Rehabilitation – Teil 1
Eine Kneipe. Ein situationsgeschuldeter Doppelter. Die Wahl zwischen Jack, Jim und was mit Torf im Tank fällt leicht. Man platzt am Tresen.
Hinter jenem gibts unaufgefordert und umsonst mindestens 50 Jahre geballte, weibliche Erfahrung am zumindest als ein solches empfundenen Leben. War mal eine blondierte Dauerwelle – jetzt? Schwer zu sagen. Der Thekenbetrieb, wenn er auch nach kritischer Selbsteinschätzung nur eine freiwillige Tätigkeit zum Einkommenserwerb war und ist, hinterließ Spuren. Allen vorran mindestens 50 Jahre Rauchgebot in geschlossenen, zur Not auch heimischen Räumen – wobei diese Differenzierung, so schwört die Erscheinung mittels nonverbaler Zaunpfahlkommunikation, mit der Zeit wohl verloren ging. Rauchtätigkeiten hier untersagen zu wollen, scheint pathognomonisch für schwereren Realitätsverlust – den von der unguten Sorte.
Ja, Whiskey geht auch im Cola Glas. Scheisse im Glas is Scheisse im Glas – und wenn da Ed Hardy und Louis Vuitton persönlich rein uriniert haben. Nein, ich möchte trotzdem nichts anderes.
Wenn der Chef den Laden nicht schon seit 20 Jahren schließen würde, wäre dies stichhaltiger Beweis, dass es sich bei dem Etablissement um einen ostasiatischen Nachbau handelt. Dass er hauptberuflich ohnehin eher Geißbock und Karnevalist ist, auch schon mal als Indianer aushilft – zu dieser überraschenden Information heuchelt man gerne etwas Mitgefühl und Anteilnahme. In einer Stadt voller Menschen mit grenzwertiger, aber aus kulanzgründen staatlich anerkannter Fähigkeit zum Menschsein herrscht die tiefe Überzeugung, dass Glückseeligkeit und Frohsinn – auf nicht undeutsche Art – fest terminiert und gut geplant werden können und müssen. Vielleicht glauben Sie jedoch auch, dass Glückseeligkeit und Frohsinn, in diesem Zusammenhang übrigens von überzeugender Redundanz, nur eine Frage der Tiefe des Glases – oder neuerdings des Pappbechers ist. Mit spitzem Bleistift durchdacht verarschen uns diese Schmuckeremiten mit dieser semantischen Akrobatik nun schon seit Jahrhunderten und schufen unter der Fuchtel der Kirche eine gesellschaftliche Akzeptanz, ney, einen gesellschaftlichen Zwang zu Druckbetankung, lustigem Anmalen und kollektivem Scheissesein.
Im Laufe des Abends streift es auch noch Politik und Kirche, das, so zirzt es von hinter dem Tresen, Schlimmste am Tresen. Jeder kann so religiös sein, wie er will, aber er solls nich ausatmen. Da is was dran. Man weiß nich was, aber da is was dran.
Zwei Stunden später ist man zwar nicht unbedingt klüger, weiß aber so einiges mehr über Prominenz, Provinzkicker und die örtlichen Promillesäfte und dabei in gleichem Maße statistisch signifikant weniger, warum man überhaupt hergekommen ist – und muss zugeben:
The art of Barkeeping is fucking alive – und das ausgerechnet in Köln.
Wednesday, November 16, 2011
This entry was posted on 30. Januar 2014 at 20:42 and is filed under The Hawthorne Catalyst with tags Barkeeping, Karneval, Köln, Kneipenflair, Rauchverbot. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. You can leave a response, or trackback from your own site.
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