Archive for the Angewandte Wissenschaft Category

Sous Vide, oder: Wie lauwarm Wasser die Welt revolutioniert

Posted in Angewandte Wissenschaft, Essen & Trinken, smile and look alive on 20. Juli 2016 by Herr Grau

IMAG1874

Jeder Foodie, Gourmand und Foodblogger dieser Welt weiß, was Sous Vide bedeutet – bei dem Rest der Welt kommt die Technik in schleichender Geschwindigkeit an. Dabei ist sie inzwischen mehr als bezahlbar – und es wird in Zukunft nur noch günstiger. Das Aufpoppen von etlichen stabförmigen Sous-Vide-Geräten ähnlicher Dimension, Leistung und Ausstattung in US-Amerika sagt mir, dass mit großer Wahrscheinlichkeit irgendwo in Asien ein Baustein aus Pumpe, Elektronik und Heizelement gebaut wird, sodass Discount-Angebote nur noch eine Frage der Zeit sind. Die Einzelteile kosten schließlich immerhin mehrere Pfifferlinge und einen Knopf.

Wat isse denn nu diese kompliziert klingende Sache mit dem reto-lettischen Namen? In aller Kürze: Nicht mehr als lauwarm Wasser. Ich kann die Enttäuschung spüren, aber halt! Es kommt noch mehr. Es hat auch noch einen Plastikbeutel. Posaunen, Zimbelschlag, Revolution!

Es ist schon einige Jahrzehnte her, dass der talentierte junge Herr Joël Robuchon für die französische Bahn ein neuartiges Konzept ersann, Essen in großen Mengen zuverlässig frisch und schön vor Ort mit den beschränkten Möglichkeiten eines Zuges herzustellen. Dabei kommen zwei Gedanken zusammen: Fast jede Zutat hat eine ideale Zubereitungstemperatur und diese entspricht in den seltensten Fällen der von kochendem Wasser. Dinge aber nun einfach so in lauwarmem Wasser ziehen zu lassen, führt zum anovaAuskochen der ganzen schönen Geschmacksstoffe und zum Eindringen von relativ geschmackarmem Wasser in die Zutaten. Robuchon trennte kurzerhand Speise von Wasser vermittels Plastikbeutel und setzte die Zutaten unter Vakuum. Voilà, wie er wohl gesagt haben wird – Sous Vide.

Das ganze Potential der Technik wird einem erst klar, wenn man sich des Genies anderer Leute bedient. Man kann so gut wie alles Sous Vide zubereiten, und dabei vieles – und hier knackt der Punkt hörbar – auf andere Weise als mit herkömmlichen Methoden. Insbesondere Proteine profitieren davon immens, denn Eiweiß hat häufig einen sehr kleinen Bereich, indem das Gleichgewicht der temperaturbedingten Änderungen just perfekt ist. Wenn man von außen mit sehr großer Hitze darauf einkocht, so jongliert man immer mit Temperaturgefällen. Und wie es sich mit der Jonglage nunmal so hat, so wird’s mal besser, mal schlechter. Ohne genau zu wissen, was man tut, dem richtigen Werkzeug, jeder Menge Aufmerksamkeit – und nicht zuletzt Fortunas leitender Hand – ist es Essig mit der Glocke.

In einfachen Worten gesprochen heißt das: Das erste, was der frisch getaufte Besitzer eines Sous-Vide-Apparatus macht, ist Steak oder Ei. Ich erwarb ein Produkt der Firma Anova und habe es die letzten vier Wochen wenig bereut. Wie haltbar der Prengel am Ende ist, wird sich erst noch zeigen. Bis dahin bringt der völlig unsuggestive Stab bis zu 25L Wasser auf eine gleichmäßige beliebige Temperatur – mehr, wenn die Isolierung gut ist – und ist damit auch für die Zubereitung größerer Mengen Nahrung geeignet. Nach einigen sehr vielversprechenden Versuchen mit Eiern aus der benachbarten Waltroper Heide stellten sich dann endlich dieser Tage ausreichend große Mengen Fleisch ein.

steakguideDas eingeschweißte (oder in einem maximal luftentleerten Zip-Lock-Beutel gepackte) Fleisch wird in das aufgewärmte Wasserbad gegeben und dort vollständig und gleichmäßig durchgegart. Danach wird aus der Folie befreit, abgetrocknet und vermittels hoher Hitze mit einer Kruste versehen. Im Detail ist viel Luft für Selbstverwirklichung: Die Temperatur hängt am gewünschten Gargrad, die Art der Krustenerzeugung spannt von Pfanne über Gasbrenner und Grill bis Rost über einem Anzündkamin. Über die Zeit im Wasserbad werden herzblütige Diskussionen geführt, dabei ist die Regel: Je länger das Fleisch gart, desto mehr Bindegewebe wird zersetzt und desto zarter wird das Fleisch. Mehr ist hier nicht automatisch besser – ab einem gewissen Punkt fehlt dem Steak merklich der Biss. Für Cuts mit mehr Bindegewebe wie Rump oder Entrecôte sind 3h eine gute Ausgangsposition; Fleischstücke mit wenig Bindegewebe wie Filet, Onglet oder Flank brauchen nicht mehr als 1-2h, kürzer ist oft kein Problem. Ich salze das trockengetupfte Fleisch vor dem Bräunen kräftig, so wie es auch beim dem Geschäft des herkömmlichen Steakbratens empfehlenswert ist. Gepfeffert wird erst nach der Pfanne, um den Pfeffer nicht zu verbrennen.

