Sammlung meiner Brotbacktipps – Für Anfänger und Fortgeschrittene
Ich war immer eher Koch als Bäcker – und das nagte an mir. Denn ich liebe Brot, ich bete es an. Ich kann mir stundenlang Bilder von Krumen angeschnittener italienischer Pane Linghi oder französischer Baguettes anschauen. Der Duft löst in mir eine irrationale warme Glücklichkeit aus. Der Geschmack von frischem Brot mit kalter Butter und etwas Salz ist für mich eine der Triebfedern zu leben. Leider sind deshalb auch meine Standards so hoch, dass ich nur mit wenigen käuflich erwerbbaren Broten zufrieden bin. Und die kosten dann meist viel Geld. Geld, das ich sparen könnte, wenn ich doch nur endlich selber ordentlich backen könnte .. soweit der Gedankengang. Ich hatte Zeit und Muße, also machte ich mich ans Werk.
Seit einigen Monaten beschäftige ich mich jetzt also mit dem Backen von Brot. Mehlsäcke wuchsen aus dem Boden, Teigschaber, Leinentücher, Gärkörbe, Gläser und Dosen voll Sauerteig und noch mehr Mehlsäcke tauchten auf. Ich würde mich in keiner Art und Weise als spektakulären Bäcker bezeichnen, aber ich habe dennoch eine Menge Dinge gelernt und meine Ergebnisse sind schon recht ordentlich. Familie und Freunde sind begeistert und auch ich – der grauenvolle Vulkan aus brodelnder perfektionistischer Selbstkritik – werde zunehmend recht zufrieden mit dem Gebackenen. Um genau zu sein: Ich bin begeistert. Gutes Brot zu backen ist erstaunlicherweise nicht schwer. Heißt: Man muss nicht jahrelang das Handwerk lernen, vielmehr ist gutes Brot die Summe vieler belanglos erscheinender Kleinigkeiten. Ich habe beschlossen, dass ich Euch den Spaß nehmen möchte, jeden einzelnen Fehler selber zu machen – und versuche, eine Liste dieser Kleinigkeiten aufzustellen. Alphabetisch, weil sonst habe ich keine Idee für eine Ordnung. Dies ist kein Versuch eines Backlexikons (siehe hier), sondern eine selektierte Aufstellung der in meinen Augen wichtigsten Punkte.
Alter Teig
Wie ich hier schon einmal überschwänglich besungen habe, kann man mit altem Teig (französisch: Pâte Fermentée) den Geschmack von Brot in erstaunlichem Maße aufbessern. In einem Maße, in dem ich Verbesserung nicht mehr für möglich gehalten habe. Und man muss dafür wirklich wenig tun und erst recht nicht glauben, dass man planen müsste: Man macht von seinem Brotteig 1/5 bis 1/4 mehr, lässt es etwa eine Stunde (bei schnell geführten Teigen) bis zwei Stunden (lange geführte Teige) bei Zimmertemperatur stehen und packt es dann in einer Tupperdose oder Schüssel mit Klarsichtfolie in den Kühlschrank. Dort steht es dann einige Tage – ein bis vier Tage ist völlig okay, je länger desto geschmackvoller -, bis das nächste Brot gebacken wird. Dann wird es dem Brotteig zugegeben, alles zusammengeknetet und die gleiche Menge einfach wieder abgenommen. Anspringen lassen, Kühlschrank .. eat, sleep, repeat.
Altes Brot
Wer viel backt, der wird sich früher oder später im Besitz von altem, hart gewordenem Brot befinden. Jaaa, man kann damit theoretisch Pudding oder Saucen machen – meine Reaktion war bis vor kurzem trotzdem, es einfach wegzuwerfen. Stellt sich heraus, dass das eine sehr schlechte Idee ist. Man kann nämlich etwas damit anstellen, das tatsächlich exzellent schmeckt: Brot backen! Kein Scherz, altes Brot gibt einen erstaunlich tollen Geschmack. Man muss es (möglichst in Stücken, die in die Maschine gehen) komplett trocken werden lassen und dann zu Brotkrümeln reiben. Ich nutze dafür den Reibeneinsatz meiner Küchenmaschine. Ich würde sagen, dass man bis zu einem Viertel der Mehlmenge an altem Brot hinzu geben kann, meistens bewege ich mich aber eher bei 15 – 20%. Man übergießt das alte Brot mit der drei bis vierfachen Menge (nach Gewicht) Wasser und lässt es ein bis zwei Stunden quellen. Der Einfachheit halber nimmt man dann einfach ein komplettes Backrezept und gibt dieses Quellstück dazu. Jetzt der schwierigste Part: Das alte Brot braucht selbst eine Hydratation von 100 bis 125%, der Rest des zugegebenen Wassers ist „übrig“ und muss von der Wassermenge des Rezepts abgezogen werden.
