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Der Bau der Orgasmusorgel – Zwanzig Jahre auf Hifi-Abwegen

Posted in Angewandte Wissenschaft, Das Leben und der große Löffel, Gute Dinge, Röhrenverstärker, smile and look alive on 18. August 2023 by Herr Grau

Schläft ein Lied in allen Dingen
die da träumen fort und fort,
und die Welt hebt an zu singen,
triffst du nur das Zauberwort.

Joseph von Eichendorff

Vorspiel
Als ich fünfzehn Jahre alt war, spielte mir das breit grinsende Schicksal einen hochwertigen alten Telefunken Receiver aus dem Hausstand meiner Großmutter in die Hände. Im eher pflichtschuldigen Versuch, etwas sinnvolles Ganzes daraus zusammen zu wurschteln, kratzte ich meine spärlichen Pennäler-Groschen zusammen und kaufe nach einiger Recherche ein paar unverschämt günstige Dali Standboxen aus dem Ausverkauf eines insolventen Hifi Händlers aus Berlin. Nachdem noch ein alter CD Player angeklemmt ward, wurde schlagartig offensichtlich, dass mein Hirn mit diesen verbesserten Eingangssignalen große Dinge anfangen konnte. Ich erinnere mich an kaum etwas so von den Jahren unverklärt klar wie an die ersten Takte von Keziah Jones ‚Where’s Life‘ auf dem schicksalsschwangeren neuen Spielzeug. Die Welt im Hintergrund wurde leise und verschwand sodann völlig. Plötzlich war alles Musik. Es schlug laut vernehmlich Kugelblitze und Lichtbögen auf meiner Synapsenklaviatur, als ein Dopamin-Tsunami der Sumatra-Klasse unvorbereitet an sie anbrandete und mein ganzes Hirn einfach überspülte. Nur 4:51 Minuten später war ich hoffnungslos süchtig. Nicht nach Musik per se, Musik war schon immer unverzichtbar für mich gewesen – sondern nach einer Wiedergabe, die der Musik wirklich angemessen ist. Die sie ihr Potential entfalten lässt. Von einer Zusammenstellung demiarkaner elektromechanischer Bauteile, die aus nettem Geklimper ein einmaliges Erlebnis zaubern kann, das alle Sinne berauschen, einen aus der Welt reißen und auf eine Reise in den Mittelpunkt seiner selbst und an den Rand des Kosmos schicken kann, wie sonst nichts anderes auf dieser Welt. Heroin vielleicht mal ausgenommen.

Das Problem, wenn man 15 ist und eine Begeisterung für Hifi entwickelt, ist dem nicht unähnlich, wenn man 15 ist und anfängt, sich für Mädchen zu interessieren. Man hat eine Ahnung, dass da Großes zu haben wäre, aber es ist firm und sicher außerhalb der Reichweite der eigenen Möglichkeiten. Natürlich saugt man alles an Informationen dazu auf, was man nur kriegen kann, schlägt sich die Nächte um die Ohren und verzehrt sich nach dem, was da sein könnte. Und manchmal, hier wie dort, schält sich endlich aus dem tobenden Chaos ein Weg, der, genug jugendlichen Übermut vorausgesetzt, tatsächlich zum Ziel führen könnte.

Wenn man einen hohen Anspruch aber kein dazu passendes Kapital hat, so stellte sich raus, ist fast in jedem Gebiet besagter Weg: Selbst machen. Es ist für mich immer wieder erstaunlich, welche Qualität man mit ein bisschen Recherche und Mühe selbst im Erstversuch erreichen kann. Man muss es einfach nur machen. Um es mit Mario Terrone aus einem leider viel zu obskuren Munchies Video zu sagen: Everything man can do, you can do.

So wurde denn meine Studenten-Wohnung über die nächsten Jahre zum wiederkehrenden Schauplatz verschiedener Lautsprecher- und Verstärker-Projekte. Ich baute ADW Duettas für mich und noch etliche Lautsprecher mehr für Freunde, einen EAR 834P Clone, SymAsym Endstufen und Williamson KT88 Endstufen, modifizierte an meinem CD Player herum, restaurierte einen Dual 724 und bastelte sogar aus CAT Kabeln Lautsprecher- und Cinch-Kabel – und war schließlich tatsächlich ziemlich glücklich mit dem Ergebnis. Meinem bescheidenen Budget war eine sehr respektable Klangdusche entstiegen, die weit besser tat, als ich mir das vorher hätte träumen können. Anders als die meisten Hifi Enthusiasten, die ich über die Jahre kennen gelernt habe, kann ich mich durchaus zurück lehnen und die Finger von den Sachen lassen – eigentlich geht es mir ja ums Musikhören, das Rumgebastel ist kein Selbstzweck, sondern ein Hammer, der den Nagel in die Wand will.

Dieser Artikel wäre jetzt aber ein bisschen antiklimaktisch, wenn das tatsächlich wirklich dauerhaft so geblieben wäre. Für meine Verhältnisse währte der Frieden fast eine Ewigkeit lang, einen ganzen Lebensabschnitt und noch ein bisschen mehr. Aber ach! Zehn Jahre später wohne ich in einer anderen Stadt, gehe einem halbwegs ehrbaren Handwerk nach, habe einen Bart und ein paar Töpfe Gold im Keller – und plötzlich meldet sich die altbekannte Stimme in meinem Kopf. Ich trete in aussichtslose diplomatische Gespräche mit meinem marodierenden Willen, Dinge zu verbessern. Nach einer kurzen, heftigen und für meine Haushaltskasse vollständig aussichtslosen Auseinandersetzung wird man sich also einig: Wir fassen jetzt noch ein einziges Mal alles an, bevor so lästige Dinge wie ein stringenter Lebensentwurf das gedankenlose Ausgeben größerer Mengen Geld erschweren könnten. Einen Kleinen noch, dann ist aber Schluss. Da stehen wir also zusammen vor etwa vier Jahren, werter Leser, und stürzen Kopf voran in die wilde und undurchsichtige Welt des Premium Hifi.

Außer im Parlament wird nirgendwo so viel geschönt, so viel geprahlt und gelogen, so viel Zinnober und himmelschreiender Mummenschanz getrieben wie im gehobenen Hifi Segment. Und nirgends findet man entsprechend so gewaltvoll entwaffnende, schillernde Aufklärer als notwendige Reaktion. Das Feld ist riesig und hart umkämpft, ist hier nicht nur irre viel Geld zu verdienen, sondern handelt es sich eben auch um den Schauplatz von echten, tiefgreifenden, bewegenden Emotionen – die des Musikhörens. Andere Hobbies kommen da ihrer Natur halber einfach nicht mit. Im Interesse der Verkäufer ist natürlich eine entschiedene globale Stimmung der Relativität. Es gibt nicht schlecht, sondern nur anders, aber hauptsächlich gibt es nur gut und besser. Jedem gottfürchtigen deutschen Christen treibt das natürlich die schwarze Galle hoch und die Prügellust in den Arm, da die Realität offensichtlich nicht nur hohe Höhen, sondern auch menschliche wie technische Tiefen kennt. Die Reaktion ist recht vorhersehbar: Man sucht nach Quellen objektiver Analyse. Man klammert sich daran in Anbetracht des Chaos. Die Crux daran, wie ich nach vielen Jahren schmerzlich und teuer lernen musste, ist: Den kalten Fakten fehlt die eine Sache, für die man eigentlich überhaupt da ist: Magie.

Wer längere Zeit Top Gear geschaut hat, konnte dem Autojournalismus-Veteranen James May dabei zusehen, wie über die Jahre Zahlen auf dem Papier mehr und mehr zu reinen Randnotizen degradiert wurden, untauglich, den Kern der Sache in irgendeiner bedeutungsvollen Art zu illustrieren. Von Test zu Test, von Film zu Film dringt er näher zum zusammengedampften Nucleus der Sache vor: Does it give me The Fizz? Also: Knistert es? Stellen sich meine Nackenhaare auf? Ist es aufregend, zaubert es mir ein Lächeln ins Gesicht? Nach zahllosen Nächten in den Tiefen von Hififoren und Publikationen, dutzenden Messen und Händlerbesuchen, einem steten Strom von zentnerschweren geliehenen und gekauften Strommöbeln, die sich eine Ameisenstraße die vier Geschosse bis in und aus meinem Wohnzimmer wieder zurück bahnten, musste ich mich von der Vorstellung verabschieden, dass man den Gott der Sinnesfreuden in Diagrammen finden kann. Soviel zu dem aufgeklärten Naturwissenschaftler in mir. Es schreibt für Sie ab jetzt der Hedonist, der den Dingen ihren Zauber zu lassen gewillt ist.

Natürlich verbietet sich hierdurch ein Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Meine Argumente sind die der minderwertigsten Dialektik, der aus dem subjektiven Gefühl argumentierenden. Aber es ist einfach die schlechteste außer allen anderen, und alles, was wir am Ende wirklich haben. Das heißt nicht, dass technische Überlegungen vollkommen nutzlos wären, sie sind hilfreich für die Vorauswahl. Aber am Ende muss man sich die schlichte Frage stellen: Ist es geil? Und dann so unabhängig von Preisschild und Erwartung wie möglich versuchen, ehrlich mit sich in dieser Frage zu sein. Das ist vermutlich die perfekte Stelle um vorzugreifen: Wo wir in wenigen Absätzen ankommen werden, ist es RICHTIG geil.

Der Verstärker
Ich stellte ziemlich früh fest, dass mich Transistorverstärker trotz all ihrer technischen Überlegenheit nicht begeistern. Ja, sie können im Bass Dinge leisten, die Röhren einfach nie hinbekommen werden. Dafür ist überall da, wo nicht nur Rhythmus, sondern der Rest der Musik passiert, nicht viel los. Es perlt nicht. Am Ende war ich einmal durch den gesamten Wald der technischen Möglichkeiten gestolpert und kam da an, wo der vorhersehbare Endpunkt schon lange gewinkt hatte: Die Leistungstriode.

