Was als Scherz begann – Die Holländische Verschwörung

Mannheim, ein regnerischer Vormittag im Februar 2005. In einer Kleingartenkolonie, südlich der B37, sitzt der 25-jährige Simon H. in seiner Gartenlaube und kämmt sich wie jeden morgen den wallenden Bart. Er greift routiniert einzelne Strähnen und ordnet das Gestrüpp zu einer ansehnlichen Grottenumrandung. Dann setzt er sich an seinen Laptop aus Kindertagen und beginnt einen Wikipediaeintrag zu verfassen – der Beginn eines weltweiten Betrugs…

„Ich wollte mal ausprobieren, wie weit man mit Kappes kommen kann“, erklärt H. heute, 15 Jahre später. Sehr weit offenbar: H. gilt heute als führender Wissenschaftler auf dem Gebiet der niederländischen Grottenolme, praktiziert in Maaskantje in der Provinz Noord-Brabant als praktisch Arzt und ist außerem erster Vorsitzender des Vereins „Grotten om te vullen“, der sich für angewandte Höhlenforschung einsetzt. Nur: All das ist nicht echt. Simon H. ist es gelungen, praktisch die gesamte Weltgemeinschaft an der Naser herum zu führen.

An jenem schicksalhaften Morgen erfindet der studierte Baufachberater ein Land. Schon bei der Namensgebung gibt er einen Hinweis auf seine schelmischen Absichten: „Die Niederlande“. H. erinnert sich: „Der Name eines Landes, so klar abwertend, das war ja wohl offensichtlich erfunden!“ Doch zur Verwunderung H’s. veröffentlicht die Qualitätsprüfung den Artikel. In den folgenden Wochen und Monaten schmückt H. den Artikel immer weiter aus. Aus Semestern in der Schweiz und der Mongolei kennt er rudimentäre Sprachfetzen – das Niederländisch ist geboren. H. verfolgt außerdem die Beitrittsverhadlungen Serbiens und Montenegros mit der EU im April 2005 – die Niederlande verfügen über Nacht über ein attraktives Steuersystem um internationale Großkonzerne anzulocken und so vom abwandern abzuhalten. Längst hat H. beschlossen seine Idee auszuweiten.

H. weiß, dass „die Niederlande“ nur dann international akzeptiert würden, wenn der kollektive Eindruck entsteht, dass sie schon immer da waren. Durch Zufall entdeckt er eine Baulücke zwischen Lille und Oldenburg, welche er als optimal für das Staatsgebiet „der Niederlande“ erachtet. Der Kauf ist schnell abgewickelt: Für einen symbolischen Euro wechselt das unfruchtbare Marschland drei Meter unter NN im August 2005 den Besitzer. Der Verkäufer, der Erbe einer Forellenaufpolsterei aus dem Taunus, ist froh das Gelände nicht mehr bewirtschaften zu müssen. Und H. hat nun alles, was er braucht: eine Adresse.

In einer Remise auf dem Grundstück findet H. zudem eine alte französische Flagge im seltenen Reimser Fehldruck. H. hängt diese um 180° verdreht auf – nun haben „die Niederlande“ auch eine Flagge. Mit Flagge, Adresse und Grundstück sind gem. EU-Verordnung 1485/90 alle Voraussetzungen erfüllt, um sich ins Länderregister der Vereinten Nationen und der IANA eintragen zu lassen. Ein Schritt, den H. im Oktober 2007 vollzieht. Doch auch hier trickst er heimtückisch: Heimlich datiert er die Gründung der „Niederlande“ auf 1579 – den Wikipediaartikel hatte er in der Nacht zuvor fantasiereich ergänzt. Der zuständige Sachbearbeiter fällt auf die Finte herein und spricht den Niederlanden den Status eines Landes und EU-Mitgliedstaats zu.

„Das waren Zeiten, Mensch Meier“, erinnert sich H. zurück. Mitte 2010 wurde er immer dreister: Gemeinsam mit dem erfundenen Dr. Hittich lässt er eine Arztpraxis auf seinen Namen eintragen, um einen großflächigen Rezeptbetrug in Gang zu bringen. Zudem heuert er den 1. FC Oer-Erkenschwick an um bei der Fußballweltmeisterschaft für „die Niederlande“ anzutreten. Und tatsächlich – sie werden Vizeweltmeister. Die gewonnenen Preisgelder nutzt H. um seinen immer aufwändigeren Lebensstil finanzieren zu können. Beispielsweise bringen täglich 7 Lastzüge kistenweise Paderborner Bier auf das Grundstück. H. lässt das kühle Gebräu durch deinen Bart fließen – nur so bekommt er den gewünschten Glanz.

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