on 3. März 2015 by Herr Grau
Ich will schon seit ziemlich langer Zeit Seife sieden. Irgendwann haben wir mal im Biologie-Unterricht selber ein bisschen Seife gemacht, diese war aber – auf Grund der Unkenntnis des Lehrers über die chemische Reaktion hinaus, sprich: wie man das tatsächlich im Detail macht – ziemlicher gekörnter Quark. Seitdem hatte ich mir fest vorgenommen, es richtig zu lernen und besser zu machen. Das müsste jetzt gerade mal elf Jahre her sein. Vor dem Hintergrund erscheint das letzte halbe Jahr, in dem ich das Ganze trotz vorhandenem Wissen, Rohstoff und Instrumentarium vor mir hergeschoben habe, fast verschwindend gering.
Nein, dieses ist nicht eine Sache, bei der man sich furchtbar reich spart. Die Industrie kriegt die Rohstoffe in großen Mengen so unendlich viel billiger, dass man den Preis einer Supermarktseife nie unterschreiten wird. Dafür kann man aber die Inhaltsstoffe selbst kontrollieren. Keine Fette aus fragwürdiger Gewinnung, keine Allergene, keine überflüssigen Chemikalien – das freut den Regenwald, Rudi Völler und das Bundesverfassungsgericht.

Und wenn man das Fabrikationsniveau betrachtet, wird es doch wieder lohnend. Denn eine handwerklich hergestellte Seife aus kontrollierten Zutaten kann gerne mal 5€ und aufwärts pro 100g kosten. Quer übers Feld gepeilt kostet eine reine Olivenölseife selbstgemacht pro Kilo etwa 5€, eine Alepposeife auf Grund des teuren Lorbeeröls 12€, was in Anbetracht der gerade genannten Preise geradezu nachgeworfen scheint – wie immer darf man nur die eigene Arbeit nicht rechnen…
Die Arbeit ist in diesem Fall überraschenderweise aber geradezu überschaubar. Ich beschreibe im Folgenden den Standardarbeitsablauf für das s.g. Kaltverfahren, das eigentlich für jeden halbwegs lernfähigen Menschen zu stemmen ist. Es gibt natürlich noch viele andere Möglichkeiten, dieses ist aber das Grundhandwerkszeug und für viele Seifensieder stellt sich danach nie wieder die Frage nach etwas anderem. Weiter will ich ein paar Bezugsquellen nennen, damit nicht jeder die selbe beschwerliche Suche hinter sich bringen muss wie ich.
Wir brauchen:
– Eine Schüssel aus Plastik oder einen Topf aus Edelstahl oder emailliertem Blech (kein Aluminium! Emaillierte Töpfe dürfen keine Schäden haben!) mindestens der doppelten Größe der gewünschten Seifenmenge
– Eine zweite Schüssel aus Plastik oder ein Becherglas mindestens der dreifachen Größe der nötigen Laugenmenge
– Eine grammgenaue Waage
– Einen alten Pürierstab, bevorzugt nicht billigster Qualität, denn er muss längere Arbeitsintervalle aushalten (Ebay Kleinanzeigen). Alternativ eine Bohrmaschine mit Rühraufsatz
– Ätznatron (Natriumhydroxyd, NaOH) (Günstigste Bezugsquelle hier)
– Schutzhandschuhe. Dabei tun es solche aus dem Laborzubehör aus Vinyl oder Nitril genauso wie Spülhandschuhe auch
– Schutzbrille aus Plastik. Gibt es inzwischen auch fast überall
– Destilliertes Wasser (Nur wirklich nötig in Regionen mit sehr hartem Wasser. Gibt es in jedem Supermarkt.)
– Fette und Öle nach Rezept (Bezugsquelle: Entweder der lokale Einzelhandel, wobei Discounterqualität für die Seifenherstellung natürlich völlig reicht. Wilderes Zeug gibt es hier so günstig, wie ich es sonst nirgendwo finden kann.)
