Archive for the Angewandte Wissenschaft Category

Selbstgemacht: Fermentierte Sriracha Style Hot Sauce

Posted in Angewandte Wissenschaft, Essen & Trinken, smile and look alive on 9. August 2018 by Herr Grau

Wenn man mehr Chilis hat als man essen kann, weil man sie selbst anbaut, und scharfes Essen über alles liebt, liegt nichts näher, als selbst eine Hot Sauce herzustellen. Weder das eine noch das andere trifft auf mich zu. Ich bin auf dem Weg zum Klo falsch abgebogen und nur zufällig hier.

Das sind Chilis. Oder Paprikae. Oder die Dächer von Bologna. Ich kann das nicht so genau erkennen.

Bei mir fermentieren gerade verschiedenste illustre Dinge vor sich hin, meine Küche hat Anklänge des chaotischen Labors eines leicht derangierten Wissenschaftlers. Viele meiner Freunde sind ausgemachte Scharfesser, vor allem über die thailändische und indische Küche bin auch ich dem Charme des Capsaicins langsam näher gekommen. Insbesondere Saucen im Sriracha-Stil haben es mir in letzter Zeit doch angetan, also glatt pürierte fermentierte süßsaure Chilisaucen mit Knoblauch. Mit Mayonnaise zusammen eine der besten Sandwich-Saucen aller Zeiten und mit Mayo, Ketchup und Gurken-Relish undoder Gewürzen zusammen als s.g. „Comeback Sauce“ eine der suchterzeugendsten Burger-Saucen im bekannten Universum. Natürlich kann man die Sauce mit dem Hahn einfach preisgünstig im nächsten Asia-Laden erwerben. Aber warum kaufen, wenn man sie für den doppelten Preis auch selbst machen kann? Man nehme.

Ausgangsbasis sind 500g frische Chilis, dabei sollte man keine pervers scharfen Sorten nehmen. Alles nördlich von Habaneros ist auf jeden Fall Unsinn, würde ich mal behaupten, da sollte man auf Rezepte mit weniger Chili und mehr anderem abstellen. Und auch bei Habaneros würde ich zur Hälfte deutlich mildere Chilis beimischen, damit das wunderbare fruchtige Aroma der Sauce nicht von übertriebener Schärfe übertölpelt wird. Ich habe das ganze mit roten Jalapenos gemacht und die Sauce ist immer noch ordentlich scharf.

Mir ist keine sinnvolle Art eingefallen, Sauce zu fotographieren. Es ist eine rote Flüssigkeit. Muss ich genau meine rote Flüssigkeit zeigen? Den Unterschied merkt doch eh keiner. Deshalb heute mal ein freies Stock-Photo. Wunderschön.

Die Chilis werden von ihrem Stamm befreit und in grobe Stücke geschnitten. Mit 4-8 Knoblauchzehen, 2 EL von unserem eher flüssigen Lieblingshonig, 250 ml Ananassaft (auch Mango macht sich hier angeblich super) und 1 EL nicht jodiertem Salz (Meersalz) ordentlich glatt pürieren. In einem Gefäß unserer Wahl wird das ganze deponiert und verschlossen, dabei sollte mindestens 1/3 des Gefäßes oben frei bleiben. Wir können es verschließen, weil das ganze sowieso mindestens einmal am Tag geöffnet und umgerührt wird, wobei man am besten mit einem Silikonspatel die Seiten wieder sauber kratzt. Ansonsten fermentierende Dinge nie fest verschließen! Nach 5-7 Tagen wird das ganze mit 80 ml Apfelcider-Essig versetzt, nochmal kräftigst püriert, sodann durch ein feines Sieb in einen Topf passiert (kräftig ausdrücken, da hängt richtig was drin) und auf kleinster Flamme eingekocht, bis uns die Konsistenz gefällt. Die Reste im Sieb nicht wegwerfen, sondern im Ofen bei 80-100°C ca. 12 Stunden trocknen, damit kann man auch noch hervorragend würzen, das Zeug ist Gold. Die Sauce hält in ausgekochte Flaschen abgefüllt im Kühlschrank ziemlich lange.

