Archiv für Februar, 2019

Das chinesische Hackmesser als Universallösung für Zuhause – Chai Dao, Chukabocho, Chinese Cleaver

Posted in Angewandte Wissenschaft, Essen & Trinken, Getestet, Gute Dinge, Scharfe Messer, smile and look alive on 28. Februar 2019 by Herr Grau

Zusammen mit dem Aufkommen der Wegwerfkultur und dem Untergang der flächendeckenden Kochkompetenz im Rahmen der Emanzipation ist die Messerkultur in diesem unserem lauschigen kleinen Land zu einem kümmerlichen, schwelenden Häufchen Urdreck zusammen gefallen. Die einstige Messerschmiede der zivilisierten Welt, Solingen, produziert mit nennenswerter Ausnahme der Firma Robert Herder ausschließlich mediokres Blah, das zu den handgeschliffenen Messern, die es ablöste, zwar den Vorteil der industriellen Gleichförmigkeit und etwas günstigerer Preise hatte, leider war und ist der Schliff viel zu dick und der Stahl extrem mittelmäßig. Aus mir unerfindlichen Gründen machte man zwar über die Jahre an Griffen, Namen und Image herum, das Problem der enttäuschenden Klingen wird aber bis heute ignoriert. So wurden wir locker von den Japanern überholt, die den Finger am Puls der Zeit hatten und Stahl und Schliff ständig verbessern. So viel zu den Gründen, warum ich mit Anfang dreißig schon gefährliche Blutdruckspitzen habe und meine Nachbarn nachts manchmal ein lautes berserkereskes Toben aus meinen Kammern vernehmen.

Der Deutsche weiß leider trotz der wieder modern werdenden Begeisterung für Essen vom Messer immer noch fast nichts und hält in seiner Ignoranz die Solinger Firmen am Leben. Sie verramschen auf die Arbeitsplatten der deutschen Küchen einen Messerblock nach dem anderen, der dann dort stumpfer und stumpfer wird, bis jeder Dessertlöffel der Zwiebel ein größerer Feind ist. Die Messer für die Schneidaufgaben werden eher willkürlich gezogen – ohne jede Technik oder Schärfe ist der Unterschied ja nicht allzu groß. Gerade das schöne Geschlecht greift aus unbegründeter Angst gerne zu viel zu kleinen Messern und quält sich. Das ganze Spiel hat etwas von Flagellanten, die sich mit ihrem eitel beschützen Unwissen geißeln. Die Zeit der Sühne ist vorbei. Lasst uns endlich mit Freude kochen!

Wie ich nicht zu sagen müde werde, erledigt man mehr als 90% der Schneidaufgaben mit dem großen Kochmesser – damit ist ein europäisches Kochmesser / Gyuto oder ein Santoku gemeint. Dabei ignorieren wir, dass fast der gesamte asiatische Raum außerhalb von Japan ein anderes Universalmesser benutzt und damit ausgezeichnet zurecht kommt: Das chinesische Hackmesser, auch bekannt als Chinese Cleaver oder Chai Dao. In Japan ist das Messer als Chukabocho bekannt, hier werden sehr hochwertige Varianten hergestellt. Aber nicht zu schnell – was ist der Unterschied zum europäischen Kochmesser? Und warum behauptet der Mann, es könnte mein Küchenheil sein?

Das chinesische Kochmesser wird nicht zu Unrecht auch „Hackmesser“ (Cleaver) genannt. Auf den ersten Blick sieht es mit seiner oberflächlichen Ähnlichkeit zum Hackebeil vom lieben Metzger wie ein nicht handzuhabendes Ungetüm aus. Jetzt gilt es, keine Furcht zu zeigen und mutig zu schauen, ob nicht ein Prinz im Monster wohnt. Tatsächlich sind die Messer zwar hoch und fast viereckig, aber dennoch sehr dünn und leichter als gedacht. Das zusätzliche Gewicht arbeitet in erstaunlicher Art für einen, wenn man es richtig einsetzt. Die Messer haben die eigentümliche Charakteristik, selbst mit nur mittelmäßig scharfer Schneide sehr leicht zu schneiden.

