Großer Kneipencheck – Göttingen
Der Mensch lebt bekanntermaßen nicht vom Brot allein. Wenn der Freizeit zur Pflicht ins Horn gestoßen wird, auf dass man sich sammele und die gegenseitige Gesellschaft in Anwesenheit entsprechender Soziallubrikanzien genieße, ist es von Vorteil, die einschlägigen Etablissiments zu kennen. Zu diesem Zweck will ich einen kurzen Abriss über die Möglichkeiten geben, die dem unschlüssigen Kneipenconnoisseur zur Wahl stehen. Die Stadt, um die es sich handelt, ist die meiner Residenz: Göttingen
Irish Pub
Im Herzen der Altstadt gelegen findet sich der Irish Pub in einem schönen alten Fachwerkbau und im Sommer optionalem Biergarten. Das gut ausgeführte Pub-Thema täuscht recht suffizient darüber hinweg, dass die Besitzer alles sind, aber keine Iren. Dezentes Arabisch ist an der Theke eher zu hören. Die Auswahl an Bieren, Ales und Whiskeys ist sehr gut und auch preislich erträglich gestaltet, häufig wertet Livemusik das gelungene Ambiente noch weiter auf. Die Kellnerinnen arbeiten auf Kommission, was sie aber aus irgend einem Grund nicht zu Freundlichkeitseskapaden motiviert. Heißt: Der oft aus kaum Deutsch sprechenden Frauen bestehende Service ist gerne einmal mürrisch. Außerdem ist es Hauspolitik, das jedes gebrachte Getränk sofort abkassiert wird, was schon den Fluss des Abends stört. In Kürze: Laden mit guter Atmosphäre und Auswahl, aber kleinen Schwächen.
Mr. Jones
Auch das Mr. Jones am Rande der Altstadt wird von einem geschäftstüchtigen Araber geführt, der in Konfliktsituationen mit unangenehm sehr wohlwollend umschrieben ist. Das Ambiente ist durchschnittlich, die Getränkeauswahl gut, wobei die Cocktails eher unteres Mittelmaß sind. Preislich erträglich, der Service ließ mehrfach schon etwas zu wünschen übrig. Bestellungen wurden vergessen und es brauchte teils erstaunlichen Aufwand, um überhaupt die Aufmerksamkeit einer der Servierhilfen zu ergattern. Für mich eher eine Ausweichlösung.
ZAK
Am Wochenmarkt schräg gegenüber vom Café Einstein liegt das Zak. Die Räumlichkeiten sind schön, das Personal nett und fleißig, entsprechend füllt sich der Laden auch flott, Reservierung ist angeraten. Positiv anzumerken ist das recht gute Essen und die respektabele Getränkekarte, auch wenn beides gefühlt einen Tick zu teuer ist. Trotzdem eine klare Empfehlung.
Nautilus
Ich kann mir nicht merken, ob es noch Nautilus heißt oder Nautibar, ist ja auch wurscht. Ebenfalls in der Innenstadt lokalisiert, liegt diese Befüllungsanstalt weitestgehend unter Tage, hat dort aber erstaunlich große Räumlichkeiten zu bieten, in denen man vom zügigen und freundlichen Service mit ein bisschen Pech einen der berühmten „Tiefseetaucher“ serviert bekommt. Vorsicht: Dieses Getränk besteht zu mehr als dem dreifachen seines Volumens aus Alkohol. Der Unterschied zwischen Tiefseetaucher und Hammer an den Kopf? Der Hammer schmeckt besser.
Thanners
Das Thanners am Wilhelmsplatz ist eine der Traditionsadressen in Punkto Ausschankhandwerk. Der verwinkelte Laden ist fast immer voll, die mächtige Theke ist ein Eckdatum des deutschen Willens, Holz in Form zu schnitzen. Die Geschichte hängt merklich in den Räumlichkeiten und gibt dem Ort etwas altehrwürdiges. Für meinen Geschmack leider meistens zu voll, Tische sind rar und das am Tresen Sitzen des Durchgangsverkehrs wegen hektisch, sodass ich das Potential der Hallen nie genießen kann.
Trou
Das Trou ist nur eine Straße weiter vom Thanners und eine absolute Ausnahmeadresse, es handelt sich nämlich um einen alten Gewölbekeller. Was für einen Klaustrophobiker sicher die größte Katastrophe seit „Schrei“ (Kaulitz et al. 2005) ist, stellt für mich einfach das großartigste dar, was im Rahmen der menschlichen Architektur überhaupt möglich ist. Die Atmosphäre, die ein kerzenilluminiertes Gewölbe aus schwarzem Naturstein verströmt, ist unbezahlbar. Das Trou ist nicht groß und wird eigentlich fast immer nur von einem Thekenmann allein bewirtschaftet, was dazu führt, dass man ab und an mal länger auf sein Bier warten muss. Die Beziehung zu seinem Bierpatron ist aber freundlich und persönlich und so kann man mit diesem Makel eigentlich sehr gut leben.