Dieses Zeug schmeckt absolut hervorragend. Die fruchtige Note von der Ananas, die waldig-holzigen Aromen vom Honig, der Knoblauch und das fermentiert-süß-säuerliche Krachbumms der Chilis passt einmalig gut zusammen. Möglicherweise püriere ich das nächste Mal ganze Ananas oder Mango mit hinein. Die Version mit dem Saft ist deutlich weniger aufwändig, funktioniert aber auch super.

Selbstgemachte vietnamesische Mixed Pickles für jeden Tag – Đồ Chua

Posted in Angewandte Wissenschaft, Essen & Trinken, smile and look alive on 25. Juli 2018 by Herr Grau

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Ich hatte das Rezept für dieses gemischte eingemachte Gemüse in meinem eher unübersichtlichen Beitrag über Tafelspitz, Stielmuspüree und Mixed Pickles versteckt. Sie spielen aber eine immer größer werdende Rolle in meinem Koch-Alltag – wenn ich Gemüse übrig habe, wird es schnell zerkleinert und mit hinein geworfen. Eine Beilage für ein Stück Fleisch? Eine Grundlage für einen Salat? Eine Zugabe zu jedem Pfannengericht? Und natürlich: Was kommt jetzt auf jedes Sandwich? Rollsplitt! .. Äh, ich glaube, wir müssen den Teleprompter reparieren lassen… Genau: Mixed Pickles – wofür es aus mir unerfindlichen Gründen keine brauchbare Übersetzung gibt. Und weil sie so großartig und gleichzeitig so unglaublich schnell und einfach zu machen sind, verdienen sie ihren eigenen Beitrag.

In Südostasien sind fermentierte Güter allgegenwärtig, da Kühlung oft nicht zur Verfügung steht. In Vietnam habe ich sie sehr zu lieben gelernt – sobald das Hirn den etwas strengen Geruch mit dem unvergleichlichen Geschmack in Verbindung gebracht hat, ist es um einen geschehen.

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Die Mixed Pickles orientieren sich an dem Standardrezept für vietnamesische Every Day Pickles (Đồ Chua): Gemüse nach Wahl auf der Mandoline nicht zu dünn reiben – klassischerweise Rettich und Karotten, aber bei mir gerne auch Gürkchen, Radieschen, Chili, Schalotten und Zwiebeln, Frühlingszwiebeln, Kaiserschoten, Paprika und Fenchel – und pro 500g Gemüse mit einer Mischung aus 200 ml Reisessig, 1 l Wasser, 3 EL Zucker und 2 EL Salz übergießen – ich habe auch noch Senfsaat und Pfefferkörner zugegeben – und mindestens einen Tag stehen lassen. Je länger sie stehen, desto mehr Charakter entwickeln sie, denn auch wenn es sich nicht um eine vollständige Fermentation von vorne bis hinten handelt, so fermentiert das ganze doch, was sowohl an der Gasbildung als auch am Geschmack klar erkennbar ist. Also nicht zu lange stehen lassen, ansonsten werden sie irgendwann so charakterstark, dass die Schulpflicht eintritt und eine Steuererklärung nötig wird.

Wenn ich neues Gemüse in die Lake werfe, lasse ich alles zusammen ungefähr ein bis zwei Tage draußen stehen, dann kommt das ganze wieder zurück in den Kühlschrank, wo es sich ewig hält. Wenn man etwas enthusiastischer ist, kann man die Fermentation auch ohne Essig komplett ablaufen lassen. Der Versuch steht bei mir noch aus.