Aller Anfang ist unbeholfen und so kommt man sich auch die ersten Minuten mit dem Chai Dao vor, als hätte man drei zusammen gebundene linke Hände. Die Messer sind nicht gut geeignet für den Wiegeschnitt, aber wenn man sich nach kurzer Zeit an den Zug-Druckschnitt und die Abmaße gewöhnt hat, fängt das Messer an zu fliegen. Dabei sticht vor allem die große Universalität heraus. Zwar ist das Parieren von Fleisch bei fehlender Spitze schwierig, aber mal ehrlich: wie oft macht man das als Hobbykoch? Vielleicht sollte man sich für einen Zehner ein Ausbeinmesser in die Schublade legen und das Thema abhaken. Dafür gewinnt man etliche Qualitäten dazu: Kräuter hacken ist deutlich effizienter als jemals zuvor, mit der geraden Vorder- und Rückseite kann man das Schneidgut aufnehmen wie mit einem Spachtel und man man Knoblauch und Ingwer einfach zerschlagen statt ihn fein zu hacken. Nicht zu vernachlässigen ist auch, dass man es wetzen und schleifen kann, bis man blau wird – es ist mehr als genug Material da. Und wie gesagt: Im Kernfeld, dem Zerkleinern von Gemüse und Fleisch, macht das Chai Dao einfach richtig Spaß – bei sehr hoher Effizienz. Wie alles auf der Welt ist es eine Geschmacksfrage, aber mir dämmert langsam, dass das chinesische Kochmesser rein objektiv wahrscheinlich das universellste und lustigerweise am leichtesten zu handhabende Kochmesser für den engagierten Koch ist. Mich wundert, dass sich diese Form anders als das eigentlich in fast allem benachteiligte Santoku kaum in Europa und den USA durchgesetzt hat – der Kreis der Enthusiasten ist klein.

Fehlt noch eine kleine Markenübersicht, sollte jetzt das Interesse geweckt sein. Es gibt die Messer in verschiedenen Größen und Dicken, vom dünnen Slicer (das was wir wollen) bis zum groben Hackebeil. Zwecks Einfachheit hat jeder Hersteller eine eigene, anders funktionierende Nomenklatur. War ja klar. Ein gutes Richtmaß für die Dicke ist das Gewicht pro cm2 Klingenfläche, da dies ungefähr mit der Dicke korrospondiert: Ein Bereich von 1,5g/cm2 bei Messern mit leichtem Griff und Steckangel bis 2g/cm2 bei Messern mit massiverem Griff und Flacherl.

Der Markt teilt sich in eher günstige chinesische Produkte, das mittelteure Feld japanischer Industrieware und hochwertige zumeist japanische handgemachte Chukabocho. Die Messer von CCK (1303 und 1302, Carbonstahl, ebay) und Shibazi (S-D1, rostfrei, Aliexpress) stellen einen sehr guten Einstieg dar und bieten im Preisrahmen von 30-70€ einen ausgezeichneten Wert fürs Geld. Die Verarbeitung ist für den Preis natürlich nicht besonders edel, aber da, wo es drauf ankommt, nämlich bei der Klinge, bieten die Messer erstaunlich viel fürs Geld. Ich habe ein CCK 1302, das ich hauptsächlich für meine Tests über die letzten sechs Monate eingesetzt habe und es ist wirklich erstaunlich schnitthaltig, scharf und pragmatisch. Ich habe dem Messer am Anfang einen Grundschliff verpasst und es seit dem nur auf dem Wetzstahl scharf gehalten mit ausgezeichneten Resultaten. Das Klingenprofil erlaubt sogar den flüssigen Übergang zum Wiegeschnitt.