– Seifenform. Darüber gibt es ganze Seiten mit Vorschlägen. Es geht quasi alles, was man mit Frischhaltefolie ausschlagen kann, oder was von sich aus Plastik ist
Das Zusammensammeln dieser Dinge ist die eine große Hürde. Wenn man das Zeug aber einmal beisammen hat, kann man fröhlich vor sich hin seifen, da die meisten Dinge keine Verschleißartikel sind. Töpfe, Schüsseln und Pürierstab sollten natürlich tunlichst nie wieder mit Speisen in Berührung kommen, nachdem sie zu chemischem Spielzeug umgeeignet wurden.
Knackpunkt der zweite ist, dass man mit Ätznatron ziemlich hochprozentige (etwa 30%ig) Natronlauge herstellen und damit hantieren muss. In bester Tradition dieses Blogs, in dem ich ja gerne auch mal die Arbeit mit den höheren Spannungen in Röhrenverstärkern empfohlen habe, ist das nicht ungefährlich, weshalb gehobene Vorsicht angebracht ist. Laugenverätzungen sind überhaupt nicht witzig, im Gegensatz zu Säuren lösen sie das Gewebe nämlich auf und dringen weiter in die Tiefe, anstatt eine feste Wunde zu erzeugen. Deshalb hier ein kleiner Verhaltenskodex:
Niemals Wasser in Lauge geben, sondern immer nur Lauge in Wasser. Ansonsten kann die plötzliche Erwärmung des Wassers zu ebenso plötzlicher Verteilung der Lauge im ganzen Raum führen, was nach Expertenmeinungen als nicht schön gilt. Während mit Lauge gearbeitet wird, ist lange Kleidung mit geschlossenen Schuhen sowie Schutzbrille und Handschuhe zu tragen. Davon gibt es keine Ausnahmen und keine dummen Ausreden. Kinder und Haustiere werden aus dem Arbeitsbereich ausgesperrt. Keine freundlichen Bitten, die Tür kommt zu, Ausrufezeichen. Es wird nur mit Plastik und Glas (zur Not Edelstahl) an der Lauge gearbeitet und die fertige Lauge so schnell wie möglich verwendet, denn blödes Herumstehen ist die Mutter des Unfalls. Der Laugenbehälter wird danach sofort mit viel Wasser ausgewaschen, dabei dringend das Spritzen verhindern! Sollte es doch mal zu einer Laugenverätzung kommen, so wird die Wunde mit reichlich fließend Wasser abgespült, also mehrere Minuten. Keine Neutralisierungsversuche mit Essig oder ähnliche Manöver nach Altvattersitte. Danach geht es sofort in die Notaufnahme.
So. Genug der Warnungen – wir sind erwachsene Menschen, wissen unsere Axt zu führen und den Mutigen hilft Gott.
Im Prinzip ist der ganze Zauber reichlich simpel: Erstmal gibt man sein Rezept oder seine Idee in den großartigen Seifenrechner ein und überprüft noch einmal alle Mengen, vor allem die des Ätznatrons. Dabei muss man sich für eine Überfettung entscheiden, wobei 4 bis 10% gängig sind. Ich orientiere mich zwecks Hautpflege in den oberen Bereich zwischen 7 und 10%. In das abgewogene (genauer!) Wasser die abgewogene Menge Ätznatron geben und dies unter vorsichtigem Rühren auslösen. Fette werden erhitzt, bis sie gerade so geschmolzen sind und Öle dann zugegeben. Arbeitet man nur mit Öl, wird dieses auf 30 bis 35°C erwärmt. Danach wird die Lauge zu dem Fett gegeben und die Masse püriert, bis sie sehr zähflüssig ist, etwa so wie sehr dicke Kartoffelsuppe. Diese Masse kommt in die bereitstehende Seifenform und wird mit Handtüchern isoliert. Am nächsten oder übernächsten Tag wird sie mit einer Stahlsaite oder notfalls einem alten Messer geschnitten und die Abschnitte dann vier bis acht Wochen bei Raumtemperatur gereift. In dieser Zeit trocknet die Seife und wird fest, sodass man sie sinnvoll nutzen kann. Außerdem läuft die Verseifung noch erstaunlich lange, sodass frische Seife noch recht scharf ist, da noch unverbrauchtes Ätznatron darin vorhanden ist.
Man kann von diesem Punkt aus jede Menge schöne, erstaunliche und kreative Dinge anstellen – dies ist nur das Grundhandwerkszeug. Im Folgenden gibt es noch meine ersten drei Rezepte und die Bilder von meiner wilden Siederei.