Review: Fujiwara FKM Gyuto 21cm

Posted in Getestet, Scharfe Messer, smile and look alive on 21. November 2016 by Herr Grau

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Es gibt einen guten Grund, dass ich mich sehr darauf gefreut habe, dieses Messer testen zu dürfen: Mit 78€ inklusive Versand und MwSt ist das 21cm Gyuto aus Fujiwaras FKM Serie eines der allergünstigsten modernen japanischen Messer am Markt – und es genießt einen vergleichsweise guten Ruf. Ich muss sagen: Ich finde es lustig, dass sich gerade eine Schwertschmiede mit jahrhunderte langer Tradition wie Fujiwara dafür entscheidet, den günstigsten Sektor des Marktes zu bedienen und damit den Ruf eines „Redneck Masamoto“ zu ernten. Nicht, dass das relevant für irgendwen wäre.
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Sous Vide, oder: Wie lauwarm Wasser die Welt revolutioniert

Posted in Angewandte Wissenschaft, Essen & Trinken, smile and look alive on 20. Juli 2016 by Herr Grau

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Jeder Foodie, Gourmand und Foodblogger dieser Welt weiß, was Sous Vide bedeutet – bei dem Rest der Welt kommt die Technik in schleichender Geschwindigkeit an. Dabei ist sie inzwischen mehr als bezahlbar – und es wird in Zukunft nur noch günstiger. Das Aufpoppen von etlichen stabförmigen Sous-Vide-Geräten ähnlicher Dimension, Leistung und Ausstattung in US-Amerika sagt mir, dass mit großer Wahrscheinlichkeit irgendwo in Asien ein Baustein aus Pumpe, Elektronik und Heizelement gebaut wird, sodass Discount-Angebote nur noch eine Frage der Zeit sind. Die Einzelteile kosten schließlich immerhin mehrere Pfifferlinge und einen Knopf.

Wat isse denn nu diese kompliziert klingende Sache mit dem reto-lettischen Namen? In aller Kürze: Nicht mehr als lauwarm Wasser. Ich kann die Enttäuschung spüren, aber halt! Es kommt noch mehr. Es hat auch noch einen Plastikbeutel. Posaunen, Zimbelschlag, Revolution!

Es ist schon einige Jahrzehnte her, dass der talentierte junge Herr Joël Robuchon für die französische Bahn ein neuartiges Konzept ersann, Essen in großen Mengen zuverlässig frisch und schön vor Ort mit den beschränkten Möglichkeiten eines Zuges herzustellen. Dabei kommen zwei Gedanken zusammen: Fast jede Zutat hat eine ideale Zubereitungstemperatur und diese entspricht in den seltensten Fällen der von kochendem Wasser. Dinge aber nun einfach so in lauwarmem Wasser ziehen zu lassen, führt zum anovaAuskochen der ganzen schönen Geschmacksstoffe und zum Eindringen von relativ geschmackarmem Wasser in die Zutaten. Robuchon trennte kurzerhand Speise von Wasser vermittels Plastikbeutel und setzte die Zutaten unter Vakuum. Voilà, wie er wohl gesagt haben wird – Sous Vide.

Das ganze Potential der Technik wird einem erst klar, wenn man sich des Genies anderer Leute bedient. Man kann so gut wie alles Sous Vide zubereiten, und dabei vieles – und hier knackt der Punkt hörbar – auf andere Weise als mit herkömmlichen Methoden. Insbesondere Proteine profitieren davon immens, denn Eiweiß hat häufig einen sehr kleinen Bereich, indem das Gleichgewicht der temperaturbedingten Änderungen just perfekt ist. Wenn man von außen mit sehr großer Hitze darauf einkocht, so jongliert man immer mit Temperaturgefällen. Und wie es sich mit der Jonglage nunmal so hat, so wird’s mal besser, mal schlechter. Ohne genau zu wissen, was man tut, dem richtigen Werkzeug, jeder Menge Aufmerksamkeit – und nicht zuletzt Fortunas leitender Hand – ist es Essig mit der Glocke.

