Archive for the Probleme des Lebens Category

lastminute.de – Der pinke Betrug

Posted in Getestet, Probleme des Lebens on 27. November 2019 by bic_mac

Ich gestehe: Ich habe einen Fehler gemacht. Hätte ich doch nur auf Vati gehört. Der sagt immer: „Junge, billiges können wir uns nicht leisten!“ Diese von mir ursprünglich als etwas hochmütig empfunde Weisheit holt mich in meinem adoleszenten Leben ein ums andere mal ein. Jüngstes Beispiel: Ich lies mich von den grellen pinken Lichtern und den scheinbar günstigen Preisen von lastminute.de blenden und lief den Betrügern ungebremst ins Messer. Weiterlesen

So you have a child – Bedienungsanleitung für Kinder von einem alleinstehenden Arzt und Mitmenschen

Posted in Angewandte Wissenschaft, Probleme des Lebens, smile and look alive on 9. Dezember 2018 by Herr Grau

Lebensratgeber liegen voll im Trend. Und wie unsere durchlauchten Leser wissen, ist das bei mir alles, was zählt – im Trend liegen, der Mode folgen, hip sein. Das ist elaboriertes Geschwafel für: Meine wahren Motive bleiben im Halbdunkel – vielleicht habe ich ein paar Dinge zu viel erlebt, vielleicht will ich nur ein Memento für spätere Zeiten. Es mangelt fraglos nicht an Gründen für diese paar Zeilen zu einem der wichtigsten Themen, die das Leben zu bieten hat: Wie macht man mit Kind?

Um die Kritik vorweg zu nehmen: Ich habe keine Kinder. Ich habe keine Kinder in Aussicht. Ich bin alleinstehend. Und die generelle Qualität meines Charakters ist absolut zweifelhaft, denn ich mag in letzter Zeit teilweise sogar Countrymusik. Ich bin allerdings auch Arzt – zwar nicht in der Kinderklinik, aber in der Abteilung mit einem der größten Knotenpunkte zur Kinderklinik und deshalb viel mit Kindern und schlimmer: ihren Eltern konfrontiert. Ich habe als außenstehender Mitmensch den großen Vorteil, keine Betriebsblindheit zu entwickeln, sondern kann objektiv der Sache etwas zu nahe treten. Außerdem habe ich einen Sprengstoffschein und viele Bücher in meinem Regal fast fertig ausgemalt. Ich halte mich also wenigstens für mittelmäßig qualifiziert, die folgenden Zeilen gen Blatt zu lassen. Bitte verzeihen Sie den apodiktischen Tonfall von weit oben herab; er scheint mir angemessener als die ebenfalls unperfekten Alternativen.

Genauso wie Patienten erstaunlich viel Arzt vertragen, vertragen Kinder erstaunlich viel Eltern. Man kann verschiedenste bunte Wege mit den kleinen Rackern verfolgen, folgende Punkte in der Benutzung des Gesamtkindes sind aber zu beachten:

1. Kinder gehören geimpft. Die Leute in der Ständigen Impfkommission sind deutlich intelligenter als Sie und ich und machen einen wirklich guten Job. Sie verstehen davon mehr als Ihre Freundin Jenny, die letztens etwas von Tante Beate gehört hat. Wer seine Kinder nicht impft, begeht Körperverletzung nicht nur an seinem eigenen Kind, sondern auch an allen Kinder drum herum. Nein, Masern sind alles andere als ungefährlich. Nein, Impfungen machen keinen Autismus und ja, das ist sicher bewiesen. Impfungen sind die eine singuläre beste Erfindung der modernen Medizin, verantwortlich für mehr gerettete Leben und erspartes Leid als jede andere Entwicklung.

2. Übertriebene Hygiene ist kontraproduktiv. Wischen Sie die groben Trümmer vom Kind ab – desinfizierende Abwischtücher und Reinigungsmittel sind potentiell gefährlicher Unsinn. Lassen Sie den Kleinen Sand fressen. Sachen zu essen, die auf den Boden gefallen sind, sollte ungefähr mit dem Abschluss der ersten Berufsausbildung vollständig abgewöhnt sein – zumindest in der Öffentlichkeit.

3. Wer in der Schwangerschaft raucht (oder trinkt oder drogiert) oder seine Kinder vollraucht, sollte sich ernsthaft fragen, was bei ihm falsch läuft. Passiv rauchen ist erstaunlich gefährlich. Selbst wenn Sie draußen rauchen – Sie riechen danach und ihr Kind gewöhnt sich sowohl an den Geruch als auch an die Alltäglichkeit der Handlung und hat eine deutlich erhöhte Suchtgefahr. Das Kind ist dieser Grund, nachdem Sie immer gesucht haben, um aufzuhören. Gehen Sie zum Hausarzt, holen Sie sich Nikotin-Pflaster und eine Verhaltenstherapie. Es hat den zusätzlichen Vorteil, dass Sie zehn, zwanzig Jahre länger für ihr Kind da sein können.

