Bau eines endgültigen Röhrenverstärkers – 1.2 – Welche Betriebsart?
Der Titel ist etwas irreführend, gibt es doch mehrere Betriebsarten festzulegen:
„Single Ended oder Push-Pull? Das ist hier .. auch so eine Frage..!“ Eine der Fragen nämlich, an denen sich die Geister scheiden. Single Ended bedeutet, dass eine Endröhre das gesamte Signal übernimmt. Viele behaupten, dies habe mehr Qualitätspotential, als wenn man das Signal irgendwie trennt, aber relativ wenig Leistung. Letzteres wäre im Prinzip egal, denn für das Wohnzimmer reicht eigentlich auch ein 5W-Röhrenverstärker. Hafler erklärte allerdings einmal in einem Artikel, ein Verstärker brauche gediegene Leistungsreserven, um für sich plötzlich ändernde Dynamik genug in der Hinterhand zu haben. Ich glaub’s ihm. Unser Ohr hört logarithmisch, daher bedeuten auch subjektiv geringe Lautstärkeänderungen eine erhebliche Schwankung der dahinter steckenden Leistung. Zumindest das weiß ich als Mediziner.
Ich wollte etwas mehr Bumms. Etwas mehr Reserven. Mehr Dynamikpotential. Also habe ich Push-Pull genommen. Bei dieser Art der Schaltung übernehmen zwei Endröhren jeweils die Hälfte der Arbeit. Selbst mit guter Messtechnik kann man bei einer vernünftigen Schaltung keine Qualitätseinbußen feststellen.
Von Stan White findet sich folgende Begründung, warum Push-Pull vom physikalischen Standpunkt Single Ended überlegen sein soll:
In operation, the plate voltage on the output tube(s) varies, as does the current through the tube(s). The plot of voltage Vs current produces a continuous line on a graph called the load line. Examination of this graph shows that the load line from one tube is less linear than the load line from push-pull tubes. Interpretation of the graph from a distortion standpoint reveals that the straighter the load line, the lower the output distortion from the tube(s). It can also be shown that the LONGER the load line is the lower the distortion from the tube(s). Cursory comparison of single-ended output Vs push-pull output reveals that push-pull load line is more linear. Further, not only is the load line more linear, it is longer with two tubes in push-pull. The combination of greater linearity combined with a longer load line produces superior results when output tubes are examined.
Zu deutsch:
In Applikationen, in denen sich die Anodenspannung an den Ausgangsröhren ändert, wird sich auch der Strom in den Röhren ändern. Trägt man Spannung gegen Strom auf, entsteht eine kontinuierliche Linie namens Arbeitslinie. Untersucht man diesen Graphen, so findet man, dass die Arbeitslinie einer Röhre weniger linear ist, als die von push-pull-Röhren. Von einem Verzerrungen analysierenden Standpunkt aus betrachtet zeigt sich, dass die Ausgangsverzerrung geringer ist, je gerade die Linie ist. Es kann ebenfalls gezeigt werden, dass die Verzerrung abnimmt, je LÄNGER die Linie ist. Ein Vergleich von Single Ended gegen Push-Pull zeigt, dass die Arbeitslinie von push-pull-Konfigurationen linearer ist, und nicht nur das, sie ist auch länger. Die Kombination aus größerer Linearität kombiniert mit der längeren Arbeitslinie von Push-Pull resultiert in überlegenen Ergebnissen in der Analyse von Ausgangsröhren.
(Quelle)
Ebenfall großen Einfluss auf den Klang hat die Entscheidung, wie die Röhren beschaltet sein sollen. Trioden wie die 2A3 oder die 300B kann man nur als Triode nutzen, Pentoden oder Beam Power Tetroden wie meine KT88 kann man als Pentode, als Triode oder Ultralinear beschalten. Dabei ist die Leistung der Triode am geringsten, dann kommt Ultralinear, am meisten Leistung erzeugt Pentodenbetrieb. Zuerst entschied ich mich für Ultralinearbetrieb wegen seines Mittelwegcharakters, inzwischen habe ich eine interessante Untermauerung für meine Wahl gefunden, die Stan White in seiner Kritik des ursprünglichen Williamson-Verstärkers beschrieben hat:
Power triodes are voltage amplification devices. They try to amplify voltage. With an output resistive load, this presents no problem to the load line. By contract, power pentodes or beam power tubes try to present a constant current to an output load. With a resistive load, this also presents no problem to the load line.
The problem is that loudspeakers (the intended load of the output transformer) are not a resistive load at most of the used frequencies of a loudspeaker. When a loudspeaker is attached to an output transformer instead of a resistive load, the load line of the output tubes goes crazy, whether the tubes are triode or pentode connected. Neither triode or pentode mode operate well with loudspeakers. This is why all performance tests are carried out with resistive loads.
Keroes and Hafler invented the tapped screen mode of operation of output tubes. By connecting the output tube screens to a tap at an appropriate winding location, the output tubes put out constant power into a load, rather than either constant voltage or constant current.
Zu deutsch:
Leistungstrioden sind Spannungsverstärker. Sie versuchen, Spannung zu verstärken. Mit einer ohmschen Last ist dies kein Problem für die Arbeitsgerade. Aus ihrer Natur heraus versuchen Pentoden und Beam Power Tetroden, an der Ausgangslast einen konstanten Strom zu präsentieren. Mit einer ohmschen Last ist auch dies kein Problem für die Arbeitsgerade. Das Problem ist, dass die Lautsprecher (die geplante Last der Ausgangsübertrager) für die allermeisten genutzten Frequenzen keine ohmsche Last sind. Wenn ein Lautsprecher anstelle eines Widerstands an einen Übertrager angeschlossen wird, spielt die Arbeitslinie völlig verrückt, egal, ob man die Röhren als Triode oder Pentode beschaltet hat. Weder Trioden-, noch Pentodenbetrieb arbeiten gut mit Lautsprechern zusammen. Dies ist der Grund, warum alle Tests der Hersteller mit ohmschen Widerständen durchgeführt werden. Keroes und Hafler erfanden eine Art, Schirmgitteranzapfungen zu benutzen, um Ausgangsröhren zu betreiben. Durch den Anschluss der Schirmgitter der Ausgangsröhren an eine Anzapfung an der richtigen Stelle der Windung des Übertragers erzeugt die Röhre eine konstante Leistung in der Last anstatt eines konstanten Stroms oder einer konstanten Spannung.
(Quelle)
Desweiteren muss man sich für Auto- oder Fixed-Bias entscheiden. Bias bezeichnet den Ruhestrom, der den Arbeitspunkt der Röhre einstellt. Diese Grafik von SYclotron.com illustriert die schaltungstechnischen Unterschiede: Klick
Anschaulich wird beim Fixed Bias der Ruhestrom (meist mittels Potentiometer) „fix“ eingestellt. Bei Cathode Bias „zieht“ sich die Röhre den gebrauchten Strom selbst. Für Anfänger ist eine Auto-Bias-Schaltung sicher die bessere Wahl. Es entfällt die Einstellung des Ruhestroms und die gesamte zusätzliche Stromversorgung. Für Fortgeschrittene ist aber Fixed Bias dringend anzuraten, nicht nur können so unterschiedliche Röhren verwendet werden, ohne die Schaltung ändern zu müssen, es ist auch technisch besser, da bei höherem Röhrenstrom nicht auch der Ruhestrom erhöht wird. Ich habe mich also klar für Fixed entschieden.
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