In einfachen Worten gesprochen heißt das: Das erste, was der frisch getaufte Besitzer eines Sous-Vide-Apparatus macht, ist Steak oder Ei. Ich erwarb ein Produkt der Firma Anova und habe es die letzten vier Wochen wenig bereut. Wie haltbar der Prengel am Ende ist, wird sich erst noch zeigen. Bis dahin bringt der völlig unsuggestive Stab bis zu 25L Wasser auf eine gleichmäßige beliebige Temperatur – mehr, wenn die Isolierung gut ist – und ist damit auch für die Zubereitung größerer Mengen Nahrung geeignet. Nach einigen sehr vielversprechenden Versuchen mit Eiern aus der benachbarten Waltroper Heide stellten sich dann endlich dieser Tage ausreichend große Mengen Fleisch ein.

steakguideDas eingeschweißte (oder in einem maximal luftentleerten Zip-Lock-Beutel gepackte) Fleisch wird in das aufgewärmte Wasserbad gegeben und dort vollständig und gleichmäßig durchgegart. Danach wird aus der Folie befreit, abgetrocknet und vermittels hoher Hitze mit einer Kruste versehen. Im Detail ist viel Luft für Selbstverwirklichung: Die Temperatur hängt am gewünschten Gargrad, die Art der Krustenerzeugung spannt von Pfanne über Gasbrenner und Grill bis Rost über einem Anzündkamin. Über die Zeit im Wasserbad werden herzblütige Diskussionen geführt, dabei ist die Regel: Je länger das Fleisch gart, desto mehr Bindegewebe wird zersetzt und desto zarter wird das Fleisch. Mehr ist hier nicht automatisch besser – ab einem gewissen Punkt fehlt dem Steak merklich der Biss. Für Cuts mit mehr Bindegewebe wie Rump oder Entrecôte sind 3h eine gute Ausgangsposition; Fleischstücke mit wenig Bindegewebe wie Filet, Onglet oder Flank brauchen nicht mehr als 1-2h, kürzer ist oft kein Problem. Ich salze das trockengetupfte Fleisch vor dem Bräunen kräftig, so wie es auch beim dem Geschäft des herkömmlichen Steakbratens empfehlenswert ist. Gepfeffert wird erst nach der Pfanne, um den Pfeffer nicht zu verbrennen.

Zu welch eisenerweichend herrlichen Ergebnissen die Kombination aus einem banalen Wasserbad und einer höllisch heißen Wollpfanne unter Einbringung von Butterschmalz führt, zeigen folgende Bilder von einem Dry Aged Irish Tomahawk (3h, 55°C) und einem Dry Aged Irish Hanging Tender (2h, 53,5°C). Dazu ein paar willige Kroketten, Pfannensauce aus Fond und selbstgemachtem Rotweinessig und ein bisschen sporadischer Feldsalat.

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Review aus fünf Blickwinkeln: Kanetsugu Pro M Gyuto 180mm

Posted in Getestet, Scharfe Messer, smile and look alive on 12. Februar 2016 by Herr Grau

Eine ungeschriebene Regel der Kaufberatung besagt, möglichst nur Empfehlungen zu Messern abzugeben, die man selber kennt, daher haben wir beschlossen, in unregelmäßigen Abständen untereinander Kochmesser zu verleihen, um nicht jedes Messer von Interesse kaufen zu müssen. Wie hier angekündigt, gibt es fünf Meinungen zu einem Messer, von Amateuren als auch von Profiköchen.

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Kanetsugu bietet mit dem Pro M eine sehr bezahlbare (85€ inkl. Versand und MwSt für das 21er Gyuto) Messerserie aus japanischem Standardmesserstahl an, die mich hochgradig interessiert hat, da die Klingen einen exzellenten Ruf genießen. Wie sich herausstellte, gilt für dieses Messer uneingeschränkt der Satz: “Verdammt – es ist nicht alles perfekt.”

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Die moderne Dusche – Gesänge von Irrwegen

Posted in Angewandte Wissenschaft, German Heaven, Probleme des Lebens, smile and look alive on 15. Juli 2015 by Herr Grau

