Archiv für Februar, 2015

Das Gringo-How-To: Wie macht man Sushi-Reis?

Posted in Essen & Trinken, smile and look alive on 19. Februar 2015 by Herr Grau

 

imag2180
Ich habe viele Dinge in meinem Leben sicherlich schlicht verpasst. Nicht gemacht, zu spät gesehen, Chancen liegen rechts und links tot des Weges meinem Schritt folgend. Eine dieser Sachen, die ich schlicht nicht getan habe, ist, zehn Jahre als Lehrling in einem Sushi-Restaurant zu arbeiten. Es darf davon ausgegangen werden, dass mir die hohe Schule verschlossen bleibt.

Meiner Erfahrung nach stehe ich damit aber in einer guten Reihe mit fast allen Sushi-Köchen in unserem muckeligen kleinen Deutschenland, das inhaltlich wie geographisch von Japan eine ganze Welt weit entfernt ist. Mit elendig seltenen Ausnahmen sind wir ein Haufen Gringos, die auf eine der formalisiertesten und hochgeschätztesten japanischen Speisen kreischend mit dem Schraubenschlüssel eindreschen – womit sich die Japaner in Anbetracht von Utility-Sushi überall auf der Welt schon vor vielen Jahren anfreunden mussten. So wird es mir wohl keiner Übel nehmen, wenn ich jetzt mit meiner sportlichen 20%-Einsatz-80%-Erfolg-Mentalität mit in den Ring steige und wenigstens versuche, die Ergebnisse der hiesigen besseren Sushi-Restaurants nachzustellen.

Ich habe mehr Recherche in diesen Artikel gesteckt, als es vielleicht scheint. Inzwischen weiß ich über das Thema mehr, als für den Autor einer kompakten Zusammenfassung gut sein mag – man verzeihe mir daher gelegentliche Ausschweifungen. Wer mit den Offerten der Kühltheken hiesiger Supermärkte, Nordsee-Filialen oder China-Buffets zufrieden ist, der möge hier auf dem gespitzten Hacken kehrt machen und beispielsweise ein Handbuch über Asphalt oder eine Biographie von Mireille Mathieu lesen. Wer aber die kleinen japanischen Reishäppchen für einen der größten Genüsse dieser Welt hält, Menschen, die den eingelegten Ingwer auf dem Sushi verteilen, am liebsten vierteilen würde und sich primär deswegen einen Tokyo-Urlaub wünscht, damit er mal in den richtigen Genuss kommen kann, der ist hier goldrichtig und der wird auch Ton und Umfang der Ausführungen nicht tadeln.

Eine Sache stellt sich schnell heraus, wenn man dem Olymp der Sushiköche zuhört: Es geht in erster Linie bei Sushi um eines – den Reis. Jeder weitere Gedanke kommt danach. Deshalb habe ich micht auch bei meinen Bemühungen um gutes Sushi erst einmal um nichts anderes bemüht und bin bestimmt in der praktischen Herstellung noch weit von Perfektion entfernt. Den Reis aber, den habe ich nun endlich ziemlich gut raus. Heißt: So gut, wie ich ihn in Deutschland gegessen habe. Das brauchte zahlreiche völlig misslungene Versuche und einen Abstieg in die Niederungen des kulinarischen Internet am langen Seil mit dem kleinen Karbitlämpchen auf dem Kopf.