Beispiel: 80g altes Brot soll zu einem Rezept mit 500g Mehl und 66% Hydratation zugegeben werden. Wir übergießen es zum Quellen mit 4 x 80g = 320g Wasser. Davon braucht das alte Brot selbst 80g x 1,25 (125%) = 100g Wasser. Übrig sind 320g – 100g = 220g Wasser, die wir dem Teig quasi schon zugegeben haben. Um die 66% Hydratation zu erreichen, brauchen 500g Mehl 330g Wasser. Wir haben 220g schon zugegeben, also müssen wir noch 110g dazu tun und sind fertig.
Da altes Brot schon Salz enthält, muss man die Salzmenge nicht anpassen. Hefe kann man anpassen, meist machen die 15% mehr aber keinen großen Unterschied, die veränderte Gehzeit geht in den Schwankungen der Raumtemperatur unter.
Backstein
Nein, niemand soll losrennen und Klinker kaufen. Die Rede ist natürlich von einem Schamottstein für den Backofen. Wer freigeschobene Brote backt (also nicht im Topf, siehe Topfbrot), braucht so etwas. Punkt. Backofen ausmessen, Stein bei Ebay oder Amazon bestellen, fertig. Für unter 20€ hat man einen im Haus. 2cm Dicke reicht völlig aus, mehr ist nur sinnvoll, wenn man mehrere Backgänge nacheinander backen will. Warum ist ein Stein so toll? Ein aufgeheizter Stein hat eine große Menge Wärme gespeichert. Er kann diese Wärme in ebenso großen Mengen direkt an das Brot abgeben – und zwar per Konduktion, also direkter Körperleitung. Das ist deutlich effektiver, als die anderen Wärmeleitungen, die die Physik so zu bieten hat und auf die man sich sonst verlassen müsste. Das Ergebnis ist ein wahnsinniger Zugewinn an Ofentrieb. Plötzlich geht das Brot schön auf. Raunen in der Menge, Applaus, Vorhang.
Dinkel
Lange Jahre für einen als Lebensmittel missverstandenen Baustoff gehalten, wurde Dinkel jetzt als extrem schmackhaft entdeckt. Menschen mit Weizenunverträglichkeit (nicht Zöliakie) vertragen Dinkel oft gut. Ansonsten sollte man sich nicht von Hildegardiern oder anderen Verwirrten glauben machen lassen, dass es gesünder wäre als ein anderes Getreide. Der Grund, warum man die erheblichen Mehrkosten auf sich nehmen sollte, ist schlicht und einfach: Es schmeckt in Brot wunderbar. Und das wiederum ist gut für die Gesundheit.
Hefemenge & Gehzeit
Je mehr Hefe in einem Teig enthalten ist desto schneller ist er fertig gegangen. „Toll!“, sagt sich der Laie, „Werfen wir einfach einen ganzen Würfel Hefe rein, dann ist der Zauber in einer halben Stunde fertig.“ Man kann so Brot machen – sollte man aber nicht. Dass auf jeder Hefepackung steht „Reicht für 500g Mehl“ hilft überhaupt nicht. Je mehr Hefe man einsetzt und je kürzer das Brot geht, desto schlechter ist der Geschmack. Über die Gründe wird kräftig spekuliert, wir breiten über die Diskussion vornehmes Schweigen. Nichts genaues weiß man nicht. Dass es aber so ist, daran besteht überhaupt kein Zweifel. Glauben Sie mir einfach, der Unterschied ist himmelweit. Oder probieren Sie es aus und backen ein einfaches Weißbrot mit langer Führung und eines mit kurzer. Lange Garzeiten – teilweise für etliche Tage im Kühlschrank – und alter Teig werden dann zum Standard, weil man mit dem minderwertigen Brot einfach nicht mehr leben kann.
