Ossobuco alla milanese
Was dem Franzosen sein Bœuf bourguignon, das dem Italiener sein Ossobuco. Okay, bevor ich mich jetzt in einen hoffnungsvollen Zweifrontenkrieg verstricke – vielleicht nicht ganz. Aber ein bisschen. Beides sind Schmorgerichte aus ländlichen Regionen, die auf zähem, außerhalb des Schmortopfes unbrauchbarem Fleisch aufbauen, das lange und liebevoll in Wein geköchelt wird. In beiden ist die Zugabe von Fleischfond oder diversem Gemüse optional. Und mit beidem kann man nahezu jede nur denkbare Beilage veredeln, in meinen Augen im Idealfall einfach gutes Brot. Letzterlich: Wie das Gericht mit dem unmerkbaren französischen Namen – und eigentlich fast jedes andere Schmorgericht – ist auch Ossobuco von jedem noch so unerfahrenen Küchenlaien ohne weiteres bestreitbar, so er denn den Weg zu seiner Küche noch findet.
Natürlich gibt es Unterschiede. Ich werde jetzt aber nicht meine Zeit damit vergeuden, meine eigene schöne Einleitung damit zu verregnen, diese auch noch aufzuführen – ich überlasse das großzügig und völlig optional dem Forschergeist des Einzelnen. Vielmehr werde ich jetzt laut und Publikumsfragen übertönend verkünden, dass man sich anschicke, pro Person ein bis zwei etwa doppeldaumendicke Beinscheiben vom Kalb zu besorgen. Diese sollten bei einem Metzger, der halbwegs die Mäßigung unseres Misstrauens in seine Fähigkeiten wert ist, gegen Bestellung für sehr schmales Geld zu haben sein. Und wie so oft ist dieses arg günstige Fleisch mit einem kleinen bisschen Liebe und Geduld zu enormer Schmackhaftigkeit überredbar. Man muss lediglich…
Okay, als erstes besorgt man sich einen Topf, in dem man schmoren kann. Ich mache diese Sachen am liebsten im Backofen, aber auf kleiner Herdflamme schmort es sich genauso gut. Ein großer Pott mit Deckel muss so oder so her. Die Beinscheiben werden in Mehl gewendet und scharf in ordentlich Butter angebraten. Wenn sie außen schön braun sind, Feuer auf mittlere Hitze zurücknehmen und grob – ja, hier mal sehr grob – gewürfelte Zwiebeln und Karotten in den Topf geben, wer mag auch Sellerie. Ein bisschen anschwitzen, Hitze aufdrehen und Topf mit ordentlich Wein deglacieren. Der Mailänder nimmt Weißwein und eventuell Fleischfond. Ich habe auch nichts gegen Roten, entweder wenn man keinen Fond in die Finger kriegen kann oder wenn das Ganze am Ende etwas dunkler werden soll. Wein und Fond in gleichen Teilen zu nehmen, ist ein guter Anhaltspunkt. Optional, aber von mir als schwer verzichtbar befunden, ist eine Dose stückige Tomaten. Von der Menge her muss man einfach sehen, dass das Fleisch gut abgedeckt ist. Einige Zweige Thymian, Oregano, etwas Rosmarin, ein oder zwei Blätter Lorbeer kommen auch noch dazu, dann kommt der Topf auf kleiner Flamme auf den Herd oder bei 150° in den Backofen. Drei Stunden lang Was Ist Was Band 88: Ritter lesen gehen.
Nach Abschluss dieser stets mehr als überfälligen Auffrischung wichtiger Bildung kehren wir an den Ort des Geschehens zurück. Es ist an der Zeit, den Topf potentiell aus dem Backofen auf eine moderate Flamme des Herdes zu heben und den Deckel zu lüften. Mittels gemächlichem Kochen darf jetzt noch ein bisschen an der Konsistenz gedreht werden, so denn nötig. Aber vorsicht: Großes Rühren sollte vermieden werden, sonst zerfällt uns das Fleisch direkt am Platz. Während jetzt diese letzte Phase der Zubereitung eintritt, müssen wir noch zweierlei tun: Erstens ist unsere Beilage vorzubereiten. Pasta, Polenta oder einfach Brot dienen sich an. Und letzterlich ist eine Gremolata herzustellen, ein Schritt, der auf keinen Fall ausgelassen werden sollte. Dafür hacken wir glatte Petersilie und geriebene Zitronenschale zusammen – und wenn uns denn der Sinn danach steht auch etwas rohen Knoblauch. Wenn alles so weit ist, nehmen wir das Ossobuco vom Feuer, salzen, pfeffern und ziehen die Gremolata mit einem guten Stück kalter Butter unter. Wie gesagt: Vorsicht walten lassen, damit möglichst jeder noch ein intaktes Stück Fleisch bekommt.
An diesem Punkt könnte man die vormals zähe Jungkuh mit dem Löffel essen. Mit etwas Determination vermutlich sogar mit einem Strohhalm.
Servieren und genießen. Besonders das Mark in den Knochen ist eine besondere Belohnung für unsere überaus harten Mühen.
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