei eigentlich nichts. Nach der Landung lächelt der Prüfer und verrät: „Ich hatte vergessen, dass ich ja klinken muss. Ich wunderte mich schon, wann du wohl klinkst.“
Und dann gratuliert er zum bestandenen FI(S). Ziel erreicht! Oder eigentlich erst den Anfang. Jetzt kann es losgehen mit der Schulung. Ich freue ich drauf!