IMAG1217IMAG1219

Der Reis.
Entscheidend bei der Zubereitung von gutem Reis ist? Na? Guter Reis. Wahnsinn. Raunen in der Menge. Ja, es klingt bescheuert. Trotzdem kann man nicht genug betonen, dass man sich ohne gutes Ausgangsprodukt die Idee mit dem Sushi wirklich gepflegt an den Hut stecken kann. Das wird nichts. Versprochen. Vor allem, weil schon eine kleine Einführung in das Thema „Sushireis“ zügig seitengreifend ausartet, ist das natürlich leicht gesagt: gut? Wo wächst das denn? In Japan und Californien, wie sich herausstellt. Dabei bekommt der Rest der Welt von den Japanern wenig von ihrem guten Reis ab und wir dürfen uns glücklich schätzen, dass das Klima an der amerikanischen Westküste jenem im Alten Land sehr ähnelt und dort engagierte Produzenten wohnen, die ein exzellentes Korn produzieren. Es bricht sich auf folgendes runter: Ordentlichen Sushi-Reis wird man in den allermeisten Fällen im Internet bestellen und dafür mindestens 5€/kg anlegen müssen. Dabei kommen die Rundkorn-Sorten Akitakomachi und Koshihikari in Frage. Ich habe sehr gute Erfahrungen mit dem Koshihikari von Reishunger gemacht, den ich an dieser Stelle ausdrücklich empfehlen möchte. Die meisten gehobenen Sushi-Restaurants nutzen Koshihikari der Marke Kagayaki.

Reis kochen.
Gott, wie ich mit dem Kochen von Reis auf Kriegsfuß stehe. Ich habe es nicht mit normalem Langkorn, die Hürde beim Sushireis liegt also noch eine Aufzuglänge höher. Ich weiß nicht, wer es genau war, aber ein japanischer Philosoph hat mal gesagt, dass die beste Erfindung der Neuzeit der Reiskocher sei. Nach vielen Versuchen bei fast gleichem Arbeitsablauf muss ich ihm enthusiastisch zustimmen, weshalb ich den Erwerb auch dringend anrate. Ab 15€ ist sowas schon zu haben, warum soll man sich also das Leben zusätzlich schwer machen. Es geht auch im Topf. Klaviersonaten kann man auch auf Keyboard spielen. Sie verstehen.

Pro Person messen wir eine halbe Tasse Reis (=100g) ab. Dieser Reis wird in einen Topf gegeben und der mit kaltem Wasser gefüllt. Der Reis wird von Hand leicht gerieben und durcheinander gewirbelt, bis sich das Wasser trüb gefärbt hat, dann abgegossen. Dieses Procedere wird wiederholt, bis das Wasser fast klar bleibt, vier bis sechs mal ist ein guter Richtwert. Danach wird der Reis in einem Sieb abgegossen und 30 Minuten dort abtropfen gelassen. Sodann will er in unseren Reiskocher (oder Topf…) hinein. Pro Person wird 15ml günstiger Sake zu einer halben Tasse aufgefüllt, also dem gleichen Volumen des Reises, und dazu gegeben. Ebenfalls dazu kommt pro Person ein 5×5 cm großes Stück Kombu, das man in fast jedem Asia-Markt kaufen kann. Dann kommt der Deckel drauf und dann darf alles erst einmal 20 Minuten ohne Hitze quellen. Sodann wird aufgefeuert. Den Reiskocher lässt man einfach seine Nummer durchziehen, bis er ausgeht, im bedeckelten Topf soll das Wasser erst kochen, dann 15 Minuten auf kleinster Flamme ziehen. Wenn das fertig ist – und jetzt aufpassen – Strom aus und 20 Minuten in Ruhe lassen. Während der gesamten Zeit bleibt der Deckel unbedingt geschlossen!