Röhren sind in ihrer einfachsten Form zwei Platten im Vakuum, zwischen denen ein Gitter liegt. Zwischen den Platten erzeugt eine Spannung ein elektrisches Feld, in dem von einer Glühwendel erzeugte Elektronen fließen können. Legt man am Gitter eine Spannung an, steuert dies den Strom der geladenen Teilchen. Hiermit kann ein kleines Steuersignal am Gitter in laute Musik verwandelt werden. Diese einfachste Form der Röhre nennt sich Triode und genau diese einfachste Bauart ist die, der schon seit der Erfindung des Feuers die größte Menge von diesem flüchtigen je ne sais quoi zugeschrieben wird, nach dem es mich so dürstet. Die Nachteile sind so zahlreich wie offensichtlich: Leistungstrioden selbst sind sehr teuer, die Verstärker auch und dabei noch bockschwer, sie verbrennen dank Class A Betrieb ihre maximale Leistung dauerhaft in den begeisterten Raum hinein und liefern am Ende trotzdem ziemlich wenig Leistung. Leider stimmt das dumme Vorurteil aber. Sie klingen ärgerlicherweise unfassbar gut. Man seufzt resignierend und arrangiert sich mit seinem Schicksal, das wieder einmal wie ein quengelnder Fünfjähriger auf der teuersten, anstrengendsten und unpraktischen Lösung besteht.

Es gibt eine überschaubare Menge Hersteller dieser etwas obskuren Apparaturen. Die westlichen Manufakturen lassen sich das Geldäquivalent von Kleinwagen reichen, um einen mit dem kunstvoll verpackten Kabelsalat auszustatten. Leider reden wir hier über Arbeitsspannungen, die selbst mir mit meiner fröhlich ignoranten can-and-fucking-will-do-Einstellung zu gefährlich sind. Außerdem gebrach es merklich an der im Studium noch so reichlich vorhandenen Freizeit. Es würde also gekauft werden müssen. Man muss schon so blind wie verblendet sein, um nicht mitgeschnitten zu haben, dass es eine Handvoll sehr hochwertiger chinesischer Hersteller von Röhrenverstärkern gibt. Mingda Meixing, Cayin und Line Magnetic sind hier insbesondere zu nennen. Alle stellen ihre Gehäuse und Übertrager (die qualitätsbestimmendsten Bauteile eines solchen Verstärkers) selbst her. Die Wahl fiel auf Line Magnetic, die sich ganz besonders auf Leistungstrioden und alte Western Electric Technik spezialisiert haben. Die Bauqualität ist schlicht der Wahnsinn. Im Direktimport aus China spart man über 60 Prozent gegenüber den europäischen Händlern. Ich probierte mich teils kaufend, teils leihend durch das gesamte Angebot des Herstellers. Die Wahl fiel klar auf den Line Magnetic LM-219IA (technisch identisch mit dem LM-845 Premium). Die Höllenmaschine wiegt 55kg und verbrennt dauerhaft 400W. Dafür wird sie nicht nur die nächsten drei großen terranischen Kataklysmen ohne Kratzer überstehen und ist aufgrund ihrer hochwertigsten Handverdrahtung problemlos zu reparieren, sondern bietet mit ihrem klassischen WE-Arrangement von 310A, 300B und 845 Röhren in der Endstufe einen festen, definierten Bass, großartige Balance und unerreicht bezaubernde mittlere Höhen und Höhen. Die Vorstufe ist eine simple einzelne 12AX7, die ihren Job überraschend gut macht, wie wir noch sehen werden. Man kann sie aber samt dem Lautstärkeregler ganz einfach bypassen, so man möchte.

Lautsprecher
Und aus A folgt dann auch B. Wenn man eine Triode will, dann muss man sich mit der geringen Leistung arrangieren, indem man sich Lautsprecher mit einem extrem guten Wirkungsgrad sucht, heißt: Aus wenig Saft wird viel Bumms. Diese werden in vielen Fällen baulich große Abmessungen haben, weil die Physik sich allen Versuchen zum Trotz immer noch stetig weigert, sich bescheißen zu lassen. Aber immerhin gibt es einen Vorteil: Empfindliche Lautsprecher verhalten sich in meiner Erfahrung nicht unähnlich wie sehr leichte Autos: Bei einem identischen Leistungs-Gewichts-Verhältnis steppt der Bär bei einem Caterham, der ungefähr das Gewicht eines erwachsen gewordenen Bobbycars ins Feld bringt, drastisch beseelter, als beispielsweise bei einem Audi RS3 mit dem dreifachen Abtropfgewicht. Letzterer mag schneller von der Linie kommen, aber der aufmerksame Leser ahnt es schon: Geil ist es halt nicht. Nichts habe ich mehr probegehört als Lautsprecher, ist am Ende doch kein Bauteil der Kette so entscheidend für den Klang. Ich war bereits an einem Punkt angekommen, der mit säuerlich enttäuscht mehr als wohlwollend umschrieben ist. Ich hatte mich innerlich damit angefreundet gehabt, einen relevanten fünfstelligen Betrag in Schallwandler anzulegen – und trotzdem jagte eine Enttäuschung die nächste. Die schlimmsten Tiefschläge waren sicherlich Living Voice, die mir als außergewöhnlich emotionale Lautsprecher angepriesen worden waren, sich aber als extrem analytische und leblose Studiomonitore herausstellten, und die fast universell angepriesenen DeVore O/96, die zwar betörend schön sind, aber in mehreren Räumen an verschiedenen Verstärkern keinen brauchbaren Bass zu produzieren im Stande waren und mir darüber fast das Herz gebrochen hätten.

Es war einer dieser wohl unvermeidbaren komischen kosmischen Zufälle – das Universum grinst ja bekanntlich fast immer, wenn man nur hin guckt -, dass ich just am deprimierenden Apex meiner Enttäuschung den Lautsprechern aus dem Hause Klipsch über den Weg taumelte. Plötzlich war da nicht nur Hoffnung, sondern die fassbare Begeisterung eines frisch Verliebten. Ein ephemeres Knistern lag in der Luft. Ich wusste sofort, dass das etwas sein konnte. Einen kurzen und sehr netten wie produktiven Kontakt mit Hifi Schluderbacher später (die ich expressis verbis hierfür loben will) durfte ich mit meinem gebeutelten Kollegen endlich zwei Klipsch Cornwall IV die steilen Altbautreppen hoch fluchen. Es sind nicht nur die 45kg, die jede Box wiegt – es sind die handlichen Abmaße von 97 x 65 x 40, die ihnen in Verbindung mit ihrem eleganten Design den liebevollen Spitznamen ’singende Kleiderschränke‘ eingebracht haben. Man muss wohl das Positive daran sehen: Im Wald, da sind zwar die Räuber – aber meine Stereoanlage werden sie niemals stehlen.

Wer jetzt dachte, dass sich endlich mal ein Punkt gefunden hätte, wo die Lösung nicht am Ende einen bitteren Beigeschmack hätte, der irrt leider. Zwar sind die Lautsprecher bei weitem nicht so teuer wie beispielsweise die erwähnten DeVore – man bekommt für die trotzdem immer noch substanzielle Menge an hierfür abzutretenden Devisen eine überragend miese Bauqualität der Gehäuse. Wenn diese Boxen nicht so wahnsinnige Sexmaschinen wären, man müsste sie dem Hersteller mit Verve um die Ohren hauen. Ich habe noch nirgendwo so schlechte Furnierverarbeitung und Lackierung gesehen, die Rückseiten und Schallwände sind einfach schwarz strukturgelackte Holzpanele, die billigen PA Boxen gemahnen. Die Straße hoch und runter schämen sollten sie sich in Indianapolis. Aber – wo die Liebe hinfällt. Sie können etwas, das andere nicht können, und sie wissen es scheinbar. Ich beuge mich noch ein bisschen tiefer und lege Geld für neue Gehäuse in der Zukunft beiseite.

Vorverstärker
Das Internet (™, rechtlich geschützt) war sich einig: Der Line Magnetic LM-219IA profitiere schwer von einem guten Vorverstärker, so prophetete es mir mehrstimmig entgegen. Ich spielte kurz mit dem Gedanken, einen selbst zu bauen, kapitulierte aber vor den multiplen Baustellen eines komplexen regulierten Netzteils, einer Fernsteuerung samt hochwertiger motorisierter Lautstärkeregelung und nicht zuletzt dem Bau eines wirklich schönen Gehäuses. Die Botschaft hör ich wohl, auch am Glauben fehlt’s nicht, aber an der Zeit haperte es geräuschvoll. Nach einer eher widerwilligen Recherche und der Feststellung, dass es hier kaum gute Informationen geben würde, und dass weiter noch die Möglichkeiten, die Kandidaten zu leihen, nicht bestanden, drückte ich, nach einem besonders heftigen 24h-Dienst mit dem zweiten Old Fashioned in der Badewanne sitzend, trotzig auf den Knopf. Ich halte extrem viel von Line Magnetic, also kaufte ich einfach auch ihren Vorverstärker LM-512CA samt einem Schwung der schwierig zu bekommenden obskur-klingonischen Röhren, die seine schlagenden Herzen sind. Die ganze Übung kostete mehr als der Vollverstärker. In aller Kürze: Das war die verzichtbarste Ergänzung der ganzen Anlage. Der Benefit ist sehr dezent. Kann man sich gut sparen.

Streaming Player und DAC:
Die Realität des Alltags hatte sich schon in den Jahren zuvor selbst klar gemacht: Zwar höre ich gerne Platten, genieße das aktive und ritualisierte Hören eines ganzen Albums – faktisch läuft aber 90 Prozent der Musik über einen Streaming Dienst. Ein ordentlicher Streaming Player ist daher Pflicht. Diese Geräte können selber Streaming Dienste wie Spotify, Deezer oder Apple Music laufen lassen und brauchen keine ständige Bluetooth Verbindung mehr – also keine Qualitätsschwankungen oder Signalabbrüche und keine leer gesaugten Handy Akkus mehr. Sie bekommen über andere Geräte im Netzwerk lediglich den Hinweis, was sie abspielen sollen, und sind direkt über die Streaming App ansteuerbar. Praktischeres wurde selten erfunden. Mir war wichtig, dass er vor allem vollkommen problemlos funktioniert, was mit Netzwerkgeräten, die einerseits mit dem WLAN und andererseits den Streamingprogrammen von Android und Apple Geräten interagieren müssen, gar nicht so selbstverständlich ist. Dass ich auch Lautstärkeregulierung über den Streamer will, schloss leider die sonst sehr gut anmutenden und bezahlbaren Yamaha Geräte aus. Die Wahl fiel auf einen inzwischen weithin bekannten Favoriten, den Bluesound Node 2i. Er ist kompakt, einigermaßen bezahlbar und leistet gute Dienste, ich bin zufrieden. Die neuere Version, der N130, machte am Anfang Mucken, hat sich aber inzwischen weitestgehend gefangen.