Die Postmoderne hat uns viel bitterlich Leid beschoren, daran ist kein Zweifel. Der Wegbereitung des Bauhauses folgend wurde der Gedanke von der zweckorientierten Architektur auf den Trümmern der Nachkriegsjahre zu einem beispiellosen Ausdruck des deutschen Willens, Beton in eckige Form zu gießen. Kompromisslos und abwaschbar. Der alten Regel, dass auf Schlimmes meistens Schlimmeres folgt, wenn man nicht alle Beteiligten rechtzeitig an eine geeignete Kirche nagelt, war dieser Umstand für die Gegenbewegung der Postmoderne ein allzu fruchtbarer Boden. Der Stolz der deutschen Architekten lag wohl verletzt vor zu viel formschlüssigem Zweckbau darnieder und wie ein Humunkulus des zum Lächerlichen gediehenen Zerrbildes, das „Moderne Kunst“ ist, erhob sich das Ungetüm der Künstlerseelen in ebenjenen Bauplanern und kotzte uns das vor die Füße, was dieser Tage das Stadtbild all jener traurigen Orte prägt, die das nachhaltige Pech haben, Neubauten zu brauchen. Weiße Kubal-Trümmer mit optionalen Bunt-Zierapplikationen und Bauhaus-Geschmäckle, in ewigem inzestiösen Selbstbezug sich immerfort wiederholend. Bis zum Erbrechen und den dahinter liegenden Unendlichkeiten. Trinker kennen das Gefühl von den Abenden, die sich um warmen Korn drehen. Das Kernproblem dieser Architektur ist ein fast beispiellos klares Spiegelbild eines tiefen, wichtigen und zu wenig thematisierten gesellschaftlichen Irrweges: Würdevolles Altern wurde von einem Ideal ewiger Jugend abgelöst von einer Generation, die offenbar die geistige Reife von Kindern hat, die das Unausweichliche einfach nicht akzeptieren können und sich stattdessen in eine Perversion der Wirklichkeit flüchten. Der Traum von der ewigen Jugend, die Weigerung, sich mit dem ewigen Fortschreiten der Zeit und dem Älterwerden auseinander zu setzen, mündet in den Armen der Schönheitschirurgie, unpassender Mode und – von da aus ein kurzer Bogenschlag – bei Häusern, bei denen keiner daran gedacht hat, wie sie aussehen, wenn ein paar Jahre ohne ständige Renovierung ins Land gehen. Die Japaner haben eine ganze Denkrichtung (Wabi Sabi), die sich mit nichts anderem als der einzigartigen Schönheit der natürlichen Alterung und der Auslegung der Dinge auf ebendiese befasst. Ein englischer Landsitz – zurückhaltend gepflegt – wird mit jedem Jahr, Jahrzehnt, Jahrhundert besser. Die Gebäude aus den noch nicht lange zurückliegenden Anfängen der postmodernen Architektur sehen jetzt schon aus wie die Hure von Bitterfeld. Vor allem dem öffentlichen Träger mangelt es an Geld für den jährlichen Ablass beim Schönheitschirurgen.

Inmitten dieses Problems hat sich die Verranntheit der ganzen verdammten Fehlleistung auf eine einzige Sache heruntergekocht, die diese nicht besser auf den Punkt bringen könnte: Die moderne Dusche.