4. Kinder brauchen eine vollwertige Ernährung. Ein Kind im Wachstum vegetarisch oder noch deutlich schlimmer vegan zu ernähren, ist Körperverletzung mit Vorsatz. Dies kann ohne weiteres irreversible Schäden insbesondere der Entwicklung von Hirn und Nervensystem nach sich ziehen – wir sehen solche Fälle mit trauriger Regelmäßigkeit in der Klinik. Limonade, Chips und Schokoriegel sind etwas für den Kindergeburtstag oder eine seltene Belohnung, nicht für jeden Tag. Regelmäßig Fast-Food und Lieferpizza sind keine standesgemäße Ernährung für Sie oder Ihre Kinder. Kleine Kinder brauchen keine Diät, wenn sie ein bisschen propper sind. Wenn größere Kinder zu dick werden, ist eine Reduzierung der Einfuhr und Sport angesagt. Fragen Sie Ihren Kinderarzt, ob das Kind zu dick ist, nicht die Hörzu, Tante Inge oder Fremde im Internet (wieder: Ich). Siehe hierzu auch Punkt 6.

5. Der wichtigste Punkt überhaupt, wichtiger als alles andere zusammen: Die größte Grausamkeit, die Eltern ihren Kindern antun können, ist, sie zu verwöhnen, nie nein zu sagen und keine klaren Grenzen aufzuzeigen. Das führt dazu, dass Kinder erwarten, dass ihnen alles zusteht und die Welt ihnen etwas schuldet. Tatsächlich ist die Welt aber voll von Steinen, schlecht stehenden Wänden, Frustrationen und harter Arbeit. Verwöhnte Blagen haben darin keinen Platz und sie gehen allen anderen furchtbar auf die Nerven. Sie werden auch selbst irgendwann sehr unglücklich, wenn sich Erwartungs- und Ergebnishorizont längerfristig nicht decken. Natürlich besteht meine Leserschaft aus einer elitären Auswahl der schönsten und intelligentesten Leute in diesem Land, mit strafferen Brüsten und beeindruckenderen Gemächtern als der breite Durchschnitt – als gute Faustregel gilt, dass Kinder trotzdem doppelt so clever sind und zehnmal so schnell lernen. Was lernen Sie, wenn Nörgeln zum Einknicken führt? Dass Nörgeln ein probates Mittel ist. Was, wenn es jedes Mal etwas extra gibt, wenn der Kleine nicht mag? Dass alle um ihn herumtanzen und man sich mit nichts abfinden muss. Was, wenn die Eltern sauer auf die anderen Kinder, Eltern und Lehrer werden, statt das Kind zu rügen und zum Entschuldigen und besseren Verhalten zu nötigen? Dass jedes Verhalten in Ordnung ist und Demut etwas für die anderen. „Nein“ ist das wichtigste Wort in der Erziehung, nicht „Ja mein Prinz, selbstverständlich mein Zuckerhasipups“.

6. Zu Punkten 4 und 5 ist zu sagen: Es bringt nichts, Kinder zu Essen zu zwingen, das sie nicht mögen oder wollen. Es gibt aber dann auch keine Extrawurst. Wenn der Bub den Spinat nicht will, dann eben nicht. Es gibt aber allenfalls als Ersatz ein Butterbrot, extra kochen für seiner Exzellenz extravagante Geschmacksknospen verbietet sich. Statt zu versuchen, die Kinder zu etwas zu überreden, ist es viel effektiver, es ihnen publikumswirksam vorzuenthalten. Ein „das schmeckt dir sowieso nicht, das ist etwas für Erwachsene“ ist hundert „Ach Schnucki, probier doch den Rauke-Granatapfel-Eintopf, der ist soooo lecker!“ wert.

7. Das gemeinsame abendliche Essen ist mutmaßlich der sinnvollste Kernpunkt eines Familienlebens.

8. Kinder müssen Selbstständigkeit und Selbstwirksamkeit lernen und dass man manchmal unangenehme Dinge tun muss, die dann später zu guten Ergebnissen führen. Dazu gehört, dass sie rennen, klettern, spielen, aus den Augen sind und sich weh tun. Mehr als ein Fahrradhelm ist übertriebene Liebesmüh, es wird Tränen und Pflaster geben, vielleicht bricht mal ein Arm. Alles besser als das behütete Aufwachsen in einer wohl gepolsterten Gummizelle. Geben Sie um Himmelswillen regelmäßig die Kontrolle ab – und damit meine ich nicht an andere möglicherweise kontrollwütige Erwachsene.