Ein Streaming Player spuckt einem bei Bedarf auch direkt ein verwertbares Audiosignal aus, aber wenn man die beschriebene Menge Aufwand treibt, dann versteht es sich, dass das Signal von einem seperaten DAC gewandelt wird. DAC steht für Digital-Analog-Converter, also ein Gerät, was aus den Einsen und Nullen der Computersprache ein hörbares Geräusch zaubert. Hierbei ist nicht nur die Wahl des Wandler-Chips und dessen hochwertige Beschaltung wichtig, sondern auch, dass die Verstärkung des mikroskopischen Signals dieses Chips in ein verwertbar lautes nicht von einem OP Amp erledigt wird, also integrierten kleinen Chipverstärkern, die man für fünf Pfennige aus dem Kaugummiautomten bekommt. Erektionsförderlich hat sich hier der Begriff ‚diskrete Verstärkerstufe‘ herausgestellt. Sind diese Bedingungen erfüllt, so gebe ich freimütig zu, dass sich in meinen Ohren verschiedene DACs nicht mehr viel geben. Ich empfehle dezidiert die Firma Gustard, die zwar recht nebelig in ihrer Provenienz ist, es besteht aber keinerlei Zweifel, dass sie ihr Handwerk extrem gut beherrschen und dem Endverbraucher ein wahnsinnig gutes Preis-Leistung-Verhältnis bieten. Außerdem liegt der Name schmackhaft nah an Mustard, das ist ja auch was wert. Dass ich mich am Ende gegen ihr Topmodell, den X26 Pro, und für den Doge Audio DAC 7 entschieden habe, fußte stumpf darauf, dass letzterer einer Röhrenverstärkung hat, was der Gustard mit Transistoren erledigt. Ich mag Röhren eben einfach. Inzwischen habe ich den X26 Pro auch. Höre ich einen Unterschied? Naja. Vielleicht ein bisschen, wenn ich es wirklich will.

Plattenspieler
Ich war die längste Zeit davon ausgegangen, dass ich wenigstens meinen Plattenspieler würde behalten können. Immerhin handelt es sich bei dem 724 mit um das beste, was Dual je gebaut hat, die Konstruktion ist aufwändig und hochwertig umgesetzt. Das Ding hat seinerzeit über tausend Mark gekostet, also etliche tausend Euro heutiger Kuranz. Ich dachte, dass es vergleichsweise Sülzwurst ist, woran der Tonabnehmer hängt, solange sich der Teller gleichmäßig dreht und der Tonarm gut gelagert ist. Der aufmerksame Beobachter hat aber vermutlich schon ein gewisses Muster erkannt, an welchen Stellen mit dem Humor des Universums zu rechnen ist. Ich sah mich unversehens in der Situation, verschiedene Plattenspieler mit dem gleichen Abnehmer gegeneinander zu hören, und musste zu meiner Entrüstung feststellen, dass es nicht nur Unterschiede gab, sondern deutliche Unterschiede, die ich wiederholbar blind identifizieren konnte. Ich fluchte vernehmlich, mehrtägig und über alle meinem Stimmumfang zugänglichen Oktaven. Dann bestellte ich einen Rega P10 in einer unwahrscheinlich just in dem Moment daher kommenden Rabattaktion, den großen Bruder des P8, der nach meinen Ohren im Test deutlich die Nase vorn gehabt hatte. Warum dieses eher krude konstruiert wirkende Gerät so gut klingt oder so teuer ist, habe ich nie wirklich heraus gefunden. Ich gab mich mit der Erleichterung zufrieden, dass er auch mit meinem langjährigen Tonabnehmer-Favoriten, dem Nagaoka MP500, wunderbar zusammen spielt.

Phono-Vorverstärker
Seit meiner ersten, anfangs nur mäßig geglückten Kopie der EAR 834P früh in meiner Selbstbau-Karriere habe ich nicht wenig Arbeit in Neubauten und Verbesserungen gesteckt. Ich halte die Schaltung auch heute noch für ausgezeichnet und glaube, dass wenn man sie mit Liebe und Sorgfalt umsetzt, man sich über eine außergewöhnlich flexibele, stabile und wohlklingende Lösung freuen darf. Der Chinese fertigt eine sehr gute Platine. Über die Auswahl der Bauteile und Modifikationen gibt es einen annähernd paradeisisch perfekten Thread im Lenco Heaven Forum. Die große Schwachstelle der chinesischen Platine, das Netzteil, konstruierte ich neu in der für mich so typischen charmanten Overkill-Art. Das Ergebnis kann sich meiner Meinung nach ziemlich hören lassen. Wer sich auf die Grundlagen des Lötens und die Kunst des Löcherbohrens im Zahlenraum von 3 bis 10 mm versteht sowie sich im Besitz zweier freier Nachmittage sieht, kann hier ein paar tausend Euro sparen. Guter Stundenlohn, zumindest für meinesgleichen.

Röhren, CD-Player, Stromfilter, Kabel und der ganze dreckige Rest
Was noch zu sagen ist, ist es in wenigen Worten: Über die Auswahl von Röhren werden ganze Internetforen bis zum Giebel gefüllt. Meine ganz persönliche Empfehlung sind Leistungstrioden von Psvane aus der ACME Serie (Alternative: Elite Serie von Linlai), von der 310A gibt es nur die WE Version von Psvane. Kleinsignaltrioden kaufe ich von TJ Fullmusic. Wer sich in die spannenden Fluten von NOS Röhren (New Old Stock) werfen will, sei herzlich eingeladen.

Da der CD Player bei vorhandenem externem DAC wirklich nur die Scheibe liest, ist es völlig egal, welchen man nimmt – nur einen digitalen Ausgang muss er haben. Also, falls man denn überhaupt noch CD haben will. Mein Dreher steht seit seinem Kauf jungfräulich unbenutzt in der Heide.

Ein Stromfilter lohnt sich bei den meisten Triodenverstärkern, da klassische Röhrenverstärkernetzteile oft nicht toll im Filtern von Hochfrequenz-Krach im Strom sind, wie ihn in modernen Haushalten jedes billige Netzteil in den Stromkreis kotzt. Ein gütig überdimensionierter EI-Kern-Trenntrafo (1kVA) und Stromfilter nach dem bewährten Aufbau von Jon Risch machen zuverlässig Ruhe im Puff. Was der kommerzielle Markt bietet, weiß ich leider nicht.

Kaum ein Thema lässt die Gemüter in Hifi Kreisen so heiß laufen wie die Diskussion um Kabel. Am Ende bin ich dann doch Arzt und der wissenschaftlichen Methode verschrieben: Was nüchterne Theorie nahelegt, bestätigen alle ernsthaften Studien: Man kann Kabel nicht hören. Das gilt noch mehr für Stromkabel und Sicherungen wie für Signalkabel. Die Lautsprecher kriegen was mit ordentlichem Querschnitt (4 mm2), die Signalkabel sind anständig, ich habe ein paar Meter gutes Sommer NF Kabel günstig gekriegt und mir zurecht konfektioniert. Stecker sind vergoldet, damit sie nicht korrodieren. Fertig ist das Gartenhaus.

Was ich unterschlagen habe, ist das Hifi Regal. Ich war nach aller Recherche mit den Angeboten des Marktes vollständig unzufrieden und habe schließlich in meiner Not eines aus Eiche selbst geschreinert. Am Ende würde ich empfehlen, sich bei Kleinanzeigen einen schönen antiken Massivholzschrank zu suchen und ein paar Bretter rein zu spaxen. Unzufriedenstellend, ich weiß. Sie teilen diese Meinung mit mir und den Nachbarn, die einen ganzen Nachmittag mein Schleifen und meine exuberant in die Welt gelassene Freude über die diversen Stolpersteine des Projekts teilen durften.

Die Menge ihrer Teile – Die Orgasmusorgel erwacht
Wer an diesem Punkt nicht zu der Erkenntnis gelangt ist, dass der Artikel am Ende allen Versprechen von Magie und Metaphysik zum Trotz doch nur typographierte Masturbation zum Takt willkürlicher Techniktrümmer wäre, dem gelten meine Glückwünsche und mein herzlicher Dank. Ich will mich beeilen, endlich zu verraten, was die Summe dieser vielleicht erratisch wirkenden Bausteine ist. Wer den Klassiker Barbarella aus dem folgenträchtigen Jahr 1968 gesehen hat, wird sich vielleicht noch an die Lustmaschine erinnern, in die die illustre Protagonistin von Duran-Duran (dem Bösewicht, nicht der Band) gesperrt und gelustfoltert wird. Dieser Jahrhundertszene ist der Spitzname entlehnt, den ich dem eklektischen Gesamtkunstwerk schließlich gegeben habe. Warum, das erfahren Sie, sobald Sie sich ganz freiwillig in das davor stehende Sofa schnallen, fest in die Fänge der Traummaschine, die Lautstärke aufdrehen und dann die orgonischen Vibrationen Ihrer Lieblingsmusik über die Klaviatur herfallen lassen. Es ist endlich Zeit für Transzendenz.

