Die moderne Dusche – Gesänge von Irrwegen

Die Postmoderne hat uns viel bitterlich Leid beschoren, daran ist kein Zweifel. Der Wegbereitung des Bauhauses folgend wurde der Gedanke von der zweckorientierten Architektur auf den Trümmern der Nachkriegsjahre zu einem beispiellosen Ausdruck des deutschen Willens, Beton in eckige Form zu gießen. Kompromisslos und abwaschbar. Der alten Regel, dass auf Schlimmes meistens Schlimmeres folgt, wenn man nicht alle Beteiligten rechtzeitig an eine geeignete Kirche nagelt, war dieser Umstand für die Gegenbewegung der Postmoderne ein allzu fruchtbarer Boden. Der Stolz der deutschen Architekten lag wohl verletzt vor zu viel formschlüssigem Zweckbau darnieder und wie ein Humunkulus des zum Lächerlichen gediehenen Zerrbildes, das „Moderne Kunst“ ist, erhob sich das Ungetüm der Künstlerseelen in ebenjenen Bauplanern und kotzte uns das vor die Füße, was dieser Tage das Stadtbild all jener traurigen Orte prägt, die das nachhaltige Pech haben, Neubauten zu brauchen. Weiße Kubal-Trümmer mit optionalen Bunt-Zierapplikationen und Bauhaus-Geschmäckle, in ewigem inzestiösen Selbstbezug sich immerfort wiederholend. Bis zum Erbrechen und den dahinter liegenden Unendlichkeiten. Trinker kennen das Gefühl von den Abenden, die sich um warmen Korn drehen. Das Kernproblem dieser Architektur ist ein fast beispiellos klares Spiegelbild eines tiefen, wichtigen und zu wenig thematisierten gesellschaftlichen Irrweges: Würdevolles Altern wurde von einem Ideal ewiger Jugend abgelöst von einer Generation, die offenbar die geistige Reife von Kindern hat, die das Unausweichliche einfach nicht akzeptieren können und sich stattdessen in eine Perversion der Wirklichkeit flüchten. Der Traum von der ewigen Jugend, die Weigerung, sich mit dem ewigen Fortschreiten der Zeit und dem Älterwerden auseinander zu setzen, mündet in den Armen der Schönheitschirurgie, unpassender Mode und – von da aus ein kurzer Bogenschlag – bei Häusern, bei denen keiner daran gedacht hat, wie sie aussehen, wenn ein paar Jahre ohne ständige Renovierung ins Land gehen. Die Japaner haben eine ganze Denkrichtung (Wabi Sabi), die sich mit nichts anderem als der einzigartigen Schönheit der natürlichen Alterung und der Auslegung der Dinge auf ebendiese befasst. Ein englischer Landsitz – zurückhaltend gepflegt – wird mit jedem Jahr, Jahrzehnt, Jahrhundert besser. Die Gebäude aus den noch nicht lange zurückliegenden Anfängen der postmodernen Architektur sehen jetzt schon aus wie die Hure von Bitterfeld. Vor allem dem öffentlichen Träger mangelt es an Geld für den jährlichen Ablass beim Schönheitschirurgen.

Inmitten dieses Problems hat sich die Verranntheit der ganzen verdammten Fehlleistung auf eine einzige Sache heruntergekocht, die diese nicht besser auf den Punkt bringen könnte: Die moderne Dusche.

Früher geziemte es sich, dass Duschen mit Türen von dem Rest des Bades abgeschlossen wurden. Es war ohne weiteres möglich – beispielsweise für Lebenspartner, Familie oder ausgesuchte Kompagnons – sich in den Gefilden des Balineums aufzuhalten, ohne automatisch an dem Erlebnis der von oben geregneten Körperwaschung zu partizipieren. Die Entdeckung der offenen Dusche durch satanistische Kommunistennazis auf der dunklen Seite des Mondes führt allerdings dazu, dass diese althergebrachte Trennung aufgelöst ist: Alles duscht jetzt mit. Es ist in halbwegs sinnvoll dimensionierten Bädern ein Ding der Unmöglichkeit, nicht mitzuduschen, wenn jemand der von oben gewaschenen Körperhygiene fröhnt. Aus der Dusche entweicht, dem Prinzip der Physik gebunden, ein steter Sprühregen variierender Intensität. Das Duschen gewinnt handwerklichen Anspruch – eine unbedachte Bewegung und die ganze nächste Wand wird fontainiert. Der mangelnden handwerklichen Ausbildung von Kindern in unserer Generation ist wohl zu danken, dass diesem Problem mit der Einführung fester Duschköpfe begegnet werden musste – traditionell eigentlich eine Einrichtung von militärischen Kasernen, Gefängnissen und anderen Etablissements, wo das vollständige Waschen im Schritt nicht oberste Priorität hatte. Ein weiteres inhärentes Problem erhebt sich aus der fehlenden Duschtasse, die aus optischen Gründen gleichermaßen wegrationalisiert werden musste: Der Abfluss muss nicht einmal richtig zu sein, bereits eine leichte Reduktion der Abflussmenge reicht, um die minimale Gefälletiefe der Einfliesung zu überwinden und das sich dann ebenerdig wie mit offenen Beinen darbietende Bad zu fluten. Und natürlich müssen die Wände aus Klarglas sein, denn das sei nochmal mit der Kraft der Verzweiflung ventiliert: Die ganze Nummer hat ausschließlich optische Gründe. Ein Opfer jeder Praktikabilität zugunsten von Optik. Aber eben in bester Tradition schnellst vergänglich: Wer nicht nach jedem Duschen enthusiastisch auf seine Duschwände einrakelt und den Boden des makulierten Bades putzt, der wird von der herabfahrenden Hand des Kalkes gestraft – die Dusche sieht jetzt scheiße aus, von jetzt bis immerdar, oder zumindest, bis man sich zu einer größeren Putzaktion durchringt. Ich weiß, Duschen altern naturgemäß insgesamt nicht wie englische Landsitze, aber der Unterschied im Pflegeaufwand zwischen Klarglas und Tropfenglas ist immer noch eine ganze Magnitude.

Völlig verkonstruiert, das. Die technisch gesehen – von völliger Abschaffung von Duschwänden abgesehen, aber vermutlich werden wir auch das noch erleben – schlechtest denkbare Lösung wird akzeptiert, sogar hoch gelobt und in eitelem Eifer verteidigt für ein bisschen hochgradig flüchtige Optik. Hurra, Du schönes Deutschland.

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