9. Kinder sollten lernen, wie sie mit Messern, Feuer und Strom umgehen. Das heißt nicht, dass sie davon fernbleiben, sondern sie selbstständig sicher nutzen können sollen. Ein fertiger Jugendlicher sollte eine Lampe anschließen, eine Steuererklärung machen, kleine Wunden verbinden und sich selbst aus rohen Zutaten einfache Dinge kochen können ohne sich umzubringen. Er sollte wissen, was an seinem Körper dran hängt und was drin ist, was die wichtigsten Dinge sind, die schief laufen können, wie man sie erkennt und wie man dann verfährt. Eine gute Allgemeinbildung und schlagfertige Eloquenz sind bester Freund und größte Waffe jedes Menschen in einer Welt, in der dies den meisten fehlt. Auch wenn das Kind sich so viel erlesen sollte, wie möglich, ist der klassische Vortrag genauso wichtig. So lernt das Kind mehrere vollständige Sätze am Stück und eine lebendige Dialektik. Es ist Ihre Aufgabe, dass die Kinder das lernen, die Schule hilft Ihnen dabei leider nicht. Wenn Sie es selbst nicht können, lernen Sie zusammen undoder suchen Sie die Hilfe von Onkeln, Tanten, Großeltern, Freunden, Bekannten oder netten Männern, die unter Brücken wohnen. Auch Betrug ist erlaubt – if you can’t make it, fake it: Lesen Sie vor dem Essen den Wikipedia-Artikel und tragen Sie dann vor.

10. Apropos Betrug: Sie sind dem Kind gegenüber wie in Punkten 6 und 9 angedeutet keinstenfalls zu fairem Spiel verpflichtet, lediglich zu verlässlichen Linien. Wenn Anthony Bourdain erzählt, wie er in Hörweite seines sich schlafend stellenden Kindes unüberhörbar von den Schandtaten und ekelerregenden Praktiken der bekannten Fastfood-Ketten flüsterte, dann ist das par für diesen Kurs. Die anderen spielen unfair und man selbst sollte gleichziehen. Alle Erziehung ist Manipulation; wer sich dessen bewusst wird, wird effizienter.

11. Unter den vielen befleißigungswürdigen Tätigkeiten für einen Jungmensch steht Musik ganz weit vorne. Es tut eine Blockflöte für die ersten Jahre. Danach soll das Kind selbst entscheiden, je nach Reife ist ungefähr nach der Grundschule ein guter Zeitpunkt zum Umstieg. Direkt  an zweiter Stelle steht das Lesen. Aus Büchern und dem Lesen selbst lernt ein junger Mensch Dinge von unschätzbarem Wert über sich selbst und die Welt. Um es mit Oga von Eisenstein zu sagen: „Lest! Sonst seid ihr verloren!“ (Rumo und die Wunder im Dunkeln, Walter Moers)

12. Ansporn zu übertriebenen Leistungen sind erstaunlicherweise meistens für die Endperson selten gut. Leistungssport (gilt in ähnlicher Form auch für anderen Fanatismus, z.B. in Musik, Schach, Ballett) macht den Körper kaputt, nimmt die Zeit für wichtige soziale Verbindungen und für das Lernen in der Breite, das im späteren Leben deutlich wichtiger ist, als auf Landesniveau Kugelstoßen zu können. Ein ewig zu hoher Anspruch an die Kinder ohne sichtbares Lob und Zäsuren erzeugt Menschen mit unstillbarem Ehrgeiz, die nie Zufriedenheit finden. Die Wochenpläne junger Menschen lesen sich teilweise wie die Kalender geschäftiger CEOs. Lassen Sie dem Kind Zeit, seinen Interessen nach zu mäandern – wo sollen sonst innerer Anspruch und Kreativität auch her kommen?

13. Unbedingte Liebe und Wertschätzung abseits der Verwöhnung sind essentiell für jedes Kind. Es sollte nicht die elterliche Anerkennung der wichtigste Antrieb für die geistige und körperliche Weiterentwicklung sein, sondern die Freude an den eigenen Möglichkeiten.

Und nun gehet hin und vermehret euch. Das größte Glück liegt, soviel wird mir glaubhaft versichert, im Auge eines Kindes.