Nooners
Was heute „Nooners“ heißt, ist die alte Akademikerkneipe am alten Campus am Kreuzbergring. Früher trank dort der gesamte Lehrstab und die distinguierte Professerie, heute wird nur noch der sporadische Anatom dort gesichtet, der des Nachmittags auf eine Weinpause dort einkehrt. Primär ist das Nooners aber zu einer Kneipe für Studenten gediehen – und neuerdings auch lautem, unangenehmem Pöbel, was auf die geänderte Politik des neuen Besitzers zurück geht. Wer auf Publikumsakquise durch flächendeckendes Zeigen von „Bauer sucht Frau“ setzt, zieht unweigerlich ein gewisses Publikum an. Ebenfalls abgeschafft sind die Aktionstage, die geliebten Frittierplatten und das erstaunlich gut sortierte Fuselkabinett. Inzwischen besticht das Nooners leider nur noch mit seiner Lage und dem angebotenen Landbier.
Blooming Bar
Die Blooming Bar ist wohl primär eine Schwulen- und Lesbenkneipe, aber das sollte einen vom Besuch nicht abhalten. Die Räumlichkeiten sind nämlich schön, das Publikum ruhig und der Service super und freundlich. Mit Sicherheit ein Geheimtipp.
Sausalitos
Sausalitos ist natürlich Kette samt dem zweifelhaften Charme, den so ein Betrieb mit sich bringt. Cocktails lohnen nur in der Happy Hour, sind von sehr mittelmäßiger Qualität und der Fusel macht schon manchmal Kopp. Ist eben auf Gewinn optimiert. Genauso verhält es sich mit dem Kellnerstab, der chronisch überfordert scheint, da er immer auf Hochdruck laufen muss. Toll kalkuliert. Auch macht das Sausalitos zu, wenn es sich betriebswirtschaftlich nicht mehr lohnt, die Tore geöffnet zu lassen, so wird man dann selbst in größerer Gruppe auch gerne mal um zehn vor zehn vor die Tür gesetzt. Die Platzausnutzung ist ebenfalls maximiert, sodass etwas Massenabfertigungsfeeling und wenig Privatssphäre aufkommt. Die Burger allerdings sind von sehr überzeugender Qualität und Montag, wo es sie zum halben Preis gibt, sogar bezahlbar. Für mich daher an Montagen eine viable Alternative.
Hemmingway’s
Hier haben wir es mit einer kleinen Kneipe am Kreuzbergring zu tun, die für bezahlbar Geld eine erstaunlich gute Küche bietet. Der Service ist nett und persönlich. Leider ist auch diese Kneipe häufig bis unter’s Dach voll, da sich die Güte der Einrichtung inzwischen wohl herumgeschwiegen hat.
Villa Cuba
Am alten Rathausplatz in der Innenstadt findet sich das einzige Gasthaus im Großraum Göttingen, auf dessen Toilette man die Reden Fidel Castros hören kann. Das ist natürlich erst mal ein Schild zum Aushängen. Die Kneipe selbst ist recht nett hergerichtet und auf kubanisch romantisch verfallen getrimmt. Man kann hier sehr gut frühstücken, die Küche ist ebenfalls ganz in Ordnung, die Cocktails einen Ticken teuer. Alles in allem aber wirklich immer nett.
Café Schröder
Coole kleine Kneipe in den Räumen des ehemaligen Jacobinerstübchens. Leider sind besagte Räumlichkeiten eher klein geraten, sodass ich schon wesentlich öfter vor einem gerappelt vollen Laden stand, als dass ich tatsächlich mal herein gehen konnte. Eine Empfehlung für jeden Fachmann der Schlacht am kalten Buffet, der die Herausforderung selbst beim Ergattern eines Platzes sucht.
Myer’s
Mehr Restaurant als Kneipe, bietet das Myer’s die Möglichkeit, unter den verbitterten und leicht übergewichtigen Mittdreißigern der Region zu sitzen und zu speisen. Das Interieur ist irgendwie mit modern-künstlerischer Farbgestaltung auf Hip getrimmt, verströmt dabei aber eher den fragwürdigen Charme einer Kette. Der Service im Myer’s ist allerdings schnell und zuvorkommend und das Essen sehr gut. Mir persönlich missfällt es trotzdem etwas.
Café Einstein
Ebenfalls am Wochenmarkt gelegen bietet das Einstein auf zwei Etagen recht wohlige Atmosphäre. An schlichten Holztischen findet man ein Publikum eher gehobener Betragensweise, dem entspricht auch Service, Küche und Getränkekarte. Das Essen ist bemerkenswert gut, aber eben etwas auf fancy gezüchtet, in meinen Augen schon recht gewollt. Die uniformierten, ästhetisch ansprechend ausgewählten Kellner arbeiten schnell und akkurat und zaubern so die gute Trunkauswahl und die tatsächlich recht hochklassigen Cocktails im Handumdrehen auf den Tisch. Man bezahlt dafür zwar leicht gehobene Preise, für das Dargebotene verbietet sich aber jedwedes unqualifiziertes Genörgel darüber kategorisch.
Déjà Vu
Wenn man im Deschawüü geendet ist, dann hat der Abend meistens seinen Zenit so weit hinter sich wie Anita Ekberg Schönheit. Eine abgerissene Pinte an der Ecke beim Sausalitos, die hauptsächlich dazu anstiftet, die Thekenkraft zu bemitleiden und sich zu fragen, ob in den servierten Shots tatsächlich noch Alkohol ist.
Zum Schwarzen Bären
Zum Abschluss das einzige wirklich abschreckende Beispiel, das ich die göttinger Kneipenlandschaft kenne. Ohne Ende unfreundlich, wir wurden kurzerhand heraus geschmissen, weil unsere Visagen dem Chef nicht passten. Finger weg!
Bis jetzt nicht bewertet: SonderBar
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