Olivenölseife mit Lavendel:
Die Seife für den Freund der Provence. Das Öl riecht noch sehr kräftig, der Duft in der fertigen Seife ist fein und passt sehr gut zu dem Geruch klassischer Olivenölseife. Ob der Aufwand im Vergleich zur Parfümierung mit ätherischem Lavendelöl lohnt? Vermutlich nicht. Pro Kilo kann man auch 30g äth. Lavendelöl ansetzen, der Duft wird damit kräftiger ausfallen.
1000g Olivenöl
~50g Lavendelblüten
335g destil. Wasser
122g NaOH für 9% Überfettung
Lavendelblüten vier Wochen lang in einem abgeschlossenen Gefäß in 350g Olivenöl einlegen, danach mit einem Filtertuch abfiltern und Blüten auspressen. Ölmenge wieder auf 350g auffüllen – ein bisschen bleibt immer in den Blüten und den Tüchern. 350g Lavendelöl mit 650g Olivenöl mischen und auf 30 – 35°C erwärmen. Natronlauge zugeben (Zubereitung siehe oben) und pürieren. Reines Olivenöl braucht ganz schön lange, bis der Seifenleim die richtige Konsistenz hat, nicht die Hoffnung sinken lassen .. und nicht den Pürierstab abbrennen lassen. Wenn man will, kann man an diesem Punkt die Blüten wieder dazu geben, was in der fertigen Seife einen schönen Effekt hat. Nach 36 bis 48h schneiden, dann mindestens 8 Wochen reifen.


Alepposeife:
Ich wollte auf jeden Fall eine klassische Alepposeife machen, weil ich sowohl die Seifen als auch die Tradition dahinter sehr faszinierend finde.Traditionelle Alepposeife hat zwischen 15 und 50% Lorbeeröl-Anteil, wenn ich das richtig verstanden habe. Ich habe mich – nicht zuletzt auf Grund des doch recht saftigen Preises – für 20% entschieden. Selbst wenn der Duft noch mit der Lagerung abnimmt – das ist mehr als genug. Ich werde in Zukunft den Anteil auf jeden Fall auf 15% senken .. der ganze Keller riecht nach Lorbeer.
800g Olivenöl
200g Lorbeeröl
335g destil. Wasser
122g NaOH für 10% Überfettung
Lorbeeröl vorsichtig schmelzen, Olivenöl zugeben, verühren. Dann Natronlauge dazu und kräftig pürieren. Nach 36 bis 48h schneiden, dann mindestens 8 Wochen reifen.




Schmalz-Shea-Seife:
Diese ist mein Baby ganz allein, eine Seife aus Schmalz mit Sheabutter. Sie orientiert sich nicht wirklich an irgend einem bestehenden Rezept, sondern ist meinsmeinsmeins. Die Seife hat jetzt schon mein Herz gewonnen, sie ist schneeweiß, war innerhalb kürzester Zeit gemacht und riecht kein Stück nach Schwein. Ich werde sie in Zukunft noch oft machen, variieren und weiterentwickeln. Die Sheabutter zur Pflege wird in Zukunft noch um etwas Seide ergänzt, das Rapsöl eventuell komplett rausgenommen und ich werde versuchen, Zitrusdüfte hinein zu kriegen.
550g Schmalz
220g Rapsöl
230g Sheabutter
335g destil. Wasser
122g NaOH für 10% Überfettung
Den Schmalz vorsichtig schmelzen. Nicht zu heiß werden lassen, sonst stinkt alles nach Schwein. In einem seperaten Topf Sheabutter vorsichtig schmelzen. Rapsöl dem Schmalz zugeben und mit Lauge versetzen. Pürieren, bis der Seifenleim dick wird – was innerhalb wengier Sekunden passiert. Sheabutter unterrühren und eventuell noch einmal kurz pürieren, bis die Konsistenz stimmt. (Die spätere Zugabe der Sheabutter ist wahrscheinlich Aberglaube, da die Verseifung lange läuft. Man kann sie auch einfach mit dem Schmalz schmelzen.) Nach 24h schneiden und 4 Wochen reifen.