Was ich in zehn Jahren in der Medizin über Ernährung & Gesundheit gelernt habe

Posted in Angewandte Wissenschaft, Essen & Trinken, Probleme des Lebens, smile and look alive on 13. September 2018 by Herr Grau

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Welchen Einfluss die Ernährung auf die Gesundheit hat, ist ein nie endendes Thema. Jeder interessiert sich ein Stückweit dafür – und entsprechend groß ist der Markt für Coaching, Literatur und Zaubermittelchen oder schlicht Leuten, die anderen ihre Meinung aufdrücken wollen (also .. ich). Erschwerend hinzu kommt, dass das Angebot an wissenschaftlichen Daten ein schier undurchschaubares Flickwerk ist; denn konklusive Ernährungsstudien sind aufgrund der riesigen Menge an beeinflussenden Faktoren bei der Analyse vorliegender Daten und der Unmöglichkeit kontrollierter Studien an Menschen im ausreichend großen Stil so derart schwierig, dass es kaum belastbare Aussagen gibt.

Ich bin jetzt seit über zehn Jahren in der Medizin und aufgrund meiner offensichtlichen Begeisterung für Essen an dem Thema natürlich sehr interessiert. Hier ist mein Zwischenfazit ohne Anspruch auf wissenschaftliche Beweisbarkeit:

1. Je weniger industriell verarbeitet desto besser. Je mehr man selbst aus Rohzutaten herstellt desto besser. Natürliche Fermentation scheint hilfreich, insbesondere bei Brot.

2. Jede Art von radikaler Ernährung ist schlecht. Zu viel ist einfach zu viel. Zu viel Alkohol, Fett, Fleisch, Salz, Zucker, Glutamat, Fertigessen, Essensmenge, ect. pp. Völliger Verzicht ist fast nie hilfreich. Man sollte sich nichts verbieten und gelegentlich auch schlemmen, aber sonst einfach bescheiden sein mit dem, was wir offensichtlich im Überfluss haben.

3. Zu fett sein ist sehr ungesund. „Fat Acceptance“ ist das letzte, was unsere Welt braucht. Ein kleines bisschen auf den Rippen ist nicht schlimm, aber nicht merklich zu viel. Die gesundheitlichen Konsequenzen sind mannigfaltig, durchschlagend und sie kommen absolut sicher und schneller als man denkt. Wenn es soweit ist, ist dann die Diagnostik und Behandlung bei Fettleibigkeit massiv erschwert. Schon ein bisschen Sport regelmäßig ist sehr hilfreich.

4. Zu oft übersehen: Glücklich sein, nicht zu viel Stress haben, Zeit mit Freunden und Familie verbringen, ist außergewöhnlich gesund.

5. Jede Wunderlösung ist gelogen. Jede. Quadratgelogen, wenn sie Geld kostet.

6. Jede Schlagzeile mit „Studie findet heraus…“ einfach nicht lesen. Mit Sicherheit, zumindest in der dargestellten Form, Mumpitz.

Worte und Dinge #20

Posted in Probleme des Lebens, smile and look alive on 11. Mai 2018 by Herr Grau

„Wissen Sie, was mit kleinen Jungs passiert, die zu viele Fragen stellen?  Sie bekommen Antworten – und das geschieht Ihnen ganz recht.“

– Anonymer dortmunder Arzt

Den Medizin nach Gewicht bezahlen – Eine Brandschrift gegen Qualitätssanktions-Idiotismus im Gesundheitswesen

Posted in Probleme des Lebens, smile and look alive on 30. Juli 2017 by Herr Grau

Unsere wohlfeile Regierung hat einen Haufen von selten güldener Strahlkraft auf meinen Teppich gesetzt: Es heißt landauf landab, das Krankenhaus würde jetzt nach Qualität bezahlt. Heureka, was für ein Geschäft! Es nötigt mir ein Spitzen des Füllhalters ab, und ich will mit blutig Tinte schreiben.

Was beim schnellen Vorbeihuschen an der Thematik als eigentlich gute Idee scheint, hat es nötig, in das beißende Licht aller noch zur Verfügung stehenden, aus Kellern und Scheunen gezerrten und vermittels unkoscherer Praktik ans Stromnetz gepopelten Flakscheinwerfer aus der Kammhuber’schen Weihnachtsbeleuchtung (a.D.) gestellt zu werden. Nimmt man sich nämlich nur wenige Sekunden Zeit, sich mit der Thematik zu beschäftigen, dann fallen einem vor Entsetzen alle Christbaumkugeln aus dem spärlichen Geäst. Ich habe ein paar Sekunden. Ich beschäftige. Und weil’s so schön ist – öffentlich.

