Das Diplom ist tot – und wir haben es getötet
„Das Diplom ist tot – lang lebe der Ingenieur!“ ruft der copublizierende Ingenieur und wir mit ihm. Aber im Gegensatz zu ihm schwingt in unserer Stimme keine Freude mit und damit stehen wir in einer guten Tradition von Menschen, die den Satz vom toten König über hunderte Jahre skandieren mussten – nüchtern (- und an dieser Stelle muss ich spekulieren -) betrachtet kannten all diese getreuen Bürger die selbe kosmische Regel, wie auch wir heute:
Alles wird eigentlich immer nur mehr scheiße.
Das Diplom ist tot, ja, und im Angesicht des Verlusts einer weiteren international etablierten deutschen Bildungsmarke müssen wir Sack und Asche bereitlegen und demütig zugeben: Wir haben es getötet. Wir Narren. Wie bei jeder bildungspolitische Pirouette der letzten Jahre kann man ohne Zögern sagen: Die Ausführung war schlecht, aber dafür waren wenigsten die Absichten scheiße. (Wir differenzieren einmal mehr: Vulgärsprache ≠ Sprache für besondere Anlässe)
Denn Fakt ist: Die Lage des europäischen Binnenmarkes für Arbeitskraft hat sich durch die Reform nicht verbessert; mit einem deutschen Abschluss konnte man auch vorher überall arbeiten gehen. Das einzige, was wir gemacht haben, ist unseren eigenen Standard zu senken, damit unseren eigenen Absolventen mehr Konkurrenz zu schaffen und eine respektsträchtige Marke, auf die Generationen von Akademikern stolz waren, ersatzlos zu vernichten. Und jeder, der jetzt die Worte „Globalisierung“ oder „Protektionismus“ in den Mund nimmt, dem schicke ich gerne portofrei einen abgeschnittenen Pferdekopf zu.
Und alles passierte natürlich in deutscher Manier Hals über Kopf; die verwirrenden Probleme, die der Kollege Ingenieur darstellt, das sind Papiertiger von Mao’scher Definition, die davon mehr als zeugen. Was tun wir mit den FHlern? Was macht eigentlich ein Bachelor der Pädagogik? Was sind die Abschlüsse überhaupt wert? Ist ein Master in der freien Wirtschaft dem Diplom ebenbürtig? Oder eine Frage, um sie alle zu umfassen:
Warum wohl wollen so viele Akademien samt ihrer Absolventen den Diplomtitel zurück?
Damit dieser Artikel mehr darstellt, als nur haltloses – obgleich überfälliges – Genörgel, hier meine Vorschläge:
Erstens: Schaden begrenzen. Nicht noch weiter reformieren in der sinnigen Hoffnung, dass, wenn man noch fünf Schaufeln Stuhl auf den Berg wirft, er irgendwann zu Vanilleeis wird.
Zweitens: Von Bolognia so weit zurücktreten, wie es nötig ist, unser akademisches Bildungssystem wieder in eine vernünftige Form zu bringen: Bachelor als Vordiplom in den Hintergrund schieben, jedem BA einen Masterplatz garantieren. Der Master wird wieder zum Diplom, die Masterarbeit wird wieder zur Diplomarbeit ausgebaut. Absolventen der FH bekommen endlich einen eigenen akademischen Grad, der sie zur Berufsausübung und zum facheigenen, abgekürzten Studium an der Hochschule qualifiziert. Absolventen der Medizin bekommen mit dem Abschluss ihren Doktortitel. Das Gymnasium bekommt seine 13 Klassen zurück. In diesen Restaurationsprozess müssen die Lehreinrichtungen direkt eingebunden werden, ansonsten gehen die Lösungen im Detail wieder calmundweit an der Realität vorbei.
Drittens: Ceterum censeo Carthaginem esse delendam.
16. Mai 2011 um 19:13
Das Diplom ist nicht tot! Ganz im Gegenteil erlebt es gerade ein revival…
In Sachsen gibt es z.B. an der TU-Dresden in mehreren Studiengängen den Diplom-Ingenieur und in Mecklenburg-Vorpommern wurde das Diplom gerade wieder eigeführt!
Der Landtag dort hat es Dez. 2010 per Gesetz beschlossen: ab WS 2011 gibt es wieder Diplomstudiengänge!