Dresswatches – eine persönliche Favoritenliste
Als Mann sind einem nicht viele Accessoires gegeben, durch deren wohlfeile Wahl man seinen überlegenen Geschmack dem tumben Pack richtig schön ins Gesicht dreschen kann. Das wichtigste dieser sowieso schon kleinen Ding-Menge ist fraglos der Zeitmesser.
Oder anders gesagt: Ich kaufe deutlich zu viele Uhren.
Jetzt finde ich die allermeisten Klötze schlicht prollig. Mir ist einfach nicht so richtig klar, warum jeder Spargeltarzan von einem Sachbearbeiter dringend einen Diver-Chronographen braucht. Die Kisten sind riesig, schwer und in neunundneunzig von siebzig Fällen ein klarer Fall von gewollt und nicht gekonnt. Der Rolexträger ist die Überholspur-Pars Pro Toto für den großen Haufen Leute, die entweder Preis oder Menge an Metall, am liebsten aber beides mit Schönheit verwechseln. Warum ich einen guten Teil meiner Leser gerade schwer beleidige? Ich kaufe zu viele Uhren. Ich muss es rechtfertigen.
Mein Ideal einer Uhr ist die Dresswatch: Von der Größe her auf den Arm abgestimmt, so flach wie möglich und im Design von schlichter Schönheit. Und ja, ich rede von mechanischen Uhren. Nein, ich kann das nicht wirklich rechtfertigen. Mechanische Uhren sind einfach wertiger, sie fühlen sich wie ein tatsächlicher Gegenstand an, nicht wie eine kurzfristige Erscheinung aus dem Kaugummiautomaten. Aber weil ich glaube, dass jemand, der nicht an einem zumindest ähnlichen Uhren-Wahn leidet wie ich, diesen Artikel gar nicht bis hier gelesen hätte, gehe ich also jetzt mal laut jodelnd die Zwischenrufe übertönend davon aus, dass mir alle so weit zustimmen und unwahrscheinlich neugierig sind, wohin die Reise geht. Nun – ich spüre meiner idealen Uhr schon seit Jahren nach; es wird Zeit, die Ergebnisse mit der Welt zu teilen. Zu diesem Zweck jetzt eine Aufzählung meiner fünf persönlichen Favoriten.
1. Jaeger LeCoultre Master Ultra Thin 38
Edelstahl – 4950€
Die Liste wird angeführt von der Ultra Thin von JLC. Nicht weil sie teuer ist – ist sie – oder von einem der prestigeträchtigsten Hersteller überhaupt kommt – tut sie -, sondern schlicht und einfach, weil ich sie für die perfekte Dresswatch halte. Die eine. In ihr tickt – man erwartet es bei dem Preis – ein Manufakturkaliber, das nur 1,85mm dicke Calibre 849. Durch die Verwendung dieses kleinen Viechs ist die Uhr nur 6,3mm dick und unschlagbar unschlagbar. Es gibt sie in etlichen Ausführungen, in Edelstahl gefällt sie aber am meisten. Für Menschen mit großen Armen gibt es sie auch in 41mm, für mich ist das aber deutlich zu raumgreifend. Sollte ich irgendwann mal über einen Topf Gold stolpern – der nächste Gang wäre schnurstracks zum JLC-Konzi.
2. Stowa Antea Kleine Sekunde – 680€
Die Firma Stowa aus Pforzheim hat sich unter den wiederbelebenden Händen von Jörg Schauer prächtig gemacht. Sie lancieren wunderbare Flieger- und Marineuhren und fertigen auch auf Basis des großartigen Peseux 7001 eine Antea Kleine Sekunde genannte Bauhaus-Uhr, die dem unbedarften Betrachter wahrscheinlich von Nomos seiten her bekannt vorkommen dürfte. (Ich habe sie hier schon einmal vorgestellt.) Tatsächlich hat Stowa dieses Design jedoch historisch gesehen vor Nomos verwendet, sodass man besser nicht laut „Plagiat!“ schreit und hysterisch Richtung Stowa zeigt. Die Kleine Sekunde misst 36mm im Durchmesser und ist dank des Peseux-Werks nur 6,9mm hoch. Für Menschen mit dickeren Armen gibt es auch Varianten in 39mm (Antea 390 – 8,1mm hoch) und 41mm (Antea KS41 – 9,7mm hoch), aber beide sind des dort verbauten Uhrwerks wegen (Soprod A10 und Unitas 6498-1) deutlich teurer und bauen auch höher. Die 36mm der Kleinen Sekunde wirken der dünnen Wände und der zylindrischen, nicht rezidierenden Form wegen aber auch an einem normalen Männerarm keinstenfalls verloren. Die Uhren sind ausnahmslos vorbildlich verarbeitet und kommen mit Saphirglas in Deck- und Bodenglas.