Die Idee liest sich nämlich wie folgt: Es sollen nicht nur besondere Leistungsträger mit mehr Geld belohnt werden, es sollen auch Sanktionen verhängt werden gegen die Leistungsschwächeren unserer Krankeneinrichtungen. Was könnte daran nur zum Problem werden? Werfen wir einen kurzen Blick in unser durchschnittliches Wald-und-Wiesen-Krankenhaus, lies: Die Einrichtung, die den Löwenanteil der routinemäßigen Krankenversorgung in unserem lauschigen kleinen Teutschenland trägt. Ich selber arbeite in einem großen kommunalen Krankenhaus als Arzt, ich salbadere also nicht aus der Spekulier-Kiste.

Es fehlt an genau – allem. Wir haben überall zu wenig Pflegekräfte. Zu wenig MTAs. Zu wenig Stationshilfen. Massiv zu wenig. Und die werden auch immer noch katastrophal bezahlt. Die Einrichtung und die Immobilien müssten samt und sonders renoviert werden. Seit mehr als dreißig Jahren werden Krankenhausärzte so mies bezahlt und mit so unterirdischen Arbeitsbedingungen konfrontiert, dass sich den Dienst in kleineren Häusern außerhalb von Zentren kaum ein Arzt aus einem westeuropäischen oder angelsächsischen Land noch antun will. Dieses Problem ignorieren wir inzwischen schon so lange lautstark pfeifend und mit Fingers in den Ohren, dass auch in den oberen Rängen langsam aber sicher nichts mehr sitzt, von dem man noch sinnvoll lernen könnte, selbst wenn man denn wollte. Entsprechend müssen sich diese Krankenhäuser mit dem Import von Ärzten aus arabischen Ländern und „dem Ostblock“ behelfen, die weder eine ausreichende medizinische Ausbildung genossen haben, noch der deutschen Sprache für die Krankenversorgung ausreichend mächtig sind. Dies ist kein Einzelfall, das ist in kleinen Häusern inzwischen auf breiter Fläche die Regel. Dass die Qualität dabei leidet, wenn in der gesamten Notaufnahme kein einziger Assistent genügend Deutsch spricht, um auch nur herauszukriegen, dass Tante Erna aufs Knie gefallen ist, liegt nicht unbedingt fern.

Die deutschen Ärzte derweil, die wir für nicht wenig Geld an unseren formschönen Uniwerwietäten ausbilden, gehen über die Zentren direkt in die ambulante Versorgung oder machen sich einfach aus dem Staub. Die Welt ist kleiner als vor dreißig Jahren. Man weiß inzwischen, dass in Skandinavien oder Holland eine 40-Stunden-Woche tatsächlich aus 40 Stunden besteht. Potztausend, schockschwerenot. Die besagten Zentren übrigens wissen, dass sie die letzten sinnvollen Karriereoptionen für den aufstrebenden deutschen Arzt sind – und geben sich entsprechend. Arbeitsbedingungen werden teils noch garstiger, ob man sich das vorstellen kann oder nicht. Universitäts-Chirurgen arbeiten teilweise dreistellige Wochenarbeitszeiten. Oralchirurgen bezahlen inzwischen 50000€, um überhaupt an eine Ausbildungsstelle zu kommen. Ich habe etliche Kollegen, die entweder scharf am Burnout entlang balancieren, rechts runter gefallen sind oder frühzeitig ihre Arbeitszeit deutlich reduziert haben. Diese Zentren wollen wir denn belohnen, dass sie so erfolgreich mittels der vom Gottkanzler an die Hand gegebenen Druckmittel das Arbeitsrecht aushebeln. Geld ran!

Das kleine Krankenhaus, das einen riesigen nondeskripten Flecken Erde zwischen den Metropolen abdeckt – weit weg von Berlin, maßt man mut -, dem muss man das Geld natürlich wegnehmen. Sie liefern schließlich keine Qualität, die faulen Schweine. Dass das bisschen Krankenversorgung, was noch passiert, überhaupt noch möglich ist, hängt fast allenthalben an einzelnen Menschen, die sich wider jedem Verstand für die Patienten aufopfern. Ich finde auch nicht, dass die Butter unter ihrer Wurst verdient haben. Sollen sie doch Kartoffelschalen fressen, dann rütteln sie sich vielleicht wach aus ihrem Tran und machen endlich gute Arbeit.