Den Unterschied zwischen dieser Anlage und jeder anderen zu beschreiben, fällt mir überraschend leicht. Wo man bei den meisten Hifi Anlagen die mechanistische Natur erlebt, vielleicht Fehler und Unzulänglichkeiten feststellt, auf jeden Fall aber das Ding als solches klar als ein technisches Gerät erfasst, das mit Strom betrieben wird, der genau wie vom Erbauer vorgesehen, aber eben ohne Abweichung hiervon treu durch die Leitungen läuft, könnte das Erlebnis der Kombination Leistungstriode und Klipsch Cornwall nicht diametraler anders sein. Je länger man hört desto schwerer wird es zu glauben, dass der Maschine nicht ein lebendiger Animus innewohnt, so erkennbar organisch ist die Erfahrung. Der technische Vorgang wird von einem Erlebnis ersetzt, das auf den elektrisiert aufgestellten, erregten Nervenenden des gesamten Körpers spielt. Es ist, als sei die Maschine ein Wesen, dessen Lebenszweck es ist, mit dem sie hörenden Menschen eine perfekte Symbiose einzugehen. Eine Wand aus Klang umschlingt einen, durch alle Register voll und satt wie ein Bad in flüssigem Sonnenschein, wie eine allzu menschliche Umarmung. Ist die Wiedergabe analytisch? Wen zur Hölle interessiert sowas, wer stellt sollte schrumpfhirnigen Fragen? Macht die Augen zu und fallt in eines der größten Wunder dieser Welt – das verborgene Paradies, was im Hirn exklusiv vorgehalten wird für den hochgradig unwahrscheinlichen Moment, dass ihr es irgendwie an das Businessende einer Orgasmusorgel geschafft habt und jemand die richtigen Tasten drückt.

Keine andere Musikanlage hat bei mir jemals eine emotionale Antwort dieser Schlagkraft, diese insistive Transzendenz der kalten Technik ausgelöst – was der Grund ist, warum ich diesen Artikel fraglos, defintiv, zwingend schreiben musste, auch wenn er sich geradezu dagegen gesträubt hat und jahrelang allem Gutzureden zum Trotz nicht werden wollte. Im vollen Wissen natürlich, dass ich dem See der diffusen Meinungen nur eine weitere hinzugefügt und damit wohl keinen Beitrag zur systematischen Ordnung des Chaos geleistet habe. Chaos, so stellt sich leider raus, ist eine Entität, die sich bei Fragen des Gefühls nicht ordnen lassen will. Aber wenn man nur gewillt ist, sich auf einen Tanz mit ihm einzulassen, kann es Sterne gebären, Lichtregen, Musik.

lastminute.de – Der pinke Betrug

Posted in Getestet, Probleme des Lebens on 27. November 2019 by bic_mac

Ich gestehe: Ich habe einen Fehler gemacht. Hätte ich doch nur auf Vati gehört. Der sagt immer: „Junge, billiges können wir uns nicht leisten!“ Diese von mir ursprünglich als etwas hochmütig empfunde Weisheit holt mich in meinem adoleszenten Leben ein ums andere mal ein. Jüngstes Beispiel: Ich lies mich von den grellen pinken Lichtern und den scheinbar günstigen Preisen von lastminute.de blenden und lief den Betrügern ungebremst ins Messer. Weiterlesen

Auf dem Donneresel quer durchs Paradeis – Sardinien mit BMW F800GS und KTM Adventure 790R

Posted in Essen & Trinken, Getestet, smile and look alive on 9. Juni 2019 by Herr Grau

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Ende letztens Jahres hob ich meine gesalbten Hände gen Himmel und schwor, alsbald auf dem Rücken eines Motorrads nach Mallorca zurückzukehren. In die festgemeißelten Pläne schlich sich aber schon bald ein kleines Zweifelchen und nagte fürdahin am Fundament: Warum nochmal die selbe Insel, wenn ich seit Jahren nach Sardinien will und es nie geschafft hatte? Die große Insel im tyrrhenischen Meer (natürlich habe ich das nachgeguckt, jetzt gucken Sie nicht so pikiert) soll auch ein Paradies für Mopedfahrer sein. Irgendwann hatte es mich dann so weit – die wohlfeilen Pläne wurden mit Anlauf aus dem Fenster gefeuert. Sardegna, you’re gonna be quite the show. Weiterlesen

Das chinesische Hackmesser als Universallösung für Zuhause – Chai Dao, Chukabocho, Chinese Cleaver

Posted in Angewandte Wissenschaft, Essen & Trinken, Getestet, Gute Dinge, Scharfe Messer, smile and look alive on 28. Februar 2019 by Herr Grau

Zusammen mit dem Aufkommen der Wegwerfkultur und dem Untergang der flächendeckenden Kochkompetenz im Rahmen der Emanzipation ist die Messerkultur in diesem unserem lauschigen kleinen Land zu einem kümmerlichen, schwelenden Häufchen Urdreck zusammen gefallen. Die einstige Messerschmiede der zivilisierten Welt, Solingen, produziert mit nennenswerter Ausnahme der Firma Robert Herder ausschließlich mediokres Blah, das zu den handgeschliffenen Messern, die es ablöste, zwar den Vorteil der industriellen Gleichförmigkeit und etwas günstigerer Preise hatte, leider war und ist der Schliff viel zu dick und der Stahl extrem mittelmäßig. Aus mir unerfindlichen Gründen machte man zwar über die Jahre an Griffen, Namen und Image herum, das Problem der enttäuschenden Klingen wird aber bis heute ignoriert. So wurden wir locker von den Japanern überholt, die den Finger am Puls der Zeit hatten und Stahl und Schliff ständig verbessern. So viel zu den Gründen, warum ich mit Anfang dreißig schon gefährliche Blutdruckspitzen habe und meine Nachbarn nachts manchmal ein lautes berserkereskes Toben aus meinen Kammern vernehmen.

Der Deutsche weiß leider trotz der wieder modern werdenden Begeisterung für Essen vom Messer immer noch fast nichts und hält in seiner Ignoranz die Solinger Firmen am Leben. Sie verramschen auf die Arbeitsplatten der deutschen Küchen einen Messerblock nach dem anderen, der dann dort stumpfer und stumpfer wird, bis jeder Dessertlöffel der Zwiebel ein größerer Feind ist. Die Messer für die Schneidaufgaben werden eher willkürlich gezogen – ohne jede Technik oder Schärfe ist der Unterschied ja nicht allzu groß. Gerade das schöne Geschlecht greift aus unbegründeter Angst gerne zu viel zu kleinen Messern und quält sich. Das ganze Spiel hat etwas von Flagellanten, die sich mit ihrem eitel beschützen Unwissen geißeln. Die Zeit der Sühne ist vorbei. Lasst uns endlich mit Freude kochen!

Wie ich nicht zu sagen müde werde, erledigt man mehr als 90% der Schneidaufgaben mit dem großen Kochmesser – damit ist ein europäisches Kochmesser / Gyuto oder ein Santoku gemeint. Dabei ignorieren wir, dass fast der gesamte asiatische Raum außerhalb von Japan ein anderes Universalmesser benutzt und damit ausgezeichnet zurecht kommt: Das chinesische Hackmesser, auch bekannt als Chinese Cleaver oder Chai Dao. In Japan ist das Messer als Chukabocho bekannt, hier werden sehr hochwertige Varianten hergestellt. Aber nicht zu schnell – was ist der Unterschied zum europäischen Kochmesser? Und warum behauptet der Mann, es könnte mein Küchenheil sein?

Das chinesische Kochmesser wird nicht zu Unrecht auch „Hackmesser“ (Cleaver) genannt. Auf den ersten Blick sieht es mit seiner oberflächlichen Ähnlichkeit zum Hackebeil vom lieben Metzger wie ein nicht handzuhabendes Ungetüm aus. Jetzt gilt es, keine Furcht zu zeigen und mutig zu schauen, ob nicht ein Prinz im Monster wohnt. Tatsächlich sind die Messer zwar hoch und fast viereckig, aber dennoch sehr dünn und leichter als gedacht. Das zusätzliche Gewicht arbeitet in erstaunlicher Art für einen, wenn man es richtig einsetzt. Die Messer haben die eigentümliche Charakteristik, selbst mit nur mittelmäßig scharfer Schneide sehr leicht zu schneiden.

Aller Anfang ist unbeholfen und so kommt man sich auch die ersten Minuten mit dem Chai Dao vor, als hätte man drei zusammen gebundene linke Hände. Die Messer sind nicht gut geeignet für den Wiegeschnitt, aber wenn man sich nach kurzer Zeit an den Zug-Druckschnitt und die Abmaße gewöhnt hat, fängt das Messer an zu fliegen. Dabei sticht vor allem die große Universalität heraus. Zwar ist das Parieren von Fleisch bei fehlender Spitze schwierig, aber mal ehrlich: wie oft macht man das als Hobbykoch? Vielleicht sollte man sich für einen Zehner ein Ausbeinmesser in die Schublade legen und das Thema abhaken. Dafür gewinnt man etliche Qualitäten dazu: Kräuter hacken ist deutlich effizienter als jemals zuvor, mit der geraden Vorder- und Rückseite kann man das Schneidgut aufnehmen wie mit einem Spachtel und man man Knoblauch und Ingwer einfach zerschlagen statt ihn fein zu hacken. Nicht zu vernachlässigen ist auch, dass man es wetzen und schleifen kann, bis man blau wird – es ist mehr als genug Material da. Und wie gesagt: Im Kernfeld, dem Zerkleinern von Gemüse und Fleisch, macht das Chai Dao einfach richtig Spaß – bei sehr hoher Effizienz. Wie alles auf der Welt ist es eine Geschmacksfrage, aber mir dämmert langsam, dass das chinesische Kochmesser rein objektiv wahrscheinlich das universellste und lustigerweise am leichtesten zu handhabende Kochmesser für den engagierten Koch ist. Mich wundert, dass sich diese Form anders als das eigentlich in fast allem benachteiligte Santoku kaum in Europa und den USA durchgesetzt hat – der Kreis der Enthusiasten ist klein.

Fehlt noch eine kleine Markenübersicht, sollte jetzt das Interesse geweckt sein. Es gibt die Messer in verschiedenen Größen und Dicken, vom dünnen Slicer (das was wir wollen) bis zum groben Hackebeil. Zwecks Einfachheit hat jeder Hersteller eine eigene, anders funktionierende Nomenklatur. War ja klar. Ein gutes Richtmaß für die Dicke ist das Gewicht pro cm2 Klingenfläche, da dies ungefähr mit der Dicke korrospondiert: Ein Bereich von 1,5g/cm2 bei Messern mit leichtem Griff und Steckangel bis 2g/cm2 bei Messern mit massiverem Griff und Flacherl.

