German Heaven – Das Schnitzel – Ein Gastvortrag

Nur hier in Ihrem Lieblingsblog:
Wir bringen Weihnachten schon im Sommer. Denn das Wetter stimmt.
„WIE NUR?“, werden Sie rufen, „Hexerei! Okkulte Malefiction!“
Zu recht. Wir haben nämlich ein besonderes Geschenk:
Unser werter Leser bic_mac hat es auf sich genommen, als Gastdozent eines der wichtigsten kulinarischen Themen zu behandeln, das es überhaupt gibt:
Schnitzel, wiener, das.
Wien? Das klingt nach German Heaven!

Erklärende Einschübe wie gewohnt von unserem furchtlosen Mikrokoprolithologen und Universalfachspaziergänger Dr. A. Grau.
Jetzt aber erklingt es laut: Bühne frei!

Hier ist mein Schnitzelreport uncensored:

Ich fange mal am Anfang an. Der Einkauf. In BaWü wird es einem nicht leicht gemacht, alle notwendigen Zutaten zum Schnitzeln zu akquirieren. Da ich ja nun mal im Moment nicht dem entspannten Studentenleben frönen kann, sondern zum BIP beitragen muss, komme ich erst recht spät zum Einkaufen. Ist aber kein Problem, hat doch der Kaufland bis 24:00 Uhr geöffnet. Fortschrittlich, denkt sich da das westfälische Dorfkind in mir.
Nun wandel ich also durch die bunten Hallen und labe meine Augen an den dargebotenen Kostbarkeiten, während ich Artikel um Artikel in meinen Einkaufswagen lade. Doch dann der erste Schock: Gerade als ich am Weinregal einen netten Sizilianer für meine Sauce auserkoren habe, verdunkelt sich der Himmel. Ein mindestens acht Fuß großer und geschätzt sieben Stein schwerer Hüne mit dem Schriftzug „Security“ quer über seine Brust prangend schiebt sich in mein Sichtfeld. Er ermahnt mich, den vergorenen Traubensaft sofort und ohne Umschweife an seinen angestammten Regalplatz zurückzustellen, auf dass ich am Morgen des nächsten Tages wiederkomme. Auf die Frage nach dem Grund für dieses zum Lachen animierende Anliegen seinerseits hin wird mir verständnisvoll erklärt, dass in ganz Baden-Württemberg der abendliche Verkauf von Alkohol in Supermärkten und an Tankstellen verboten sei. Die Frage, ob ich jetzt mit meinem Topf Sauce in die nächste Disko rennen solle, um vernünftig zu kochen, wird ignoriert.

Aber ich denke mir, wegen einer fehlenden Zutat wird mein Vorhaben schon nicht scheitern, den Wein kann ich zur Not auch von meiner Mitbewohnerin stibitzen. Also weiter zur Fleischtheke für die Hauptzutat. Hier stellte sich mir nun nicht das föderale Rechtssystem in den Weg, sondern das BWL-optimierte Kauflandmanagement.
Man möchte doch meinen, dass wenn ein Lebensmittelgeschäft bis 24:00 Uhr öffnet, und damit auch noch aktiv wirbt, ich dort dann bis um 24:00 Uhr die gewünschten Waren beziehen kann. Nachdem ich allerdings nun schon feststellen musste, dass der Gesetzgeber die Auswahl massiv einschränkt, musste ich nun auch noch feststellen, dass auch Kaufland selbst diese Art der Gewinnminimierung betreibt. Die Fleischtheke wird nämlich um 22:00 Uhr auch geschlossen.