Aber auch die Messer, die den Einstieg in den japanischen Markt bilden, bieten ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis: Das Suien VC (Carbonstahl, Japanesechefsknife.com) für 160$ + Versand ist inzwischen ein moderner Klassiker, der zwar eine etwas bauchigere Klinge hat, Stahl und Schliff gelten aber als außergewöhnlich gut. Auf der Seite der rostträgen Stähle gibt es Messer aus VG10 von Suien (210$ + Versand) und Tojiro (F-921, 116€ + Versand), wobei ich aus Kostengründen Tojiro deutlich bevorzugen würde, wenn ich unbedingt rostträge haben wollte – ich würde in dieser Preiskategorie aber dringend zum Suien VC raten.

Ein #6 von Sugimoto ist der Standard-Referenzpunkt, an dem sich jeder Cleaver messen lassen muss. Mit etwas Geschick ist dieser für ungefähr 300€ importierbar (hier). Bei fast allen Schmieden in Japan kann man Chukabocho in Auftrag geben, diese liegen dann zwischen 500 und 700€ (bspw Watanabe, 540€ plus Versand). Die sehr guten und recht bezahlbaren Messer von Ashi Hamono sind leider nur noch aus Amerika und der Schweiz erhältlich. Wie so oft liegt die vermutlich beste Lösung im hochpreisigen Segment direkt vor der Tür. Der großartige deutsche Messermacher Jürgen Schanz macht für ca. 300-350€ ein Chai Dao nach Wunsch aus SB1 (rostfrei) – das wäre auf jeden Fall meine persönliche Wahl, wollte ich mein CCK 1302 ersetzen.

German Heaven: Westfälische Erbsensuppe und Kartoffelsuppe

Posted in Essen & Trinken, German Heaven, smile and look alive on 14. Februar 2019 by Herr Grau

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Eine Freundin war krank und erzählte mir von der Erbsensuppe, die sie sich gekocht hatte. Gute teutsche Erbsensuppe – hatte ich seit drei Jahren nicht mehr. Also frisch ans Werk. 500g trockene Schälerbsen, eine Scheibe Sellerie, zwei Karotten, eine Petersilienwurzel und zwei große mehlig kochende Kartoffeln in kleinen Würfeln, eine Stange Porree, eine große rote Zwiebel und vier Frühlingszwiebeln in kleinen Ringen und ein 4cm Stück Speck mit Schwarte in Würfeln mit anderthalb Liter Gemüsebrühe und einem Liter Hühnerbrühe aufgießen. Bouquet Garni aus Petersilienstängeln, Lorbeer, Liebstöckel, Thymian und Rosmarin. Anderthalb, zwei Stunden köcheln lassen, Becher Sahne dazu, mit S&P abschmecken. Nach Bedarf mit Wasser verdünnen. Bockwurst darin warm werden lassen. Da lacht die westfälische Winterseele!

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Nach dem selben Rezept kann man auch Linsensuppe machen, einfach Erbsen durch Linsen ersetzen. Oder auch Kartoffelsuppe, wie ich mich direkt im Anschluss unter Beweis zu stellen anschickte. Ich wurde nämlich selber krank. Wer krank ist, braucht Suppe. Ich hatte noch alte mehlige Kartoffeln übrig, die langsam ziemlich schrumpelig wurden. Eintopf diente sich geradezu an.

Ich habe hier weniger Aufwand getrieben, denn mein allgemeiner körperlicher Erhaltungszustand lag etwas prall im Knick – trotzdem schmeckt das Ergebnis ausgezeichnet: Vier große Kartoffeln (1-1,5kg) in kleinen Würfeln, eine grob gehackte Metzgerzwiebel, eine Stange Porree in Ringen und 300g gegarter Speck in Würfeln mit Wasser überschichtet und 4 TL Gemüsebrühepulver dazu. Zwei Blätter Lorbeer und ein bisschen Liebstöckel und Thymian zusammen gebunden. Das ganze war ungefähr anderthalb Stunden auf dem Herd. Dann kam ein Becher Sahne dran und die Suppe wurde leicht anpüriert. Ein paar Stücke Speck zu pürieren ist großartig für den Geschmack. Bockwurst rein, einfahren. Ich hab auch noch die letzte Kelle Erbsensuppe mit dazu gegeben, weil das eine Sache ist, die Oma getan hätte. Gesund und lecker! Es geht schon wieder viel besser.

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