IMG-20150219-WA0010IMG-20150219-WA0007

Reis würzen.
Während der Reis kocht, bereiten wir unser „Sushi-Gewürz“ (Sushi-Su) zu. Dabei handelt es sich um gesüßten und gewürzten Reis-Essig. Dem Drang, fertigen Sushi-Essig zu kaufen, sollte man unbedingt widerstehen. Die Herstellung ist elendig einfach und das Ergebnis viel besser. Die Wahl des Essigs ist sehr einfach: Mizkan. Fertig. Es ist der mit Abstand am meisten verkaufte Reisessig, weshalb er überall zu haben und relativ günstig ist, und wird auch von hochkarätigen Sushi-Köchen verwendet. Reisessig, Zucker und Salz werden im Verhältnis 4 : 2 : 1 gemischt und unter Rühren aufgelöst. Man veranschlagt je nach Geschmack 20 – 30% des rohen Reisgewichts an Sushi-Su, also pro Person (100g roher Reis) 20 bis 30ml. Fertig. Aber es wäre ja nicht Sushi, wenn es nicht noch einen schwierigen Teil geben würde. Der Reis muss nämlich, wenn er fertig gedämpft ist – wir erinnern uns: Die 20 Minuten Ruhe nach dem Kochen – mit diesem Sushi-Gewürz vermischt werden. Dafür hat man idealerweise einen Hangiri, einen Holztrog, aber es geht auch die größte Schüssel im Haus. Ein sehr breiter Holz- oder Plastiklöffel und ein Stück Pappe zum wedeln sind weiterhin unabdingbar. Der Reis wird in die Schüssel gekippt – wer eine Holzschüssel hat, sollte diese vorher mit Wasser befeuchten -, dann wird über dem hin- und hergewedelten Paddel die Würzflüssigkeit möglichst gleichmäßig verteilt. Während nun mit der anderen Hand mit Fächer, Pappe oder einfach Fön kühlende Luft eingebracht wird, wird mit einer wedelnden Seitwärtsbewegung der Reis geöffnet und verteilt, bis er die gesamte Flüssigkeit aufgenommen und sich auf Körpertemperatur abgekühlt hat. Diesen Teil kann man sich am besten in einem Video anschauen, da er schwer zu vermitteln ist. Ein gutes Video ist bspw. dieses. Danach wird die Schale mit einem feuchten, warmen Tuch abgedeckt. Fertig, Sushi-Reis. Der Reis sollte leicht kleben (weshalb feuchte Hände bei der Verarbeitung dringend anzuraten sind), aber nicht pappen. Die Körner sollten luftig zusammenhalten und in der Mitte noch einen gewissen Biss haben. Sie sollten weder zu süß noch zu sauer schmecken. Ich vermute, jeder wird ein paar Versuche brauchen – hoffentlich ist diese Anleitung aber geeignet, die Misserfolge auf ein Minimum zu reduzieren. Viel Erfolg!

imag2181

Alles richtig gemacht – Rippchen, wie sie seit Jahren werden sollten

Posted in Essen & Trinken, smile and look alive on 2. Februar 2015 by Herr Grau

IMG-20150202-WA0003Das Gefühl, etwas nach vielen Jahren des Irrens durch den dunklen, dunklen Tann endlich genau richtig gemacht zu haben, steht allein. Die Welt scheint einem plötzlich direkt in der Hand, alles ist möglich – man fühlt sich fast dumm, sich je über dem Elend des Alltags bittere Falten ins Gesichts gehasst zu haben. Man sollte meinen, dass das Internet dem demütig suchenden Barbecue-Neophyten zügig ein Evangelium an die Hand gäbe, das auf Engelstrompeten und elysisches Stöhnen eine Werksgarantie gibt. Aber oft genug sind es eben die einfachsten Dinge, die am schwierigsten richtig zu machen sind. Ich mache seit zehn Jahren Ribs, habe unzählige Manifesten dazu gelesen, keine Mühe in der Herstellung gescheut und bin doch am Ende nie in den Himmel gefallen. Jetzt, endlich, plötzlich, überraschend – Erfolg. Ich bin ein guter Mensch und teile.

cutsEine adäquate Fleischgrundlage ist natürlich Vorraussetzung. Wenig Überraschung an dem Punkt. Gerade bei der Beschaffung haben viele Leute schon Probleme, denn die Grundlagenforschung an der Grillrippe stammt von dezentral organisierten Forschungsgruppen aus Englisch-Amerika. Und ungünstigerweise macht der Metzger in den britischen Kolonien anders als der Fachmann aus Teutonien. Ein für allemal also: Babyback Ribs heißen in Deutschland Kotlett-Rippen, die deutlich breiteren Spare Ribs gibt es nicht in den klassischen St. Louis- oder Memphis-Cuts, sind aber ausreichend annäherbar, indem man Schälrippen bestellt und von denen den Part mit Knorpel abschneiden lässt. Ich hatte bis jetzt immer die Silberhaut auf der Rückseite der Rippen abgezogen. Diese Praxis wird aber durchaus kontrovers diskutiert und nach meinen jetzigen Erfahrungen muss ich sagen: Drauf lassen. Weniger Arbeit und mehr Zusammenhalt des später butterweichen Fleisches.