Der Markt teilt sich in eher günstige chinesische Produkte, das mittelteure Feld japanischer Industrieware und hochwertige zumeist japanische handgemachte Chukabocho. Die Messer von CCK (1303 und 1302, Carbonstahl, ebay) und Shibazi (S-D1, rostfrei, Aliexpress) stellen einen sehr guten Einstieg dar und bieten im Preisrahmen von 30-70€ einen ausgezeichneten Wert fürs Geld. Die Verarbeitung ist für den Preis natürlich nicht besonders edel, aber da, wo es drauf ankommt, nämlich bei der Klinge, bieten die Messer erstaunlich viel fürs Geld. Ich habe ein CCK 1302, das ich hauptsächlich für meine Tests über die letzten sechs Monate eingesetzt habe und es ist wirklich erstaunlich schnitthaltig, scharf und pragmatisch. Ich habe dem Messer am Anfang einen Grundschliff verpasst und es seit dem nur auf dem Wetzstahl scharf gehalten mit ausgezeichneten Resultaten. Das Klingenprofil erlaubt sogar den flüssigen Übergang zum Wiegeschnitt.

Aber auch die Messer, die den Einstieg in den japanischen Markt bilden, bieten ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis: Das Suien VC (Carbonstahl, Japanesechefsknife.com) für 160$ + Versand ist inzwischen ein moderner Klassiker, der zwar eine etwas bauchigere Klinge hat, Stahl und Schliff gelten aber als außergewöhnlich gut. Auf der Seite der rostträgen Stähle gibt es Messer aus VG10 von Suien (210$ + Versand) und Tojiro (F-921, 116€ + Versand), wobei ich aus Kostengründen Tojiro deutlich bevorzugen würde, wenn ich unbedingt rostträge haben wollte – ich würde in dieser Preiskategorie aber dringend zum Suien VC raten.

Ein #6 von Sugimoto ist der Standard-Referenzpunkt, an dem sich jeder Cleaver messen lassen muss. Mit etwas Geschick ist dieser für ungefähr 300€ importierbar (hier). Bei fast allen Schmieden in Japan kann man Chukabocho in Auftrag geben, diese liegen dann zwischen 500 und 700€ (bspw Watanabe, 540€ plus Versand). Die sehr guten und recht bezahlbaren Messer von Ashi Hamono sind leider nur noch aus Amerika und der Schweiz erhältlich. Wie so oft liegt die vermutlich beste Lösung im hochpreisigen Segment direkt vor der Tür. Der großartige deutsche Messermacher Jürgen Schanz macht für ca. 300-350€ ein Chai Dao nach Wunsch aus SB1 (rostfrei) – das wäre auf jeden Fall meine persönliche Wahl, wollte ich mein CCK 1302 ersetzen.

Drei Wochen in Vietnam – eine Reise in Stichpunkten

Posted in Das Leben und der große Löffel, Essen & Trinken, smile and look alive on 25. Januar 2019 by Herr Grau

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Es ist etwas über ein Jahr her, dass ich mir einen lange gehegten Traum erfüllen und nach Vietnam reisen konnte. Es hatte sich heraus kristallisiert, dass man, so man immer nur im Ruhrgebiet bleibt, erschreckend wenig von der Welt sieht. Die Plattentektonik braucht ein bisschen, um Patagonien an Bottrop vorbei zu schieben. Ich habe ein paar mal angesetzt, einen Artikel über diesen meinen Urlaub zu schreiben, habe aber aufgrund von Zeitmangel und im Endeffekt doch recht gemischten Gefühlen über diese Reise immer wieder aufgegeben. Heute soll es nun sein, denn die Erinnerungen verdämmern schneller als heißgeredete Wahlkampfversprechen. Der Zeitmangel ist leider weiterhin ein Problem, weshalb meine gebeutelte Leserschaft mit einer eklektischen Sammlung aus Stichpunkten wird vorlieb nehmen müssen. Garstige Welt, diese. Für kohärentes Erzählen fehlt im Moment die Traktion im Bregen.

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Die 14 Rezept-Favoriten der letzten zehn Jahre

Posted in Essen & Trinken, German Heaven, Getestet, smile and look alive on 29. Oktober 2018 by Herr Grau

Ich gebe zu – wir haben die zehn Jahre mit dem Blog erst in ein paar Monaten voll. Aber gekocht habe ich schließlich schon vorher .. oder eine andere willkürliche Begründung. Es macht sich eben besser im Titel, nech? Hitlisten bringen Klicks und ich verdiene daran schließlich .. keinen Cent. Wo war ich?…

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Tatsächlich hat sich eine kurze Liste an Rezepten heraus kristallisiert, die so gut sind, dass ich nicht mehr daran herum spiele, sondern sie immer wieder so mache. So dachte ich mir: Dieses Faktum gehört der Öffentlichkeit nicht vorenthalten, sondern separat ausgeleuchtet und expliziert. Selbstverliebt? Ich? Ach, psch!.. Hier also meine 14 Lieblingsrezepte in keiner erkennbaren Reihenfolge:

1. Babyback Ribs aus dem Ofen. Eins dieser Rezepte, von denen sofort klar war, dass man über etwas gestolpert war. Und dabei auch noch selbst entwickelt. Auch heute fast fünf Jahre später immer noch der Hausstandard.

2. Dal Shorba, indische Linsensuppe. Das Rezept ist einfach, unaufwändig und hat sich erfolgreich gegen jeden Versuch es zu verbessern gewehrt.

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3. Mein Grünkohl ist das Gericht, das die meisten Leute mit mir assoziieren dürften. Die großen Zuber dampfenden Westfalen-Ambrosias an jedem meiner Geburtstage zeichnen dafür verantwortlich. Das Rezept hat sich seit Jahren nicht geändert und ist eine gute Rekonstruktion dessen meiner Oma. Herrlicher Eintopf mit Mettenden und Kartoffel.

4. Steak Tartar. Muss ich noch mehr sagen? Eines meiner Lieblingsgerichte und eines der am meisten von Gästen nachgefragten Rezepte. Und eine der ersten Zubereitungen, von denen ich mir sicher war, dass sich nichts mehr an ihr ändern würde.

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5. Backfisch im Bierteig nach dem Rezept von Kris Morningstar. Es gibt wenige echte Tricks in der Küche – die Kombination aus Instantmehl und Wodka bei Bierteig ist einer, der durchschlagenden Erfolg hat. Knusprig und ausgesprochen luftig, einfach ideal. Man muss es wirklich sehen, bevor man es glaubt, sonst hält man diese Lobhudelei für Hyperbole.

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6. Burger Buns nach Jörn Fischer. Nach vielen Jahren auf Abwegen kam endlich das perfekte Brötchen für Fleischbrötchen in mein Leben. Es ist erstaunlich einfach und wird extrem zuverlässig super, ist gut einzufrieren – einen Burger ohne kann ich mir gar nicht mehr vorstellen. Macht es!

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7. Vitello Tonnato. Ich kann an keinem Buffet an Vitello vorbei gehen. Völlig unmöglich. Selbst wenn es nicht so doll ist. Dabei ist die Zubereitung sehr einfach, der einzige Engpass ist das Aufschneiden des Bratens. Mit Schwein lecker, mit Kalb noch besser – inzwischen kaufe ich meistens sehr bezahlbare Kalbs-Semerolle in der Metro. Ich mache das ganze sehr gerne, wenn viele Leute verköstigt werden sollen, der Aufwand ist gering und die Begeisterung immer groß. Den meisten geht es da wie mir.

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8. Meine Kürbissuppe ist einfach, leicht in großen Mengen zu machen und begeistert auch zuverlässig alle. Über die Jahre hat sie sich bei mir gegen jede kompliziertere Variante durchgesetzt. Es ist nicht Herbst, bis nicht die erste Kürbissuppe auf dem Herd köchelt!

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9. Sourdough Pancakes sind mit Sicherheit das spezialisierteste Rezept auf dieser Liste, denn wer keinen Weizensauerteig hat, der kann sie schlicht nicht machen. Sie sind aber bis zum heutigen Tag mit Abstand die besten Pancakes, die ich je gegessen habe. Es ist so schlimm, dass ich schon mehrfach überlegt habe, meinen Sauerteig wieder zu beleben, nur um die Pancakes zu machen. Wenn es so weit ist, braucht man über das Rezept nicht mehr zu diskutieren.

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10. Schnitzel, Wiener, das. Eine lange Reise hat ein Ende, das Schnitzel ist endlich perfekt. Das Problem ist nicht, dass nicht im Internet ganz offen stünde, wie man es richtig macht – das Problem sind die vielen Missinformationen. Wir mögen Teil des Problems gewesen sein, auch wir haben gesprochen, bevor wir die Kunstform zur Perfektion veredelt hatten. Das ist jetzt vorbei. Gloria Victoria, widdewiddewitt juchheissassa.

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11. Französisches Omelett klingt so leicht und ist doch technisch eine der anspruchsvollsten Dinge in der Küche und auf jeden Fall das schwierigste auf dieser muckeligen kleinen Liste. Der Aufwand lohnt aber stark: Das bescheidene Ei wird hier zu einer luxuriösen Delikatesse, nur durch Liebe und Zuneigung.

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12. Nashville Fried Chicken. Ich hatte schon viel Fried Chicken, dieses ist immer noch das beste. Besser als der Colonel, besser als die Hipster. Wenn ich in der Gastro investieren würde, ich würde dieses verkaufen. Mit Coleslaw, Dill Pickles und Weißbrot.

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13. Gratin Dauphinoise. Wenn ich mich noch fünf Prozent weniger unter Kontrolle hätte, würde ich jeden Tag Kartoffelgratin machen. Ich könnte es zu zwölf Mahlzeiten am Tag essen. Es ist einfach das beste, was ich je mit Kartoffeln angefangen habe, verbatim.

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14. No Knead Bread hat das Backen für mich handfest revolutioniert. Es ist extrem einfach, zuverlässig, zeitökonomisch und produziert exzellente Ergebnisse. Deshalb findet sich die Technik inzwischen an vielen Stellen in diesem Blog: Hier ist der Basisartikel, da ist der Spelzling und ein großartiges Baguette haben wir auch. Und Pizza natürlich. Kein anderes Rezept trage ich persönlich Leuten so viel an, weil nichts anderes so große Auswirkungen auf die Art und Weise hat, wie man eine ganze Nahrungsgruppe einfacher und besser zubereiten kann.