In aller Kürze: Wir haben systematisch durch konsequente Unterfinanzierung bzw Fehlfinanzierung das Gesundheitssystem unterminiert, zersetzt und korrumpiert. Und jetzt bestrafen wir die Leute, die nicht mehr ordentlich arbeiten können, weil ihnen das Personal und das Geld für Personal und die Infrastruktur und das Material fehlt, damit, dass wir ihnen noch mehr Geld wegnehmen. Und die Kriegsgewinnler kriegen ein paar Scheine in den Schlüpper gesteckt, weil sich Prestige so gut in der Zeitung macht. Die Idee stammt offensichtlich von den selben Leuten, die das Konzept erzaubert haben, zu hohe Verschuldung von Staaten mit Geldstrafen zu belegen. Ich weiß gar nicht, wer den ganzen Lack bezahlt hat, den die alle gesoffen haben müssen – entschuldigen Sie bitte die unangebrachte Mäßigung meiner Wortwahl.

Achso, ich hätte es fast vergessen! Die Qualitätsanalysen, auf deren Basis gezuckert Brot und Peitschenknall verteilt werden, basieren auf Daten, die die Krankenhäuser selbst erheben müssen, was – und soviel darf ich aus Erfahrung verraten – ein ziemlicher administrativer Aufwand ist. Der natürlich unentgeltlich und zusätzlich zur regulären Arbeit den Ärzten zufällt. Wäre ja auch kein guter Witz, wenn nicht.

Die moderne Dusche – Gesänge von Irrwegen

Posted in Angewandte Wissenschaft, German Heaven, Probleme des Lebens, smile and look alive on 15. Juli 2015 by Herr Grau

Die Postmoderne hat uns viel bitterlich Leid beschoren, daran ist kein Zweifel. Der Wegbereitung des Bauhauses folgend wurde der Gedanke von der zweckorientierten Architektur auf den Trümmern der Nachkriegsjahre zu einem beispiellosen Ausdruck des deutschen Willens, Beton in eckige Form zu gießen. Kompromisslos und abwaschbar. Der alten Regel, dass auf Schlimmes meistens Schlimmeres folgt, wenn man nicht alle Beteiligten rechtzeitig an eine geeignete Kirche nagelt, war dieser Umstand für die Gegenbewegung der Postmoderne ein allzu fruchtbarer Boden. Der Stolz der deutschen Architekten lag wohl verletzt vor zu viel formschlüssigem Zweckbau darnieder und wie ein Humunkulus des zum Lächerlichen gediehenen Zerrbildes, das „Moderne Kunst“ ist, erhob sich das Ungetüm der Künstlerseelen in ebenjenen Bauplanern und kotzte uns das vor die Füße, was dieser Tage das Stadtbild all jener traurigen Orte prägt, die das nachhaltige Pech haben, Neubauten zu brauchen. Weiße Kubal-Trümmer mit optionalen Bunt-Zierapplikationen und Bauhaus-Geschmäckle, in ewigem inzestiösen Selbstbezug sich immerfort wiederholend. Bis zum Erbrechen und den dahinter liegenden Unendlichkeiten. Trinker kennen das Gefühl von den Abenden, die sich um warmen Korn drehen. Das Kernproblem dieser Architektur ist ein fast beispiellos klares Spiegelbild eines tiefen, wichtigen und zu wenig thematisierten gesellschaftlichen Irrweges: Würdevolles Altern wurde von einem Ideal ewiger Jugend abgelöst von einer Generation, die offenbar die geistige Reife von Kindern hat, die das Unausweichliche einfach nicht akzeptieren können und sich stattdessen in eine Perversion der Wirklichkeit flüchten. Der Traum von der ewigen Jugend, die Weigerung, sich mit dem ewigen Fortschreiten der Zeit und dem Älterwerden auseinander zu setzen, mündet in den Armen der Schönheitschirurgie, unpassender Mode und – von da aus ein kurzer Bogenschlag – bei Häusern, bei denen keiner daran gedacht hat, wie sie aussehen, wenn ein paar Jahre ohne ständige Renovierung ins Land gehen. Die Japaner haben eine ganze Denkrichtung (Wabi Sabi), die sich mit nichts anderem als der einzigartigen Schönheit der natürlichen Alterung und der Auslegung der Dinge auf ebendiese befasst. Ein englischer Landsitz – zurückhaltend gepflegt – wird mit jedem Jahr, Jahrzehnt, Jahrhundert besser. Die Gebäude aus den noch nicht lange zurückliegenden Anfängen der postmodernen Architektur sehen jetzt schon aus wie die Hure von Bitterfeld. Vor allem dem öffentlichen Träger mangelt es an Geld für den jährlichen Ablass beim Schönheitschirurgen.