Ein Würfel Hefe reicht übrigens ohne weiteres für 7kg Mehl .. bei einer Gehzeit von 12 bis 18h.
Mehl
Wir sind in Mitteleuropa in der wunderbaren Situation, in jedem Supermarkt ordentliches Mehl kaufen zu können. Eine Bestellung bei einer guten Mühle lohnt sich trotzdem, denn es gibt schon noch Steigerungspotential. Spätestens, wenn es an Dinkel und verschiedene Spezialitäten geht (siehe Weizendunst), wird es irgendwann sowieso nötig. Die Adlermühle nimmt beispielsweise 3,95€ Versandpauschale, da fasst man sich halt ein Herz und bestellt. Eine gute Zusammenstellung von Bezugsquellen für die verschiedenen Spezialitätenmehle findet sich hier.
No Knead Technik
Obwohl ich auch mit anderen Verfahren inzwischen gutes Brot hinbekomme, habe ich meine besten Ergebnisse fraglos mit der No Knead Methode. Dazu spart diese Methode auch noch unwahrscheinlich viel Arbeit und ist deshalb auch von normalen erwerbstätigen Menschen zu stemmen. Das Konzept wurde 2006 durch einen Artikel der New York Times von Mark Bittman über den Meisterbäcker der Sullivan St. Bakery Jim Lahey auf der ganzen Welt bekannt. Der hat das ganze natürlich nicht erfunden – hat er auch nie behauptet -, aber einen sehr cleveren Arbeitsablauf entwickelt. Dieser stützt sich auf drei Säulen: 1. Der Teig wird nicht geknetet, sondern nur grob vermischt. Der Teig enthält viel Wasser, wenig Hefe und wird lange stehen gelassen. Dadurch passiert die Formung von Gluten aus Glutenin und Gliadin automatisch – katalysiert von den Enzymen, die im Mehl vorhanden sind (s.g. Autolyse). 2. Durch die lange nötige Garzeit, damit diese Autolyse vollständig passiert, bekommt man automatisch auch noch die Vorteile einer langen Führung, namentlich einen deutlich besseren Geschmack als bei kurz geführten Broten. 3. Das Brot wird in einem Bräter gebacken (siehe Topfbrot). Der fungiert gleichzeitig als Hitzequelle von unten (siehe Backstein) und als Dampfbackofen, denn in dem kleinen Raum des Bräters reicht das verdampfte Wasser aus dem Teig selbst, um sehr schnell eine extrem feuchte Atmosphäre herzustellen.
Es gibt von breadtopia sehr gute Tutorial-Videos, die jeden Schritt genau zeigen.
Reinigung
Erstaunlich selten kümmert sich mal jemand um die praktischen Notwendigkeiten in direkter Verbindung mit dem Backen. Wenn man seine Arbeitsfläche vor dem Arbeiten mit Teig sauber gemacht hat, kann man das Mehl (oder den Weizendunst) mit einer geraden Teigkarte zusammenkehren, Teigstückchen aussieben und wiederverwenden. Das spart ziemlich große Mengen Mehl und sorgt dafür, dass man nicht übertrieben sparsam sein muss. Schüsseln und Werkzeuge, an denen Teig klebt, lässt man in Wasser einweichen. Nach einiger Zeit kann man den Teig mit den Fingern im Wasser auflösen. Erst danach mit Spülbürste oder Schwamm dran gehen – Teig kann furchtbar darin kleben.
Sauerteig
Sie wollten immer ein Haustier aber ein Hund ist zu viel Aufwand und alle gucken komisch, wenn Sie ihn essen? Die Lösung für Sie heißt Sauerteig. Spaß beiseite .. ein bisschen: Sauerteig macht Brot großartig – Geschmack, Kruste, Krume, Haltbarkeit, alles wird besser. Man muss sich aber auch etwas um ihn kümmern. So einfach ist das. Aber man bekommt viel für relativ wenig Arbeit.
