Archiv für Dezember, 2017

Weihnachtsessen: Cassoulet

Posted in Essen & Trinken, smile and look alive on 31. Dezember 2017 by Herr Grau

Zu Weihnachten gab es wie jedes Jahr ein ambitioniertes Experiment, aufdass die Familie bis zum letzten Moment sich in Spannung hielte ob der ewigen Frage: Ist es großartig oder furchtbar?
Bei solchen Unterfangungen soll man nicht knausern. Hoch gesteckt, das heere Ziel, wenns ne Glocke werden soll.

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Cassoulet hieß die hochgesteckte Glocke dieses Jahr. Dieses Traditionsgericht aus dem Languedoc scheint trügerisch einfach zu sein, wenn man es nicht mit Vornamen kennt. Bei Tageslicht gesehen braucht man aber schon etlich Zeit und die Bereitschaft, ordentlich Chaos in der Küche anzurichten.

Ich wusste, dass es sich um ein aufwändiges Traditionsgericht handelt, an dem ziemlich viele Emotionen hängen, als ich im l’Assiette in Paris Cassoulet bestellte – und war sofort begeistert von der samtigen Sauce, den cremigen, aber noch festen Bohnen und dem Parfum von Entenconfit. Erst als ich wieder zuhause war, begann ich eine ernsthafte Recherche. Es dauerte einige Wochen, bis ich mich durch die üblichen Verdächtigen gewühlt hatte – Chef JohnKate HillBouludBourdain und natürlich Julia Child. Am Ende habe ich einen groben Durchschnitt an meinem Bauchgefühl entlang gezogen.

Der unbestrittene Star in diesem Gericht ist die Bohne. Man braucht eine relativ große weiße Bohne, die beim Kochen nicht zerfällt. Und man braucht sie in getrocknet. Traditionell wird die Tarbais Bohne aus den Pyrenäen genommen, die in Deutschland so schwer zu bekommen ist wie Krokodiltränen. Man kann sie entweder über Marie Monde aus Frankreich bestellen oder bei Manufactum kaufen. Mit 28€ bzw 20€/kg darf man ziemlich gut dafür löhnen. Etwa halb so teuer und in fast jedem Bio-Supermarkt zu haben sind die Cannellini-Bohnen von Rapunzel, die einen ordentlichen Ersatz abgeben, wenn man an das ätherisch-gülden umschienene Originalprodukt nicht ran kommt. Die im Handel überall zu bekommenden weißen Bohnen von Müller sind zu klein und zu empfindlich für Verkochen. Die Informationen auf einigen Bohnenpackungen, dass man die Bohnen ohne Salz kochen müsse, sind übrigens Mumpitz – das gilt nur für Linsen.

Zu den Bohnen gibt es Fleisch. Traditionell findet man hier Enten-Confit, Lamm und Gans sowie Saucisson de Toulouse und andere regionale Würste, meist mit starken Knoblauchnoten. Man sollte sich eines stets vor Augen halten: Wie bei jedem traditionellen französischen Gericht hat die arme Bevölkerung, aus deren Repertoire dieses Gericht stammt, das Fleisch dafür genommen,das sie gerade zur Verfügung hatte. Während der Geschmack von Entenconfit für mich essentiell zu Cassoulet gehört, bin ich liberaler bei der übrigen Fleischauswahl.

Saucisson de Toulouse ist in Deutschland nicht für Geld und gute Worte zu bekommen. Entweder man nimmt also eine grobe Wurst mit kräftiger Knoblauchnote oder man macht sie selbst (3/4 Schweineschulter, 1/4 Rückenspeck, 2% Salz, 0,4% Pfeffer, 1,8% frischer Knoblauch, 0,4% Muskatnuss, 0,6% Thymian, 15% Rotwein). Ich habe zu einer Salsiccia Fresca mit Knoblauch gegriffen.

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Über Enten-Confit ist schon mehr geschrieben worden, als ein einzelner Mensch lesen kann. Ohne Erfahrung zu haben, glaube ich, dass aus technischen Überlegungen Sousvide dem klassischen Garen im Ofen überlegen sein müsste. Was sich durch die etwas ernsthafteren Quellen zieht, die nicht nur aus kommerziellen Interessen so viele Sousvide-Rezepte wie möglich raushauen, ist die Tatsache, dass man hier mit ordentlich Schmalz arbeiten sollte, anders als viele Rezepte das angeben. Da sich die angegebenen Zeiten und Temperaturen unterscheiden, hab ich einen Kompromiss gemacht. 300g Enten-Schmalz, ein Lorbeerblatt, etwas Estragon, zwei größere Zweige Thymian, ein EL Pfefferkörner mit vier Barbarie-Entenschenkeln bei 72°C 20h ins Wasserbad geschickt, nachdem ich sie über Nacht leicht gesalzen habe pökeln lassen. Das Ergebnis war sehr gut – so, wie ich mir ein Confit vorstelle.