Früher geziemte es sich, dass Duschen mit Türen von dem Rest des Bades abgeschlossen wurden. Es war ohne weiteres möglich – beispielsweise für Lebenspartner, Familie oder ausgesuchte Kompagnons – sich in den Gefilden des Balineums aufzuhalten, ohne automatisch an dem Erlebnis der von oben geregneten Körperwaschung zu partizipieren. Die Entdeckung der offenen Dusche durch satanistische Kommunistennazis auf der dunklen Seite des Mondes führt allerdings dazu, dass diese althergebrachte Trennung aufgelöst ist: Alles duscht jetzt mit. Es ist in halbwegs sinnvoll dimensionierten Bädern ein Ding der Unmöglichkeit, nicht mitzuduschen, wenn jemand der von oben gewaschenen Körperhygiene fröhnt. Aus der Dusche entweicht, dem Prinzip der Physik gebunden, ein steter Sprühregen variierender Intensität. Das Duschen gewinnt handwerklichen Anspruch – eine unbedachte Bewegung und die ganze nächste Wand wird fontainiert. Der mangelnden handwerklichen Ausbildung von Kindern in unserer Generation ist wohl zu danken, dass diesem Problem mit der Einführung fester Duschköpfe begegnet werden musste – traditionell eigentlich eine Einrichtung von militärischen Kasernen, Gefängnissen und anderen Etablissements, wo das vollständige Waschen im Schritt nicht oberste Priorität hatte. Ein weiteres inhärentes Problem erhebt sich aus der fehlenden Duschtasse, die aus optischen Gründen gleichermaßen wegrationalisiert werden musste: Der Abfluss muss nicht einmal richtig zu sein, bereits eine leichte Reduktion der Abflussmenge reicht, um die minimale Gefälletiefe der Einfliesung zu überwinden und das sich dann ebenerdig wie mit offenen Beinen darbietende Bad zu fluten. Und natürlich müssen die Wände aus Klarglas sein, denn das sei nochmal mit der Kraft der Verzweiflung ventiliert: Die ganze Nummer hat ausschließlich optische Gründe. Ein Opfer jeder Praktikabilität zugunsten von Optik. Aber eben in bester Tradition schnellst vergänglich: Wer nicht nach jedem Duschen enthusiastisch auf seine Duschwände einrakelt und den Boden des makulierten Bades putzt, der wird von der herabfahrenden Hand des Kalkes gestraft – die Dusche sieht jetzt scheiße aus, von jetzt bis immerdar, oder zumindest, bis man sich zu einer größeren Putzaktion durchringt. Ich weiß, Duschen altern naturgemäß insgesamt nicht wie englische Landsitze, aber der Unterschied im Pflegeaufwand zwischen Klarglas und Tropfenglas ist immer noch eine ganze Magnitude.

Völlig verkonstruiert, das. Die technisch gesehen – von völliger Abschaffung von Duschwänden abgesehen, aber vermutlich werden wir auch das noch erleben – schlechtest denkbare Lösung wird akzeptiert, sogar hoch gelobt und in eitelem Eifer verteidigt für ein bisschen hochgradig flüchtige Optik. Hurra, Du schönes Deutschland.

Hinweise zum Kauf von Messern für Metzgerei und Fischzerlegung

Posted in Scharfe Messer, smile and look alive on 7. April 2015 by Herr Grau

Ich bekomme immer wieder Fragen zu Zerlegemessern, die von meinem Artikel zum Küchenmesserkauf nicht abegedeckt sind. Deshalb hier mal der Versuch einer Antwort auf die meisten dieser Fragen – aus Faulheitsgründen eine direkte Kopie einer meiner Forenbeiträge.

Ich trenne immer zwischen Koch- und Fleischermesser, weil die Anforderungsprofile grundsätzlich gegensätzlich sind. Bei einem Kochmesser suche ich ein härteres, möglichst dünnes Messer mit einem schönen Griff; ich schneide hauptsächlich Gemüse und greife im Zangengriff (Pinch Grip). Beim Zerlegen von Fleisch und Fisch sieht alles ganz anders aus. Die Klingen müssen viel aushalten, weshalb ich einen zähen, nicht besonders harten Edelstahl bevorzuge. Sie sollten deshalb auch nicht dünn sein – bei Fleisch sowieso irrelevant – sondern gerne recht solide. Weiter muss der Griff, der mit der ganzen Faust umschlossen wird, sehr sicher in der Hand liegen und gut abwaschbar sein. Ich bevorzuge daher für dieses Feld Zerlegemesser von Dick, Giesser oder Victorinox. Da diese Messer quasi nichts kosten, kann man sie mit einem sehr aggressiven Stahl auf Gebrauchsschärfe halten und kauft eben neue, wenn sie ausgezehrt sind. Also: Statt neues Messer einen Sieger Longlife oder einen Stahl mit Diamant- oder Saphirzug kaufen und kräftig wetzen.

dickergoNoch ein Spökskes, weil es meinen Punkt schön untermauert:
Warum für Fleischerei – und dazu gehört auch Fischzerlegen – günstige, solide, rostfreie Messer meines Erachtens die richtige Wahl sind, wird hiervon gut illustriert: Einer der besten, wenn nicht der beste „Fish Butcher“ auf der Bildfläche, Justo Thomas von La Bernadin, benutzt rostfreie deutsche Messer. Der Mensch filletiert am Tag 350 bis 500 Kilogramm Fisch. Wenn er im Urlaub ist, müssen drei gut ausgebildete Sous Chefs einspringen, um seine Arbeit zu schaffen. Bourdain schreibt zu seinen Messern in dem fantastischen Kapitel „My Aim Is True„*:

Zu Deutsch:

Messerreview: Masamoto HC Gyuto 21cm

Posted in Scharfe Messer, smile and look alive on 12. März 2015 by Herr Grau

Eine ungeschriebene Regel der Kaufberatung besagt, möglichst nur Empfehlungen zu Messern abzugeben, die man selber kennt, daher haben wir beschlossen, in unregelmäßigen Abständen untereinander Kochmesser zu verleihen, um nicht jedes Messer von Interesse kaufen zu müssen. Wie hier angekündigt, gibt es fünf Meinungen zu einem Messer, von Amateuren als auch von Profiköchen.IMAG0455IMAG0457

Das erste Messer, das ich im Rahmen dieses Messerzirkels reviewt habe, ist eines, das ich mit großer Ungeduld erwartet habe: Das Masamoto HC ist das hochwertigste Messer im westlichen Stil, das der Traditionshersteller in Carbonstahl anbietet. Masamoto hat den Ruf, exzellent ausbalancierte Messer ohne spezifische Schwächen herzustellen; andererseits hatte die Firma zeitweise Probleme mit der Qualität des Finishs. Es ist also höchst spannend, wie dieses Messer sich in der Praxis zeigt.

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Review aus 5 Blickwinkeln: Misono UX10 24cm Gyuto

Posted in Scharfe Messer, smile and look alive on 11. März 2015 by Herr Grau

Eine ungeschriebene Regel der Kaufberatung besagt, möglichst nur Empfehlungen zu Messern abzugeben, die man selber kennt, daher haben wir beschlossen, in unregelmäßigen Abständen untereinander Kochmesser zu verleihen, um nicht jedes Messer von Interesse kaufen zu müssen. Wie hier angekündigt, gibt es fünf Meinungen zu einem Messer, von Amateuren als auch von Profiköchen.

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Das UX10 war lange Zeit ein mythisches Tier, das nie jemand in deutschen Landen auch nur zu Gesicht bekommen hatte. Aber: The times, they are a-changing. Hiroshi Horie vom japan-messer-shop hat das Messer inzwischen im Sortiment, das die oberste Kategorie in Misonos Sortiment bildet. Und glücklicherweise hat einer unserer sympathischen Wahnsinnigen ihn auch mit sehr viel Geld beworfen um sich in den Besitz eines solchen Messers zu setzen, sodass ich es jetzt ausgiebig auf der Hausstrecke testfahren konnte. Ich war sehr interessiert, wieviel Gegenwert das Einhorn für seinen doch recht ausartenden Preis (240€ für ein 21cm Gyuto, 285€ für das hier getestete 24cm-Messer) bietet. Zeit zum Anblasen.

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Review aus 5 Blickwinkeln: Tadafusa Santoku 165mm

Posted in Scharfe Messer, smile and look alive on 9. März 2015 by Herr Grau

Eine ungeschriebene Regel der Kaufberatung besagt, möglichst nur Empfehlungen zu Messern abzugeben, die man selber kennt, daher haben wir beschlossen, in unregelmäßigen Abständen untereinander Kochmesser zu verleihen, um nicht jedes Messer von Interesse kaufen zu müssen. Wie hier angekündigt, gibt es fünf Meinungen zu einem Messer, von Amateuren als auch von Profiköchen.

IMAG1086Ich mochte Tadafusa nie. Ich finde zur Show aufgebrachte Hammerschlagoptik nicht begeisternd und auch Holzzwingen chronisch hässlich. Von den Klingen hatte ich aber viel Gutes gehört. Jetzt musste ich mir die Frage gefallen lassen, ob ich das Messer weiter furchtbar finden durfte oder dieser Tage an mit gespaltenem Herzen würde leben müssen.
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