Sauerteig ist eine Mischung aus verschiedenen Stämmen wilder Hefen, Acido- und Lactobakterien. Man sagt, die richtige Balance der richtigen Stämme sei entscheidend. Deshalb besorgen sich Menschen besondere Kulturen. Mag sein. Die Biologin meines Vertrauens und ich sind inzwischen eher der Meinung, dass die Kultur sich in recht kurzer Zeit auf Basis des Mehls entwickelt. Muss aber nicht stimmen. Zu Sauerteig gibt es mehr zu wissen als in diese paar Zeilen passen. Heiße Schokolade machen, google anwerfen.
In aller Kürze: Sauerteig 12 bis 18 Stunden vor dem Ansetzen des Teiges füttern (2 Teile Sauerteig, 1 Teil Mehl, 1 Teil Wasser) und dann nach Rezept zugeben. Bei regelmäßigem Backen steht der Sauerteig bei Zimmertemperatur und wird einmal am Tag gefüttert. Ansonsten kommt er in den Kühlschrank und wird vor dem Backen reaktiviert.
Schwaden
Neben einer großen Menge Wärme von unten (siehe Backstein und Topfbrot) ist der zweite Schlüssel zu gutem Ofentrieb und damit schöner Porung und leichter Krume bei freigeschobenem Brot der richtige Einsatz von Wasserdampf. Außerdem ist er auch entscheidend für eine gute Kruste. Ich habe fast alle (Ausnahme: An den Backofen angeschlossener Dampfreiniger) in Internet und Büchern beschriebenen Methoden ausprobiert. Als deutlich besser als der Rest stehen zwei heraus: Lavasteine oder Edelstahlschrauben. Man kann das ein oder andere in eine Metallwanne am Ofenboden tun und mit dem Stein aufheizen. Sobald man sein Brot eingeschossen hat, wird Wasser hinein gegossen und die Tür schnell geschlossen. Die hohe Wärmekapazität und große Oberfläche beider Materialien verdampft das Wasser innerhalb von Sekunden. Als Richtwert kann man 175ml Wasser für einen normalen Haushaltsofen nehmen und sich von dort entwickeln. Zu viel Wasser war es, wenn die Kruste des Brots lackartig glänzt. Wenn man dort angekommen ist, geht man wieder ein bisschen zurück. Der Dampf sollte nach der ersten Backphase abgelassen werden, je nach Brot nach etwa 8 bis 15 Minuten. Etwa fünf Minuten vor Ende sollte man noch mal die aus dem Brot verdampfte Flüssigkeit ablassen, wodurch die Kruste besser wird.
Teigkarte
Mit Teigkarten kann man schaben, kehren, falten, abstechen – sie sind eine ziemliche Erleichterung und kosten nur ein paar Euro. Man braucht eine gerade und eine gebogene Karte aus stabilem Plastik.
Topfbrot
Eine geniale Erfindung ist das Backen von Broten in Brätern. Weil dickerwandige Bräter genug Hitze speichern, spart man sich den Stein. Und weil sie so ein kleiner Raum sind, reicht das aus dem Brot verdampfende Wasser für eine sehr feuchte Atmosphäre und man spart sich das Schwaden. Meine Topfbrote sind in der Regel merklich besser als meine freigeschobenen Brote, auch wenn diese schon wirklich ordentlich sind. Gussbräter sind schön, aber nicht zwingend nötig. Ich habe sehr gute Erfahrungen mit jenaer Glasformen gemacht. Diese gibt es in rund, oval und eckig – und das für ziemlich wenig Geld. Ein runder Bräter für eine Standardgröße kostet nicht einmal 10€. Worauf, genau, warten Sie noch?
Weizendunst
Oh, wie Euphoria mich küsste an jenem schicksalsschwangeren Tag als ich das erste Mal Weizendunst in den Fingern hatte! Wer es gewohnt ist, seinen Teigling und seine Arbeitsfläche mit normalem Mehl zu bestäuben, erlebt mit doppelgriffigem Mehl eine wirklich erstaunliche Überraschung. Dieses Mehl lässt sich richtig stäuben, es klebt nicht und es bildet keine Flecken. Man braucht viel weniger, um den gleichen Effekt zu erzielen, und es arbeitet sich auch noch viel leichter. Jeder. Sollte. Weizendunst. Haben. Bei der nächsten Mehlbestellung besorgen.
30. März 2016 um 16:46
[…] schön braun und innen sehr roh ist. Danach hacken und würzen wie Steak Tatare. Dazu natürlich selbstgebacken Brot. Ganz […]