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Für das restliche Fleisch möchte ich auf jeden Fall etwas geräuchertes, was meines Erachtens für Bohnengerichte unverzichtbar ist. Ich habe einfach Räucherspeck genommen, ich glaube, da darf man recht flexibel sein. Nach der langen Garzeit sind die weniger geschliffenen Geschmacksanteile nicht mehr zu erkennen. Und schließlich kann man Lamm oder Gans nehmen – oder jedes andere Bratenfleisch. Ich wählte der Familie zuliebe dry aged Schwein.

Bleiben noch drei Glaubensfragen zu klären: Semmelbrösel? Tomate? Boden aus Schweineschwarte? Die Frage nach den Semmelbröseln würde ich nach meiner Erfahrung jetzt vorerst mit nein beantworten. Meine Kruste hielt nicht zusammen, sondern bröselte direkt unter der krossen obersten Schicht. Die nicht gerösteten Brotkrümel mischten sich in das Gericht, worauf man gut verzichten kann. Wenn man dem Problem irgendwie beikommt, müsste ich das nochmal reevaluieren. Vielleicht muss man auch einfach deutlich weniger Brösel nehmen als ich. Vielleicht würde ein bisschen Parmesan die entsprechende Verknusperung befleißigen. Ich weiß es nicht. Die Frage nach Tomate würde ich nach einem Versuch ohne salomonisch mit jein beantworten. Ich bin mir recht sicher, dass in meiner Cassoulet in Paris ein Anteil Tomate enthalten war. Zu viel halte ich allerdings für eine schlechte, weil das ganze Gericht zu stark umprägende Idee. Und wenn man unproblematisch an Schweineschwarte zum Auslegen der Form kommen kann – gut. Ansonsten meiner Meinung nach aber nicht allzu schlimm.

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Lange Rede, Bohneneintopf. Was ich jetzt im Detail gemacht habe:
1. 500g Cannellinibohnen über Nacht einweichen.
2. Entenconfit wie oben beschrieben zubereiten, abkühlen, Fond von Fett trennen, Fett wieder zum Confit geben.
3. Den Entenfond mit einer leichten Hühnerbrühe bzw -fond auf 3l auffüllen, ein Bouquet aus Petersilie, Thymian, Estragon, Orangenschale und Lorbeerblatt dazu geben und die Bohnen darin ca 40 Minuten kochen, bis kurz vor durchgekocht. Bohnen abgießen, die Kochflüssigkeit auffangen.
4. Derweil zwei bis drei mittlere Zwiebeln und ein bis zwei Karotten und Sellerierispen würfeln und glasig dünsten. Fleisch in Würfel mit ca 2cm Kantenlänge schneiden – Confit größer, Speck etwas kleiner -, salzen und portionsweise schön anbraten. Nachdem das letzte Fleisch aus der Pfanne ist, Pfanne mit Weißwein deglacieren und auf ein Drittel einreduzieren.
5. Bohnen und Fleisch entweder vorsichtig mischen oder in der Form schichten. Ggf Form mit Schwarte auslegen. Mit der Kochbrühe auffüllen, bis die obersten Bohnen fast bedeckt sind.
6. Bei 175°C für 2 3/4h backen. Nach zwei Stunden einzelne Stücke der Kruste eindrückenund und Brühe hierdurch nachfüllen.

Fertig. Einfach, oder?

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Spaghetti con Bottarga

Posted in Essen & Trinken, smile and look alive on 18. Dezember 2017 by Herr Grau

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Der Sarde salzt gerne den Rogen. Den Rogen der Meeräsche, um genau zu sein, von der ich bis dato gar nicht wusste, dass sie überhaupt als Fisch existiert. Aber sie tut, ihr Rogen wird gesalzen und schmeckt großartig.

Bottarga nennt sich das Produkt. Vor einigen Jahren, als ich das erste Mal in einer Doku darüber stolperte, konnte man sie in Deutschland nicht bekommen. Meine italienischen Feinkosthändler schüttelten den Kopf. Ich fand einen Händler im Internet, der zwar lieferte – die Bottarga war aber schwarz statt blassorange und stank. Inzwischen ist Bottarga bekannter, der ein oder andere hat schon mal davon gehört, in Amerika findet sie sich zunehmend auf Restaurantkarten. Und es gibt einige sardische Feinkosthändler im Netz, bei denen man sie bekommen kann.