3. Hamilton Intra-Matic
Edelstahl / Helles Ziffernblatt – 700€
Hamilton war lange eine der traditionsreichsten Uhrenmarken der Verstaatlichten Einheiten Englischamerikas, bevor sie sich zum großen Wehleid der USaner 1969 gezwungen sah, ihre gesamten Produkte in der Schweiz fertigen zu lassen und das Heimatwerk in Pennsylvania zu schließen. Solche Schritte werfen nie gute Schatten voraus, und so kam es dann auch, dass die Produktion ’71 vollständig eingestellt und der Name an die Swatch Group verkauft wurde. Nachdem diese Fachleute dann etliche Wiederbelebungsversuche mit Hochdruck in den Sand gesetzt hatten, gelang es in den späten 80ern endlich, die Marke wieder mit Leben zu füllen und am Markt zu etablieren. Man kann nur sagen, dass Hamilton seit dem sehr vorausschauend und sinnhaft gemanaget worden ist. Die Designs arbeiten Erfolge der Vergangenheit mit viel Fingerspitzengefühl wieder auf, wodurch eine größere Zahl sehr tragbarer Uhren entstanden ist. Die Intra-Matic borgt ihren Namen und ihr Design von einem Vorgänger aus den 60er-Jahren: Die Uhr war mit dem damals revolutionären Burgen Mikrorotor-Kaliber 1320/22 ausgestattet, das seinerzeit um die Krone des flachsten Automatikkalibers rang und schließlich als erstes Automatikuhrwerk überhaupt zu einem Chronographen umgerüstet werden konnte. Man hört Stimmen unter den Liebhabern, die die Neulancierung dieser Uhr – besonders unter diesem Namen – mit dem ETA 2829-2 als Faupax gegen diese glorreiche Geschichte beweinen. Meine Augen dagegen sehen eine großartige – und bezahlbare – Uhr, die mit großer Liebe zum Detail die klassische amerikanische Dresswatch wieder erwerbbar macht. Es ist mir nur recht, dass unter der Haube kein elendig teures Mikrorotor-Manufakturkaliber tickt, sondern das „bessere“ ETA Automatikwerk, das von jedem Uhrmacher in der kirgisischen Steppe noch für einen schmalen Rubel revidiert werden kann. Nominell ist die Uhr zwar 10mm dick, aber das gilt nur für die Mitte des gebogenenen Saphirglases. Durch Zurückschneidungen am Rand wirkt sie deutlich dünner und trägt sich auch sehr leicht. Desweiteren macht der dünne Rand sie optisch größer als ihr Durchmesser von 38mm das suggerieren würde. Meine einzige Kritik trifft das weniger doll aussehende Fabrikband und die Tatsache, dass auf dem Ziffernblatt sowohl „Automatic“ als auch „Intra-Matic“ steht. Aber man kann sich natürlich auch alles zernörgeln. In meinen Augen übrigens auch die schönere Alternative zur Mathiesen OM8, die zwar etwas flacher, aber auch im Durchmesser etwas klein ist und es deswegen nicht in diese Aufzählung geschafft hat.
4. Junghans Meister Handaufzug
Edelstahl – 1090€
Junghans ist eines der wenigen noch bestehenden deutschen Traditionsunternehmen, mit deren Name fast jeder etwas anfangen kann. Einst waren sie mal der größte Uhrenhersteller der Welt. Der Weg zum heutigen Tag war allerdings zwischenzeitlich ganz schön holperig. 2008 war das Unternehmen nämlich insolvent und wurde schließlich von dem deutschen Unternehmer Hans-Jochem Steim gekauft. Zu unser aller Glück ist der neue Besitzer kein Dödel, sondern offensichtlich ein Mann mit Verstand: Seit der Übernahme schreibt Junghans wieder schwarze Zahlen und lanciert eine schöne Uhr nach der nächsten. Bereits vor der Übernahme gab es die Linie der exzellenten Max Bill Uhren und man darf sich zurecht freuen, dass diese Linie jetzt weiter verfolgt wird, heißt: Schöne Bauhausuhren in guter Fertigungsqualität. Die Meister Handaufzug ist ein ganz großer Wurf, wenn man mich fragt oder auch nicht brutal genug zum Schweigen zwingt. Das verbaute Peseux 7001 – Junghans nennt es aus Eitelkeit J815.1 – erlaubt eine Bauhöhe von gerade mal 7,3mm bei 38mm Durchmesser, die dünnen Wände lassen die Uhr größer wirken, als sie ist, wodurch der Arm etlich kräftig werden muss, bis sie zu klein ist. Die einzigen beiden Makel sind das verbaute Plexiglas (obgleich man darüber trefflich streiten kann, denn Plexiglas hat das Alleinstellungsmerkmal, sich einfachst wieder aufpolieren zu lassen) und .. der Preis. Meines Erachtens müsste die Uhr mindestens zweihundert Euro günstiger sein. Damit haben wir auch schon den einzigen Grund, warum ich noch keine besitze. Kommt aber noch. Die Meister Klassik mit Soprod A10 („J820.2“) ist übrigens auch eine sehr schöne Dresswatch und hätte es fast in diese Liste geschafft.
5. Nomos Glashütte Orion 38 – 1720€
Die Firma Nomos aus Glashütte hat sich mit ihrer Tangente vor einigen Jahren einen Goldesel an den Markt gestellt – den man in der Form allerdings günstiger und authentischer von Stowa haben kann. Seitdem variieren sie das Thema die Straße rauf und runter: Marine, sportlich, eckig, lateinische Zahlen, andere Ziffernblattfarben .. und die Orion, die zwar schon merklich dem gleichen Designkonzept entspringt aber dann doch ganz anders ist. Namentlich ist der Ziffernsatz als aufgesetzte Striche ausgeführt und kontrastiert in dieser Version wunderbar gülden mit den gebläuten Zeigern, desweiteren ist das Gehäuse nicht bis oben hin streng zylindrisch. Diese beiden Fakten – und dass sie mit ihren Maßen 38mm / 8,8mm äußerst plaisierlich daher kommt – machen sie zu einer wunderbaren Dresswatch, die durchaus neben einer Tangente oder Antea im Regal stehen darf, ohne redundant zu wirken. Leider spürt man das Manufakturkaliber alpha (Handaufzug, 10 ½ Linien, 2,6mm hoch) deutlich im Portmonee. Dafür hat man dann aber auch die Uhr schön.
Und jetzt gehet los und gebet auch zu viel Geld für Uhren aus!…
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