Inmitten dieses Problems hat sich die Verranntheit der ganzen verdammten Fehlleistung auf eine einzige Sache heruntergekocht, die diese nicht besser auf den Punkt bringen könnte: Die moderne Dusche.

Früher geziemte es sich, dass Duschen mit Türen von dem Rest des Bades abgeschlossen wurden. Es war ohne weiteres möglich – beispielsweise für Lebenspartner, Familie oder ausgesuchte Kompagnons – sich in den Gefilden des Balineums aufzuhalten, ohne automatisch an dem Erlebnis der von oben geregneten Körperwaschung zu partizipieren. Die Entdeckung der offenen Dusche durch satanistische Kommunistennazis auf der dunklen Seite des Mondes führt allerdings dazu, dass diese althergebrachte Trennung aufgelöst ist: Alles duscht jetzt mit. Es ist in halbwegs sinnvoll dimensionierten Bädern ein Ding der Unmöglichkeit, nicht mitzuduschen, wenn jemand der von oben gewaschenen Körperhygiene fröhnt. Aus der Dusche entweicht, dem Prinzip der Physik gebunden, ein steter Sprühregen variierender Intensität. Das Duschen gewinnt handwerklichen Anspruch – eine unbedachte Bewegung und die ganze nächste Wand wird fontainiert. Der mangelnden handwerklichen Ausbildung von Kindern in unserer Generation ist wohl zu danken, dass diesem Problem mit der Einführung fester Duschköpfe begegnet werden musste – traditionell eigentlich eine Einrichtung von militärischen Kasernen, Gefängnissen und anderen Etablissements, wo das vollständige Waschen im Schritt nicht oberste Priorität hatte. Ein weiteres inhärentes Problem erhebt sich aus der fehlenden Duschtasse, die aus optischen Gründen gleichermaßen wegrationalisiert werden musste: Der Abfluss muss nicht einmal richtig zu sein, bereits eine leichte Reduktion der Abflussmenge reicht, um die minimale Gefälletiefe der Einfliesung zu überwinden und das sich dann ebenerdig wie mit offenen Beinen darbietende Bad zu fluten. Und natürlich müssen die Wände aus Klarglas sein, denn das sei nochmal mit der Kraft der Verzweiflung ventiliert: Die ganze Nummer hat ausschließlich optische Gründe. Ein Opfer jeder Praktikabilität zugunsten von Optik. Aber eben in bester Tradition schnellst vergänglich: Wer nicht nach jedem Duschen enthusiastisch auf seine Duschwände einrakelt und den Boden des makulierten Bades putzt, der wird von der herabfahrenden Hand des Kalkes gestraft – die Dusche sieht jetzt scheiße aus, von jetzt bis immerdar, oder zumindest, bis man sich zu einer größeren Putzaktion durchringt. Ich weiß, Duschen altern naturgemäß insgesamt nicht wie englische Landsitze, aber der Unterschied im Pflegeaufwand zwischen Klarglas und Tropfenglas ist immer noch eine ganze Magnitude.

Völlig verkonstruiert, das. Die technisch gesehen – von völliger Abschaffung von Duschwänden abgesehen, aber vermutlich werden wir auch das noch erleben – schlechtest denkbare Lösung wird akzeptiert, sogar hoch gelobt und in eitelem Eifer verteidigt für ein bisschen hochgradig flüchtige Optik. Hurra, Du schönes Deutschland.

Ein hassendes Wort zum Relativismus

Posted in Probleme des Lebens, smile and look alive on 2. Dezember 2014 by Herr Grau

[…][Es] lässt sich vortrefflich über die Grenzen der Definition streiten. Die eine Seite wird sich Engstirnigkeit unterstellen lassen müssen, während der anderen scheinbar der gesunde Menschenverstand für das Maßhalten fehlt. Ins Extrem getrieben wird auf ersterer Seite dann zunehmend kodifiziert, während die Relativisten die Grenzen immer weiter fröhlich strapazieren, bis man bei dekonstruierten [Dingen] angekommen ist, die mit dem Ausgangsprodukt wirklich überhaupt nichts mehr zu tun haben. Beides ist natürlich Realsatire. Dekonstruktionalismus macht sich genauso lächerlich wie der Versuch von Elitarismus und Kodifizierung in unserer Zeit.