Die Eiersäcke der Meeräsche sind kleine bernsteinfarbene Stangen mit wachsartiger Konsistenz. Der Geruch ist stark fischig, was einen nicht ablenken sollte. Die feine Haut darum sollte vor der Verwendung abgezogen werden. Bei den Rezepten sollte man sich einfach halten, damit der Geschmack nicht untergeht: In reichlich Olivenöl wird etwas Knoblauch und Pepperoncini angeschmurgelt. Spaghetti mit etwas Pastawasser dazu, durchschwenken, vom Feuer nehmen – bis zu dieser Stelle kann man sich größtenteils an die Zubereitung von Spaghetti Aglio Olio halten, wenn man auch mit dem Knoblauch deutlich zurückhaltender sein sollte – und die fein geriebene Bottarga unterziehen. Ein ca. 3-4 cm Stück reicht pro Person. S&P, etwas frisches Olivenöl sind Pflicht, Petersilie und geröstete Semmelbrösel – Pangrattato – die Kür.

Wer Kaviar mag, insbesondere günstigeren Kaviar, der mag auch Bottarga. Tatsächlich schmeckt das ganze nicht unähnlich meinen Spaghettini pescatore, die den Vorteil der zusätzlichen texturellen Dimension durch den Kaviar haben. Bottarga bringt aber eine Menge unerwartete Cremigkeit und Glutamat in den Geschmack, die schwer zu beschreiben sind. Ausgesprochen lecker.

Pizza Fritta Neapolitana / Montanara und Lángos

Posted in Essen & Trinken, smile and look alive on 15. Dezember 2017 by Herr Grau

Es gab mal wieder Experimente. Ich war guter Dinge, deshalb traute ich mich, das ganze direkt für Freunde zu machen. Ich hatte schon vor längerer Zeit gesehen, dass Roberto Carporuscio (von Kesté) und sein Mentor Antonio Starita im Don Antonio mit einer frittierten Pizza eine regelrechte Welle losgetreten hat und wollte das auch mal ausprobieren (Video). Frittierte Pizza ist wohl in Neapel eine sehr weit verbreitete Sache, hat aber erst mit der „Montanara“ genannten Variante von Starita mit Ragú und geräuchertem Mozzarella in Amerika richtig Fuß gefasst. Ich habe einen einfachen, kurz geführten Pizzateig genommen (70% 405, 20% 630 Dinkel, 10% Dinkel Vollkorn; 60% Hydratation, 3% Salz, 1% IDY, 2% aktives Backmalz, 3% Olivenöl, 1% Zucker, 2h RT, dann 1/2h Stückgare) und in ausreichend heißem Rapsöl frittiert. Dabei sollte man die Mitte sowohl mit den Fingern ein bisschen kräftiger einstauchen als auch beim Frittieren mit einer Kelle eindrücken, ansonsten pufft der Teig zu stark auf. Darauf eine lang gekochte neapolitanische Tomatensauce (Knoblauch in Olivenöl anschwitzen, von Hand fein zerdrückte San Marzano Tomaten und ein Bund Basilikum dazu und dann auf kleinster Flamme köcheln lassen) und ein paar Stücke Büffelmozzarella sowie Büffelmilch-Parmesan verteilen und kurz unter den Grill stellen, dass der Käse gerade schmilzt. Basilikum drauf und dann so schnell wie möglich essen. Liebe Freunde .. Ich hatte schon lange nichts so leckeres mehr. Macht es – es lohnt sich.

Wenn man schon einen großen Topf Öl auf dem Herd stehen hat und gerade erst herausgefunden hat, wie fantastisch die Ergebnisse sind, gibt es wenig Gründe, nicht auch ein bisschen Lángos (bzw Langosz, Langosch) zu machen. In vielen Rezepten findet man ein paar Esslöffel, ein Drittel oder sogar die Hälfte Milch. Tests zu den Auswirkungen auf den Teig stehen bei mir noch aus. Ich habe bei dem Teig hier mit etwas mehr Vollkorn (25%) experimentiert als bei dem Teig weiter oben und würde das nicht wieder tun. Der Teig war ein bisschen zu zäh zu essen und riss sehr leicht beim Ausziehen. Dafür war der Belag großartig: Selbstgemachtes Creme Fraîche mit frischen Kräutern, S+P, Pimenton und Knoblauch, grob geriebener Beemster Royaal – ein Käse, der sich sehr schnell als mein Lieblingsgouda etabliert hat, weil er meiner Meinung nach den perfekten Alterspunkt trifft .. und nebenbei inzwischen fast überall zu haben ist – und luftgetrockneter westfälischer Knochenschinken. Nicht ganz so gesund wie roher Brokkoli – aber dafür ein Essen, von dem man Wunschträume bekommt.

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