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Kulinarische Ausschweifungen auf Mallorca

Posted in Essen & Trinken, Geld gegen Essen - Restaurantnörgeleien, Getestet, smile and look alive on 16. Oktober 2018 by Herr Grau

Ich war – wie der aufmerksame Leser weiß – vorletzte Woche auf Mallorca. Neben einem ziemlich anstrengenden Kongress bin ich nicht nur auf einer Moto Guzzi V7 III über die Insel gedonnert, sondern habe auch ausgesprochen gut gegessen.

Erster Abend bei C’an Toni. Leckeres Essen, uriger Laden und sehr nette Kellner. Wir haben viel zu viel bestellt, die Portionen sind ordentlich. Jedes Hauptgericht kommt mit Pimentos del Padron, die muss man echt nicht extra bestellen. Ich hatte vom Spanferkel, der Hausspezialität. Das Fleisch war ausgesprochen zart und saftig, die Kruste nicht mein Fall.

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Im Sa Ximbomba in der Nähe von Palma kann man sehr schön auf einer verzauberten kleinen Terrasse in einem ruhigen Vorörtchen sitzen. Leider ging der Ofen an dem Tag nicht, weshalb wir nur ein paar Tapas gegessen haben. Die Pizza soll angeblich sehr gut sein.

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Die alte Regel, dass man dahin gehen soll, wo die Einwohner Schlange stehen, trifft voll auf das Restaurante La Parada Del Mar in Palma zu. Es gibt vorne eine Theke mit fantastisch frischen Meeresfrüchten und Fisch und man kann sich aussuchen, wieviel man wovon möchte. Wir hatten Babytintenfisch, Sardellen und Babyaale frittiert, Razor Clams mit Kräuterbutter gedämpft, Kaisergarnelen gedämpft, eine Seezunge und ein Seeteufelfilet gebraten. Absolut großartig. Und das ganze für einen Preis, für den man hier nicht mal den rohen Fisch bekommt.

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Am Cafe Sa Plaça De Galilea kann man einen fantastischen Ausblick und die Ruhe eines Bergdörfchens genießen. Wir hatten Tapas, die waren sehr lecker. Zum warmen Essen kann ich nichts sagen.

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Wir waren in Palma zweimal Pizza essen, beide Neapolitanische Pizza. Kleiner und fraglos sympathischer war das Cibus an der Avinguda de Joan Miró. Die schelmischen Besitzer sind Italiener und immer für einen Scherz gut. Die Nutellapizza hinterher war zwar ein bisschen häretisch, aber extrem lecker.

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Die L’Artista Pizzeria ist ein deutlich größerer, professionellerer Laden. Zwar war der Service nicht perfekt (ich musste dreimal um eine Gabel bitten, während ich die Pizza schon hatte) und es ist draußen sehr laut, aber die Pizza war ohne Frage sehr gut.

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Auf meiner Motorradtour machte ich unter anderem Halt in einem netten kleinen Café in Puigpunyent, Ca Sa Nina. Nichts besonderes, aber sehr netter Service und ein guter Stop.

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Das beste kommt wie immer zum Schluss: Das Toque De Queda in Palma zeichnet sich hauptsächlich durch eine Theke mit Charcuterie und Käse erster Güte aus. Aber auch die hausgemachten Gerichte sind der Wahnsinn. Der Oktopus mit Kartoffelmus und das Zucchinicarpaccio waren fantastisch – den Oktopus haben wir direkt noch mal bestellt. Der Laden ist sehr muckelig und das Personal großartig.

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Quer über Mallorca zu Pferd auf der Moto Guzzi V7 III

Posted in Getestet, smile and look alive on 7. Oktober 2018 by Herr Grau

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Ich hatte eigentlich vor gehabt, Mallorca nie zu besuchen. Das sogenannte 17. Bundesland ist im kollektiven Bewusstsein der Welt das inselgewordene Gedenkmonument des deutschen Pauschaltourismus und entlockt meinem sonst doch eher inerten Animus Wellen um Wellen grausigster Fremdscham. Jetzt hatte sich aber meine Fachgesellschaft überlegt, hier einen einwöchigen Kongress anzuberaumen, den ich keinstenfalls verpassen wollte. Das Schicksal ist ein kichernder Kobold unter meiner Treppe. Und langes Zögern ist ja bekanntlich etwas für Leute, die Crocs für praktische, kleidsame Schuhe und Haftpflichtversicherungen für gute Party-Konversation halten. Ergo biss ich alle meine 52 Zähne zusammen, setzte mich auf das nächste Katapult gen Palma und zog beherzt am Hebel.

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Hier ist, was von Vorurteilen zu halten ist: Mallorca ist – abseits von Calarattatata und Ballermann – wunderschön. Atemberaubend sogar. Selbst das ziemlich touristische Palma ist in seiner Altstadt nicht nur hübsch, sondern hat echten Charme und Charisma. Die Touristen freundlich und umsichtig, die Lokalbevölkerung nett und aufgeschlossen. Man denkt, man ist im falschen Film. In Anbetracht der universellen Schönheit der Insel an allen Stellen außerhalb der bekannten Ausläufer der Hölle war der Faux-Charme unseres Kongresshotels mit seiner gewollt sorgenfreien paradiesoiden Realitätsblase eigentlich eine Farce. Die Disney Regenbogenwolke verliert gegen den Zauber realer Schönheit in der ersten Runde durch K.O.

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Wir hatten vorne und hinten an die ziemlich anstrengende und zeitintensive Kongresswoche jeweils ein paar Tage Erholungsurlaub angelötet. Ein einziger Blick auf die Landstraßen genügte, und der Plan, ein Motorrad zu mieten und zwecks Hirnfreimachung diese Bilderbuchlandstraßen herunter zu donnern, hatte sich selbst aus der Taufe gehoben. Es gibt etliche Motorrad-Vermieter auf Mallorca, aber da ich in der Nähe von Palma war, fiel meine Wahl auf Vintage Motors. Sie sind zwar hauptsächlich auf Roller spezialisiert, hatten aber auch eine Moto Guzzi V7 III im Angebot – und das mit 68€ (+3€ für Versicherung ohne Selbstbeteiligung) am Tag deutlich günstiger als die Konkurrenz. Sie liefern und holen das Motorrad gegen ein schmales Endgeld wieder ab, sie sprechen gut Englisch und waren insgesamt entspannt und völlig unkompliziert. Es gibt allerdings keine Motorradkleidung zu mieten und die im Mietpreis inbegriffenen Helme sind eher als alberne Kappen zu bezeichnen. Sie sind offensichtlich für Roller im Stadtverkehr gedacht und hätten einem ernsthaften Unfall so viel entgegenzusetzen wie ein kasachischer Heuwagen einem gezielten Orbitalbombardement. Eigene Klamotten mitbringen ist also explizit angeraten.

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Die Guzzi V7 ist ein Moped, das ich schon seit geraumer Zeit testen wollte. Zusammen mit der Triumph Bonneville und meiner Kawasaki W800 ist es eines von nur drei Modellen am Markt, die mein Sinn für Ästhetik als tatsächliche Motorräder und nicht als elektrische Rasierapparate identifiziert, um mal frei mit Marv aus Sin City zu sprechen. Von den dreien hat die Guzzi fraglos den meisten Charakter. Die Bonny hat bereits auf Wasserkühlung umgestellt und Triumphs ewiges Pochen auf ihre Tradition ist recht hohles Gebrüll. Die kürzlich aufgrund des fehlenden ABS vom Markt verschwundene Kawasaki hat nicht nur noch weniger Tradition, sie ist von den drei Maschinen auch die zahmste und vernünftigste. Moto Guzzi hat von der landauf landab von jeder Motorrad-PR stets beschworenen und allzu selten tatsächlich zur Verfügung stehenden Firmentradition und Modellgeschichte schaufelweise: Sie sind der am längsten durchgehend produzierende Hersteller in Europa und haben schon querliegende Zwei-Zylinder-Vs an Stahlrähmen gebunden, als Jesus noch im Schuhgeschäft in Galilea Latschen anprobiert hat. “Mein” Donnerfahrrad mit dem Adler war für das wenige Geld natürlich das Basismodell (‘Stone’), hatte fast 40tsd auf der Uhr und trug ein Kleid, das von hartem Tagewerk sprach. Für mich hätte sie schöner nicht sein können.

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Eh man sich’s versieht nimmt man auf dem Sitz der Guzzi Platz. Mit meinen 1,90m kann ich auf dem Bock bequem sitzen, ohne dass meine Knie von den Fußrasten unter mein Kinn genagelt werden. Alles ist problemlos zu erreichen, einzig muss ich mich für den Lenker einen Ticken weit nach vorne lehnen. Der Sitz war auch nach einem Tag im Sattel noch sehr bequem, hier gibt’s volle Punktzahl, zumindest für den Fahrer. Mit einem wütenden Gurgeln und dem charakteristischen Schütteln erwacht der querliegende Langhuber aus dem Schlaf. Und verabschiedet sich mit einem unspektakulären Geräusch von Enttäuschung direkt wieder in eine unruhige Kurz-Siesta – denn der Motor neigt aufs übelste zum Absaufen. Man lernt schnell, dass expressive Leidenschaft am Kupplungshebel fehl am Platze ist und beim Anfahren die Kurbelwelle ihr Stammgeschäft des Kurbelns besser bereits schon mit Eifer betreiben sollte. Ansonsten darf man mitten auf einer Kreuzung die zweite nervige Kapriziose der schönen Italienerin kennen lernen: Sie lässt sich schlechter in den Leerlauf schalten als jedes andere Motorrad, das ich je unterm Bobbes hatte. Und während ich das moglichweise noch dem geschundenen Zustand des Mietesels zurechnen mag, wäre es einfach kein guter Witz, wenn man aus mir völlig unklaren Gründen die Maschine nicht auch nur im Leerlauf anlassen könnte – anstatt mit gezogener Kupplung wie jedes andere Motorrad, Mofa, Roller, Kickboard und preußische P90 im bekannten Universum. Wer sich das ausgedacht hat, gehört mit einem halbgefrorenen Seelachs verprügelt.