Es gibt aber einen Unterschied: Dadurch, dass die Elitaristen eine bekannt gute Sache konservieren, ist die nie scheiße, sondern steigt eventuell sogar in der Qualität immer weiter (siehe japanische [Handwerks]-Tradition). Relativismus dagegen ist avantgardistisch progressiv und es liegt in der Natur der Sache, dass dabei viel Scheißdreck – keine Vulgärsprache, sondern Sprache für besondere Anlässe – entsteht; erfahrungsgemäß exorbitant mehr als Gutes. Praktisch gesprochen bekomme ich [im Traditionalismus] in hundert von hundert Fällen [ein fantastisches Produkt]. [Im Modernismus] dagegen bekomme ich für sehr viel Geld in allen Farben des Regenbogens oft schlecht, manchmal sogar grauenvoll und nur sehr selten sehr gut. Das ist der Grund, warum ich ungeniert und unermüdlich gegen den Relativismus angehe. Und wenn man sich in unserer Zeit damit lächerlich macht, dann ist das hinzunehmen in dem Bewusstsein, dass eine solche Gesellschaft sich wohl verirrt haben muss.

Das heißt nicht, dass ich nicht für Weiterentwicklung bin. Lediglich der Versuch von Revolution geht immer mit viel Krawumms in die Hose, das Geschichtsbuch lehrt’s einem. Ich plädiere für eine vorsichtige Evolution anstatt der skepitklosen Hochjubelung alles Neuen. Dafür ist es sinnvoll, das bisher Erreichte neidisch und hochgradig sketisch zu behüten und jede Neuerung gegen die Zeit zu testen. […] Und letztlich muss man sich dann fragen, ob die Neuerung den Aufwand wert ist. […][Wie] immer bekommt man mit zunehmendem Aufwand immer weniger Zugewinn für seine Arbeit. So könnte es gut sein, dass [ein] Punkt sich durchsetzen sollte; oder es könnte aber auch sein, dass er als technische Fingerübung taugt, in der realen Welt aber unsinnig aufwändig ist.[…]

– Ursprünglich ein Post über Fleischbrötchen

Günstiger Messerkoffer

Posted in Angewandte Wissenschaft, Probleme des Lebens, Scharfe Messer, smile and look alive on 8. Mai 2014 by Herr Grau

Es gibt einige Probleme, die einfach nicht verschwinden. Seit Jahren packe ich jedes mal, wenn ich meine Messer irgendwo mit hinschleppe, meine Messer einzeln ein und packe sie dann in eine Stofftasche. Im Angesicht meines bevorstehenden Umzugs fiel jetzt zwecks vorausschauender Schadensminimierung endlich die Entscheidung, dass ein Messerkoffer her musste. Es stellte sich ziemlich umgehend heraus, dass ich nicht reich bin und daher mundgezimmerte Köfferchen aus bei Vollmond von blinden Jungfrauen gegerbtem Dodo-Leder nicht so richtig drin waren. Das ganze muss doch auch günstig gehen. Nach langer Suche stieß ich endlich auf den perfekt dimensionierten und gleichzeitig bezahlbaren Alukoffer: Diesen Notebook-Koffer von Conrad für 29,99€ plus Schaumstoffmatte für 8,49€. Ein bisschen Arbeit und Liebe später – man muss den Notebookfirlefanz rausschneiden und den Schaumstoff zurichten – hat man einen Messerkoffer, in den sogar mein Lachsmesser (31cm) von der Länge und mein großes Gyuto von der Tiefe her hinein passt, aber dabei immer noch sehr flach und stabil ist. Und wenn man nicht so schlaftrunken ist wie ich und erst mal den halben Schaumstoff zerstört, bis man raus hat, wie man ihn am besten bearbeitet, kann man das ganze innen bestimmt auch richtig schön haben.

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Probleme des Lebens #19

Posted in Probleme des Lebens on 26. September 2013 by Herr Grau

Die Sonderausstellung zu Sex und Evolution im Museum wird mit „Mitmachstationen und Einbindung interaktiver Medien“ beworben.
Ein ganz normaler Tag in Deutschland.

Ein Offenbarungseid

Posted in Probleme des Lebens, smile and look alive on 12. September 2013 by bic_mac

Disclaimer: Dieser Artikel hat nichts mit kochen, trinken, schneiden, fliegen, oder anderen schönen Dingen zu tun. Es ist ein klassischer Rant, der am besten in pöbelesquer Stimmung genossen werden sollte.

Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich diesen Artikel schreiben soll. Da diese Zeile existiert ist es nun aber offenbar so, dass ich es schlussendlich tat. Und da sind wir auch schon beim Leitmotiv angekommen: die falsche Verwendung des Wortes offenbar durch deutschsprachige Medien. So wie oben gesehen ist es recht; ein Sachverhalt ist für jedermann leicht zu verstehen und erschließt sich auf den ersten Blick. Eigentlich nicht schwer, ist das Wort doch eigentlich ab Werk selbsterklärend – möchte man meinen.

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