Der Dreh- und Angelpunkt unserer Ribs ist ein s.g. Dry Rub im Kansas City Style. Pro hungriger Person würde ich zwei Lagen Kotlettrippen vorsehen. Für 10 Rippenstränge mischen wir:
250ml brauner Zucker, 3EL Salz, 7EL Rosenpaprika, 2EL gemahlener schwarzer Pfeffer, 2EL Knoblauchgranulat, 2EL Zwiebelgranulat, 2TL Cayennepfeffer, 1TL Pimenton della Vera

Dieser Rub wird gleichmäßig über den Ribs verteilt und leicht angedrückt. Dann werden die Rippchen aufeinander gelegt, dicht in mehrere Lagen Alufolie gewickelt (ich hatte sie einzeln verpackt, aber das ist glaube ich wirklich nicht nötig) und dann geht es für sechs bis zwölf Stunden in den Kühlschrank. Dieser Schritt ist erstaunlich wichtig: Zu kurz und das Fleisch ist nicht würzig genug, zu lang und es ist zu viel.

Jetzt kommt der kontroverseste Punkt von allen: Drei bis dreieinhalb Stunden bei 140° Umluft in den Backofen. Danach werden sie eine halbe Stunde außerhalb des Backofens in der Alufolie ruhen gelassen. Instinktiv würde ich sie am liebsten auf dem Grill zubereiten und das habe ich auch jahrelang mit großer Hingabe auf verschiedenste Arten praktiziert. Ich weiß nur nicht, wie ich sie gleichzeitig grillen und in ihren eigenen Säften schmoren soll. Eine Möglichkeit wäre, sie auf dem heißen Grill zu starten, dann einzuwickeln und in dem geschlossenen Grill durchzugaren. Ich finde, das ist eine Menge Aufwand, der eventuell bei der nötigen dichten Einpackung gar keinen großen Mehrwert bringt und durch die Schwierigkeit, ein Feuer richtig zu kontrollieren, auch noch deutlich fehleranfälliger ist. Bei mir gibt es also erstmal Backofen, zumindest, bis ich wirklich weiß, dass es irgendwie besser geht.

IMG-20150202-WA0001Wie man die Rippen finished, ist Geschmackssache. Eine Möglichkeit wäre, das Fleisch wie Pulled Pork auseinander zu ziehen, in den Bratensaft zurückzugeben und mit BBQ-Sauce (dieses mal probiert und für ausgezeichnet befunden: Hunt’s. Sonst gerne HP oder selbstgemacht) im adäquaten Brötchen zu servieren. Unsere Variante war die traditionelle: Der Grill des Herdes wird auf 250° aufgedreht, die Rippchen auf einem Rost mit BBQ-Sauce eingepinselt und unter dem Grill glasiert, bis die Sauce nicht mehr feucht aussieht. Ein Wort der Warnung: Grills in Backöfen sind direkte Verwandte von Hephaistos rauschender Esse. Zu Teutsch: Da geht es rund. Der Unterschied zwischen noch nicht fertig, perfekt und einer gut gemachten Holzkohle der Schüttung „Sächsischer Bruch“ ist häufig nur ein paar Sekunden. Dabeibleiben, dem Holzauge Wachsamkeit verordnen.

Am Ende steht, so alles richtig gemacht wurde, Begeisterung allenthalben. Auch Rib-Veteranen sollten dieser Variante wenigstens eine Chance geben .. ich habe nämlich auch bei eingefleischten Grill-Enthusiasten schon weniger gute Ribs gegessen.