Also bin ich am nächsten Morgen wieder los, um Wein und Fleisch zu kaufen, eine in meinen Augen recht männliche Einkaufsliste. Noch ahnte ich nicht, dass der Kaufland noch eine Überraschung für mich im Ärmel hatte. Als ich die Fleischereifachverkäuferin nach einem guten Stück Schweinelachs fragte, schaute diese zunächst mich verständnislos, dann ihre Kollegin ratlos, und am Ende die Theke lustlos an, um mir dann, ohne auch nur den Hauch von Verständnis für die Lächerlichkeit ihrer Aussage, mitzuteilen: „Tut mir leid, Fleisch haben wir gar nicht.“ Nachdem ich den Lachanfall unterdrückt hatte, schaute ich auch mal die Fleischtheke rauf und runter und stellte fest, dass dort tatsächlich nur Brät im Saitling angeboten wird, jedoch kein strukturell integeres Stück Tier. „Fleisch“, oder was das Kauflandpersonal als solches (um-)etikettiert, gibt es nur in einer kleinen Kühltheke, fertig abgepackt. Auf die Frage, wie ich jetzt meine Schnitzel machen sollte, wurde ich auf die Tiefkühlabteilung verwiesen, dort gäbe es super tiefgefrorene Schnitzel („Mach ich auch immer, ist auch viel weniger Arbeit!“). Nie wurde mir die Motivation zu einem Amoklauf klarer.
Schlussendlich erstand ich mein Stück Tier dann nach 3 weiteren Versuchen bei echten Metzgern und auf dem Wochenmarkt bei einem Fleischdealer in der Ulmer Innenstadt. Merke: Samstag zur Mittagszeit ist keine gute Zeit, um auf große Auswahl und gute Qualität zu hoffen. Lesson learned.

Dr. Grau: Eine gute Stelle für einen Einschub, werden doch die ersten Zwischenrufer schon wieder laut proklamieren, dass in das Wien’sche Schnitzelum tote Jungkuh einbunden zu sein hat. Ja. Stimmt. Kalb hat leider den zweieinhalb bis dreifachen Preis von Schwein. Viele Leute haben bis heute noch nie in Eselsmilch gebadet und in vielen Haushalten will sich auch der Krügerrand nicht als normaler Bodenbelag durchsetzen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass ein Blindtest ergeben hat, dass die Unterscheidbarkeit von Kalb und Schwein immer weiter abnimmt, je kleiner man die Tiere schneidet. Meine Fakultät, das Kaiserliche Institut für Meisterküche zu Pirmasenz, empfiehlt daher guten Gewissens:
Guter Schweinelachs vom Metzger des Vertrauens statt billiges Kalbsfleisch.

Wer natürlich hat, der hat – und der soll natürlich! Und, bei Crôm, das auch mit jedem nur erdenklichen Segen, den das Große Buch so vorsieht.

Nun kann ich endlich loskochen. Hier gehe ich nun chronologisch vor, um mein optimales Zeitmanagement zu verdeutlichen:
Zunächst mal die Kartoffeln für die Kroketten aufsetzen. Nach dem Abkühlen der selbigen dann das übliche Stampf- und Verfeinerungsspiel mit Eigelb, flüssiger Butter, Salz, Pfeffer, Kartoffelstärke und Muskat (Anm. d. Red.: Der gute Mann bezieht sich auf dieses Rezept). Es folgt das Formen und das Panieren. Ich glaube, bei keinem Gericht steht die Vorbereitungszeit in solcher Disproportionalität zur Wertschätzung des Endproduktes durch Dritte.
Dann das Stück Fleisch nach den Vorgaben* zu 300g starken Scheiben zerteilen. Ein schöner Schmetterlingsschnitt lässt wahre Euphorie aufkommen. Das Panieren der geklopften Scheiben (bei mir aufgrund Hammermangels mit einer leeren Flasche Sekt – hab ja beim Bund gelernt, zu improvisieren) ist ja auch so ein Ding: Die schiere Größe der Fleischlappen verlangt nach einem äußert umsichtigen Vorgehen, weshalb ich meiner Mitbewohnerin kurzzeitig Küchenverbot erteilen musste.