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Der herrlich anachronistisch luftgekühlte Quer-Zwo klingt leider erschütternd bedauernswert. Im Stand geht es noch, aber während der Fahrt hört man fast nur ein weinendes Pfeifen aus den hagen Flöten. Es schneidet tief in jede ehrliche Männerseele, wie grausam dem schwarzen Herz der Guzzi der Emissionsschutz den Mund zugebunden hat. Man fühlt in der Tiefe seines Bauches, wie die Kammern in der Brust der Maschine schlagen und toben und die Welt davon wissen lassen wollen. Es ist ein Affront gegen Gott und alles was gut und richtig ist. Ein neuer Auspuff sollte für jeden Besitzer weiter oben auf der Einkaufsliste stehen als so überflüssige Dinge wie Essen, fließend Wasser und Kleidung.

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Das Aggregat entfaltet, wenn man denn erstmal fährt, von unten an sehr ordentlich Kraft und zieht nachdrücklich an, bis es fast sofort wieder in den harsch stehenden Begrenzer hagelt, der der Bauart ärgerlicherweise Rechnung tragen muss. Physik ist nun mal Physik. Was ein Ärger. So rühre Er Gänge! Mit Ausnahme des Fauxpas mit dem hinter Gleis 9¾ versteckten Leerlauf ist die Schaltbox eine große Kiste gut abgestimmter Gänge, die mit einem etwas hohlen Klicken an den Platz springen, den der Gott Italiens für sie vorgesehen hat. Seidig ist zwar anders und Gefühl wie Geräusch könnten noch ein bisschen satter sein, aber das ist Haarspalterei. Sobald die erste Kurve auftaucht, denkt man nie wieder an die Schaltung – und das ist alles, was es dazu zu sagen gibt.

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Bereits die ersten Gasstöße verraten, dass Sprit im Zylinder zu einer viszeralen Bewegung im Herz des Eisenpferds führt. Es reißt den Rumpf jedes Mal kurz nach rechts, wenn man die Peitsche schwingt. Was im Stand und auf der Geraden unterhaltsam ist, lässt einem am Aufstieg von scharfen Serpentinen durchaus die entscheidenden Teile in die Hose rutschen, wenn beim Beschleunigen bergan auf der sowieso schon in jeder Raumrichtung verdrehten Straße auf das Zucken des Motors hin das Heck plötzlich wegschwimmt. Mehr als gewöhnungsbedürftig, das.

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Weder den Federn noch der Schräglagenfreiheit kann man dabei irgendwas vorwerfen. Klar, es wäre wirklich langsam mal angebracht, dass progressive Federn zum Fabrikstandard an all diesen Motorrädern gehörten, aber was man als Regelleistung bekommt, besteht erfreulicherweise immerhin nicht aus eingeschmolzenen Coladosen. Die Guzzi kommt deutlich weiter runter als die meisten Mokicks in direkter Konkurrenz, was gerade bei besagten Steilserpentinen ein Segen ist. Ich bin mit dem Fahrwerk der V7 dennoch bis zum Ende nicht ganz warm geworden. Auch nach zwei Tagen zur verlängerten Vertrauensbildung war es mir nicht zuverlässig möglich, den Bock genau da in die Kurve zu stellen, wo ich ihn haben wollte. Wo bei meiner W800 nach drei Kurven zur Gewöhnung blindes Vertrauen in die absolute und unmissverständliche Zuverlässigkeit herrschte, war bei der V7 bis zum Schluss viel Konzentration notwendig. Leicht von der Hand gehen sieht anders aus, von Telepathie braucht man gar nicht zu reden anfangen. Einen nicht unerheblichen Anteil hat die Tatsache, dass das Mofa zwar weit runter geht, ohne dass irgendwas am Asphalt kratzt – sie will aber nicht. Die sich zierende Jungfrau aus Mandello del Lario muss wirklich mit Nachdruck gebeten werden.

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Den fantastischen Straßen Mallorcas tat das ganze keinerlei Abbruch. Ich hatte die gesamte Zeit ein Grinsen ins Portrait genagelt, dass der Bregen mit der Produktion der Endorphine kaum nach kam. Gerade die Küstenstraße von Andratx nach Norden über Estellenc bis Banyalbufar ist ein Kleinjungentraum in Asphalt. Die Ausblicke kann man ohne Umweg in den Katalog drucken. Und der Zustand der Straßen ist überraschenderweise fantastisch. Nur wenige Kurven halten ernsthafte Überraschungen bereit, was vermutlich der einzige Grund dafür ist, dass viele der motorradierenden Kollegen überhaupt zu Frau und Kind zurück kehren – wo viele Leute zusammen kommen, ist auch immer ein gerüttelt Maß an Deppen anwesend. Aber weder die wenigen faulen Eier noch die omnipräsenten Fahrradfahrer überall können einem eine der besten Motorrad-Erfahrungen verhageln, die man für Geld und gute Worte bekommen kann. Um zu zeigen, dass ich nicht nur aus heißem Eisen Hyperbolen schmiede: Mein Entschluss steht fest, nächsten Frühling zum ersten Motorradurlaub meines Lebens nach Mallorca zurück zu kehren. Ob ich aber wieder auf den Rücken des Adlers steigen werde – und ob ich mir eine V7 in die Garage stelle als eines der wenigen Motorrädern mit ernsthaftem Charisma und ABS, bis 2020 der Traum der luftgekühlten Twins endgültig ausgeträumt ist – das weiß ich noch nicht zu sagen.

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Phono-Vorverstärker – Modding einer Douk EAR 834P Kopie

Posted in Angewandte Wissenschaft, Getestet, Musik & Melodey, Röhrenverstärker, smile and look alive on 20. September 2018 by Herr Grau

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Prägeambel:

Meine Artikel zur Röhrentechnik liegen inzwischen mehr als fünf Jahre zurück, und das meiste, das ich damals gelernt habe, ist entweder vergessen oder unter Bergen neuen Wissens begraben. Ich bin recht zufrieden mit meinem Hifi-System, weshalb ich darüber nicht mehr allzu häufig nachdenke. Das einzige schwache Glied in der Kette war immer mein Phono-Vorverstärker, das Gerät, das das Signal vom Tonabnehmer des Plattenspielers entzerrt und auf einen für normale Verstärker nutzbaren Pegel bringt; er war nur als Interimslösung gedacht gewesen, bis ich meine selbstgebaute Vorstufe neu aufgebaut hätte. Vor einigen Wochen begann mein alter Yaqin MS-23B zu zicken und gab kurz darauf den Geist vollständig auf. Ein guter Zeitpunkt für das überfällige Eingeständnis, dass vor dem Hintergrund meiner mich zunehmend einnehmenden Arbeit der Neubau auf absehbare Zeit wohl nicht mehr passieren würde. Es musste also zeitnah eine dauerhafte Lösung gefunden werden.

Die Welt, soviel darf ich dem erstaunten Leser verraten, ist groß. Insbesondere die Welt der High Fidelity. Im Dschungel geschönter Testberichte und Jubileien von Amateuren sehr ondulierender Expertise geben sich hohe Kosten für Markennamen und Voodoo bei fraglicher Leistung die Hand. Der Weg im Unterholz ist mitunter schwer zu erkennen. Was macht da eine verwirrende Meinung mehr, dachte ich mir, und begann zu schreiben.

Als ersten Schritt grenzte ich die Suche auf Röhrenverstärker ein und schloss OP-Amps, also integrierte Verstärkerchips, in der Schaltung kategorisch aus. Anders als bei den Vollverstärkern gibt es von den von mir geschätzten hochwertigen chinesischen Firmen – vor allem Mingda Meixing – leider wenig bestechende Lösungen. Die Möglichkeiten der traditionellen Hersteller aus Europa kosten Arme, Beine und Erstgeborene. In kürzester Zeit hatte ich das Feld von unüberschaubar auf gar nichts eingegrenzt. Sieg auf ganzer Linie: Operation gelungen, Patient tot.

Auftritt: Douk EAR 834P

Und wie ich da so saß und nichts hatte als das Hemdchen, das ich am Leibe trug, da fielen auf einmal die Sterne vom Himmel. Genauer: Mir fiel eine sehr interessante kleine Information in die Hände. Die Firma EAR des englischen Hifi-Elektronik-Oberfachzauberers Tim de Paravinci, der schon für alle Firmen von Rang und Namen Schaltungen designt hat, stellt eine Phono-Vorstufe mit dem Namen 834P her, die einen inzwischen recht legendären Ruf hat. Es gibt sie in der ein oder anderen Form ungefähr schon seit Anno Domini 1327, sie wurde zigmal nachgebaut, modifiziert und kritisiert. Der Konsens ist, dass sie gut, aber nicht perfekt ist – insbesondere nicht in der von EAR dargereichten Form und vor allem nicht für den aufgerufenen Preis. Als ich vor zehn Jahren das erste Mal ernsthaft suchte, lag sie bei knapp 800€, was schon zu Backenaufblasen führte. Inzwischen werden über 1500€ für das Gerät aufgerufen, was einfach absurd ist. Das Platinendesign und der Aufbau der Stromversorgung sind entschieden nicht highest end, der Philosophie des Gründers folgend, dass Bauteilqualität und Layout bei einer gut designten Schaltung eine untergeordnete Rolle spielen. Es gibt sehr gute Platinen von Douk Audio bei eBay zu kaufen für denjenigen, der einen einfachen Selbstbau eines extrem guten Verstärkers wünscht. Was Douk Audio aber noch tut, ist den Verstärker in seiner verkauften Form für EAR zu fertigen. Der Chinese ist nicht blöd – er verkauft ihn unter eigenem Namen auch. Für ein Viertel des Preises. Entschuldigen Sie bitte, wenn ich laut lache.

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Der Gerät ist scheinbar fast baugleich mit der letzten Generation der EAR Vorstufe. Man findet sie nach kurzer Suche bei Ebay (Verkäufer: doukmall). Die Bestückung mit JJ Röhren und mittelmäßigen, aber durchaus tolerablen Bauteilen ist identisch. Mit 380€ für die reine MM-Version ist das ganze auch ausgesprochen angemessen bepreist. Wichtiger Hinweis: Die MC-Version NICHT kaufen, sondern das Geld sparen. Die Step-Up-Trafos beim Original von EAR gelten schon als nicht besonders gut – in der Douk Version sind es allerdings nur ganz billige Verstärkerschaltungen versteckt in zwei Trafogehäusen. Wer einen MC-Tonabnehmer hat, sollte dringend externe Step-Up-Trafos kaufen (z.B. Lundahl, Hashimoto, Sowter…). Oder man hält sich wie ich an sehr hochwertige MM- oder MI-Tonabnehmer und investiert das gesparte Geld in Immobilien oder Schnee aus dem Erzgebirge.