Dr. Grau: Die vom Autor zitierten Vorgaben beziehen sich auf die VDE-Norm 0390, Teil 14. Die auf einer Arbeitsgruppenvorschrift der Experimentalforschungsgruppe Prof. Brausefrosch et. al., 1972, Kopenhagen, basierende Arbeitsnorm verlangt ein Hammern der zuvor auf das gewünschte Gewicht zugeschnittenen (300g ist etwa die Grenze, an der der Übergang vom einfachen in den Schmetterlingsschnitt obligat wird) Schnitzel auf 4mm Dünne, die danach gesalzen, gepfeffert, in Mehl gewendet, dann erst in Ei, danach in frischen Semmelbröseln paniert und schließlich in einer ausreichenden Menge rauchend heißen Fetts möglichst nicht mehr als 20 Sekunden lang ausgebacken werden, auf dass sie goldenbraune Knusprigkeit (RAL 2000) erreichen.

Während das Öl aufheizt, hab ich schon mal die Sauce aufgesetzt und ließ den Rotwein einreduzieren. Hier auch wieder eine Anmerkung: Wer keinen Wert auf Rosmarinblätter in seiner Sauce legt, ist hier fehl am Platz, der Zweig löst sich nämlich auf. War meiner Mitbewohnerin nicht klar, sie trieb mich mit ihrer Suche nach den einzelnen Blättern fast in den Wahnsinn. Anstatt einfach zu essen, hat die das ganze Gericht seziert. Schrecklich! Hab ich nur überlebt, weil ich mir die andere Hälfte des Rotweins für die Sauce selber schon mal reingekloppt habe.

Dr. Grau: Die von einem Exil-Meistersoupier aus dem goldenen Hummer, der anonym bleiben möchte, empfohlene Sauce zu Schnitzeln ist und bleibt die Rotwein-Champignon-Rahmsauce nach folgendem Rezept (reicht für zwei Hungernde):
Eine mittelgroße Zwiebel fein würfeln und mit einer Prise Zucker in Olivenöl bei mittlerer Hitze andünsten. 6-8 Champignons in Scheiben schneiden und mitdünsten. Etwa ein bis zwei Minuten vor Ende ist eine gehackte Knoblauchzehe optionalerweise dazuzugeben. Mit 300ml Rotwein ablöschen, auf 1/3 einreduzieren lassen, zwei Becher Sahne und einen ganzen Rosmarinzweig (Alternativ eine Menge Rosmarin aus der Dose) zugeben. Köcheln lassen, bis die gewünschte Sämigkeit erreicht ist, salzen, pfeffern. Eventueller Säureexzess durch sehr sauren Rotwein mit Zucker korrigieren.

Das eigentliche Kochen von Schnitzel wie Kroketten ist ja so schnell, wie einfach, und am Ende steht man dann hiermit da:

So jetzt hab ich dann auch genug Arbeitszeit vergeudet und tue mal wieder so, als wäre ich wichtiger Bestandteil der Ökonomie.

Das Haus dankt für diesen überfälligen und wunderbaren Beitrag und sendet seine guten Wünsche gen Süden. Kerzen stehen in Fenstern, guter Herr. Jeden Abend.

3 Antworten zu “German Heaven – Das Schnitzel – Ein Gastvortrag”

  1. Wurstmensch Says:

    Hallo und Danke für die vielen essens- kochbezogenen Einträge hier in der letzten Zeit. Klasse, dass ihr auf Kritik so schnell eingeht.

    Grüße aus dem Westerwald

  2. […] das, n., wurde in diesem Blog schon einmal umfassend expliziert. Daher hier nur in Kurzform: Schnitzel auf 4mm Dicke ausklopfen, salzen, pfeffern, in Mehl wenden […]

  3. […] Schnitzel hatten wir ja schon ein paar Mal (hier und dort) und wissen eigentlich wie es geht. Aber weil wir uns dieses Mal dem platonischen […]

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