Für die knapp 400€ klingt der Verstärker ausgesprochen gut. Ich behaupte mal nach recht langer Recherche, dass das Preis-Krawumms-Verhältnis (der s.g. Paderborner-Quotient) seinesgleichen sucht. Aber das bessere ist ja bekanntlich der Feind des Guten. Also Deckel ab und fleißig den Lötstab geschwungen, denn die Schaltung bettelt quasi um Modifikationen.

Modifikation:

Es gibt einen Haufen Modifikationen im Netz zu finden, das bekannteste Guide hat Thorsten Loesch geschrieben (zu finden bei Romy The Cat). Man stellt allerdings als erstes fest, dass die Schaltung von dem überall zu findenden Schaltplan abweicht. Die Eingangsstufe hat einen FET als Cascode vor die erste Röhre geschaltet, um die Miller-Kapazität des Eingangs zu senken, was wiederum dem Frequenzgang zugute kommt. Das geht uns zum Glück nicht viel an, da es sich auf die Modifikationen nicht auswirkt.

Hier ist der ursprüngliche Schaltplan:

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Hier ist der Schaltplan, soweit ich ihn rekonstruieren konnte, mit den meisten Modifikationen (ohne RIAA):

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Und hier ist die Rückseite der Platine für Interessierte:

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Folgende Änderungen habe ich vorgenommen:

1. Die Koppelkondensatoren zwischen V1 und V2 (0,15uF / 400V) sowie zwischen V3 und Ausgang (1uF / 400V) sind wie immer neuralgische Punkte. Welche Kondensatoren die besten sind, ist eine Diskussion die so viel keinen Boden hat, dass man Neuseeland sehen kann, wenn man ganz gerade nach unten guckt. Jeder hochwertige Filmkondensator kommt in Frage. Ich habe mich an das Guide gehalten und Mundorf ZN verbaut.

2. Der Koppelkondensator und der Tiefpass zwischen V2 und V3 müssen weichen. Zwecks Stabilität kommt hier ein 100R Widerstand zum Einsatz, bei mir Kohlemasse von Allen & Bradley.

3. Alle Kondensatoren der B+ Versorgung (C8, C9, C10, C11 und C12) sollten durch hochwertige 100uF / 400V Elkos ersetzt werden (in meinem Fall Panasonic) und durch 1uF / 400V Folienkondensatoren gebypast werden (bei mir auch Panasonic, offensichtliche Alternative WIMA).

4. Die RIAA Entzerrung ist extrem wichtig. Ideale Werte sind C3 = 100pF, C4 = 300pF, R12 = 790k. Hier sollten die besten Bauteile mit den engsten Toleranzen eingesetzt werden. Ich habe Charcroft Silver Mica Kondensatoren und Shinkoh Tantal Widerstände eingesetzt. Etwas anderes als Silver Mica oder Polystyrol sollte man hier nicht nehmen (auf die Toleranz achten! 1% Maximum).

5. Der Kathoden-Kondensator von V2 sollte sehr hochwertig sein. Elna Silmic II 100uF / 16V ist wahrscheinlich die bestmögliche Lösung.

6. Die Heizungen werden zwischen den Pins 5 und 9 direkt mit kleinen WIMA 0,1uF / 63V überbrückt.

7. V3 wird gegen eine 12AT7 / ECC81 getauscht und alle Röhren werden aufgewertet. Welche Hersteller hier empfehlenswert sind, ist auch eine Diskussion für Leute mit viel Zeit und einer Liebe für endlose Geschichten. Ich denke, dass jede gute Röhre eine ordentliche Figur machen wird, sei es Telefunken, Siemens, GE, Philips, Ei, Mullard, Psvane… Ich habe Telefunken-Style Ei aus Vorkriegsfertigung in V1 und V2 und eine NOS Mullard CV4024 (12AT7) in V3 – das war gerade da und klingt gut.

8. Die Dioden D1 und D2 werden durch Vishay Ultra Fast Recovery Soft Switching ersetzt.

9. Wenn man enthusiastisch ist – man ist ja eh gerade dabei -, kann man die Eingangs- und Kathodenwiderstände gegen hochwertige Varianten (ich habe die albern teuren Amtrans verbaut) tauschen.

Update:
10. Ungefähr vier Monate nach dem Kauf hat sich das Volume Poti verabschiedet. Ein Kanal fiel gerne einfach mal aus. Da ich einen Vollverstärker mit Lautstärkeregler habe, brauche ich ihn nicht mehr. Er kann eliminiert werden, indem man weiß und pink einerseits sowie grau und blau andererseits kurz schließt. Schwarz ist Erde und wird nicht benötigt. Alternativ kann das No Name Poti durch ein 50k log Alps o.Ä. ersetzt werden.

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Wenn man das vorliegende Board nutzen will, ist das ungefähr die Länge und Breite der meines Erachtens sinnvollen Änderungen. Will man mehr, sollte man das leere Douk Board nutzen – es hat eine bessere Topographie und man hat vor allem die Möglichkeit, die Stromversorgung der Kanäle separat aufzubauen und eventuell ganz andere Netzteil-Lösungen zu realisieren, was sicherlich eine der größten Verbesserungen darstellen würde.

Fazit:

Schon ohne Modifikationen ist die Douk Kopie der EAR 834P meiner Meinung nach der Phono-Vorverstärker mit der besten Preis-Leistung im Bereich Röhrentechnik auf dem Markt. Mit ein paar guten Röhren klingt der Verstärker ab Werk bereits ausgesprochen gut. Modifikationen bieten sich aber geradezu an, diese sind an einem längeren Abend von jedem halbwegs versierten Elektroniker zu bewältigen und das Geld ist gut angelegt: Das Klangbild gewinnt deutlich an Emotionen, Offenheit, Lebendigkeit und Glanz. Was soll ich sagen: Die Stimme in meinem Kopf hat endlich aufgehört, auf eine bessere Phono-Vorstufe zu drängen – ein höheres Lob kann es wohl kaum geben.

Tubes

Testgeesst: Five Guys in Essen

Posted in Essen & Trinken, Geld gegen Essen - Restaurantnörgeleien, Getestet, smile and look alive on 3. Januar 2018 by Herr Grau

Eine der renommiertesten Burgerketten der USA –  direkt nach In&Out und Shake Shack – hat den Sprung nach Deutschland gemacht. Und natürlich ist es mal wieder der heißeste Jazz wo gibt. Barrack Obama ist ein Fan, ouh lala. Junge Menschen überschlagen sich, derdiedas Socialmedia glüht. Es soll sehr hochwertig machen, alles frisch und schön und fantastisch, dabei schnell und bezahlbar. Fast Food gone good. Wir kamen, das Wunder zu schauen.

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Der Burger war sehr ordentlich, der beste Fast Food Burger, den ich hier bis jetzt hatte. Die Buns könnten etwas mehr nach richtigem Brot schmecken. Die Patties sind natürlich dünn und well done, aber ich finde das absolut verständlich – und es passt zu diesem Typ Burger. Sie schmecken saftig und nach Muhhh. Die Toppings waren frisch, richtig dosiert und sehr lecker. Der Käse ist ein hochveredeltes, schmelzverstärktes Produkt, was nicht mehr als gut und richtig ist.

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Die Fritten sind in Ordnung, leider nicht mehr. Sie hätten fraglos krosser sein dürfen. Das ist das Problem mit frisch gemachten Fritten – im Winter werden sie leider schlechter, weil Winterkartoffeln einfach für Fritten nichts sind. Hier würde ich sagen: Besser gut gekauft als leicht suboptimal selbst gemacht. Die Portionsgröße wurde deutlich dadurch erhöht, dass die Tüte am Boden noch voller Fritten war. Die kleine Portion war dadurch absolut ausreichend. Majo und Ketchup gab’s von Heinz – gute Wahl. Selbstgemacht ist hier meiner Erfahrung nach immer schlechter. Einen Shake hab ich nicht probiert.

Es gibt nur eine Getränkegröße und unbegrenzte Refills. Insgesamt kein schlechtes Konzept, aber immer sofort ziemlich teuer. Die höchst modernen Automaten sind ziemlich Star Trek und geben einem nach Auswahl in einem Touchscreen-Menü alles aus der Cola Palette aus, was es nur gibt. Mindestens die Hälfte der Gäste ist allerdings heillos mit der Technik überfordert, weshalb es hier zu langen Wartezeiten kommt.

Apropos Wartezeit. Wir haben auf unsere zwei Burger mit Fritten gut und gerne zwanzig Minuten gewartet. Die gesamte Zeit steht man vor der Ausgabe und wartet mit allen anderen, dass die Nummer aufgerufen wird. Meine Herren, was für ein hochgradig schwachsinniges Konzept. Wenn die Nummern einfach auf einer Tafel angezeigt würden, könnte man sich einen Platz suchen und der arme Typ müsste sich nicht acht Stunden am Stück die Seele aus dem Leib brüllen.

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Letzter Punkt ist der Preis. Bacon Cheeseburger, kleine Portion Fritten und Getränk kamen auf 16,45€ (Burger 9,95€, Fritten klein 3,25€, Getränk 3,25€). Das ist mehr, als der lokale Hipster nimmt, der Fleisch und Gemüse von lokalen Bio-Bauern und das Brötchen vom lokalen Bio-Bäcker bezieht. Ziemlich happig.

Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass Brüste und Hintern nicht straffer, der Zwirn nicht plötzlich italienisch und der IQ nicht höher ist als vorher. Das Wunder blieb aus. Five Guys macht sehr ordentliches Essen, das Konzept nervt aber an einigen Stellen kräftig – und dafür ist das ganze einfach zu teuer. Halbe Wartezeit, 20% günstigerer Gesamtpreis, 95% weniger Geschrei und krossere Fritten – dann würde ich die Notenblätter für das Loblied aus dem Keller holen.