Zu welch eisenerweichend herrlichen Ergebnissen die Kombination aus einem banalen Wasserbad und einer höllisch heißen Wollpfanne unter Einbringung von Butterschmalz führt, zeigen folgende Bilder von einem Dry Aged Irish Tomahawk (3h, 55°C) und einem Dry Aged Irish Hanging Tender (2h, 53,5°C). Dazu ein paar willige Kroketten, Pfannensauce aus Fond und selbstgemachtem Rotweinessig und ein bisschen sporadischer Feldsalat.

IMAG1775IMAG1778IMAG1864 IMAG1869IMAG1871

 

 

Review aus fünf Blickwinkeln: Kanetsugu Pro M Gyuto 180mm

Posted in Getestet, Scharfe Messer, smile and look alive on 12. Februar 2016 by Herr Grau

Eine ungeschriebene Regel der Kaufberatung besagt, möglichst nur Empfehlungen zu Messern abzugeben, die man selber kennt, daher haben wir beschlossen, in unregelmäßigen Abständen untereinander Kochmesser zu verleihen, um nicht jedes Messer von Interesse kaufen zu müssen. Wie hier angekündigt, gibt es fünf Meinungen zu einem Messer, von Amateuren als auch von Profiköchen.

IMAG0979
Kanetsugu bietet mit dem Pro M eine sehr bezahlbare (85€ inkl. Versand und MwSt für das 21er Gyuto) Messerserie aus japanischem Standardmesserstahl an, die mich hochgradig interessiert hat, da die Klingen einen exzellenten Ruf genießen. Wie sich herausstellte, gilt für dieses Messer uneingeschränkt der Satz: “Verdammt – es ist nicht alles perfekt.”

Weiterlesen

Die moderne Dusche – Gesänge von Irrwegen

Posted in Angewandte Wissenschaft, German Heaven, Probleme des Lebens, smile and look alive on 15. Juli 2015 by Herr Grau

Die Postmoderne hat uns viel bitterlich Leid beschoren, daran ist kein Zweifel. Der Wegbereitung des Bauhauses folgend wurde der Gedanke von der zweckorientierten Architektur auf den Trümmern der Nachkriegsjahre zu einem beispiellosen Ausdruck des deutschen Willens, Beton in eckige Form zu gießen. Kompromisslos und abwaschbar. Der alten Regel, dass auf Schlimmes meistens Schlimmeres folgt, wenn man nicht alle Beteiligten rechtzeitig an eine geeignete Kirche nagelt, war dieser Umstand für die Gegenbewegung der Postmoderne ein allzu fruchtbarer Boden. Der Stolz der deutschen Architekten lag wohl verletzt vor zu viel formschlüssigem Zweckbau darnieder und wie ein Humunkulus des zum Lächerlichen gediehenen Zerrbildes, das „Moderne Kunst“ ist, erhob sich das Ungetüm der Künstlerseelen in ebenjenen Bauplanern und kotzte uns das vor die Füße, was dieser Tage das Stadtbild all jener traurigen Orte prägt, die das nachhaltige Pech haben, Neubauten zu brauchen. Weiße Kubal-Trümmer mit optionalen Bunt-Zierapplikationen und Bauhaus-Geschmäckle, in ewigem inzestiösen Selbstbezug sich immerfort wiederholend. Bis zum Erbrechen und den dahinter liegenden Unendlichkeiten. Trinker kennen das Gefühl von den Abenden, die sich um warmen Korn drehen. Das Kernproblem dieser Architektur ist ein fast beispiellos klares Spiegelbild eines tiefen, wichtigen und zu wenig thematisierten gesellschaftlichen Irrweges: Würdevolles Altern wurde von einem Ideal ewiger Jugend abgelöst von einer Generation, die offenbar die geistige Reife von Kindern hat, die das Unausweichliche einfach nicht akzeptieren können und sich stattdessen in eine Perversion der Wirklichkeit flüchten. Der Traum von der ewigen Jugend, die Weigerung, sich mit dem ewigen Fortschreiten der Zeit und dem Älterwerden auseinander zu setzen, mündet in den Armen der Schönheitschirurgie, unpassender Mode und – von da aus ein kurzer Bogenschlag – bei Häusern, bei denen keiner daran gedacht hat, wie sie aussehen, wenn ein paar Jahre ohne ständige Renovierung ins Land gehen. Die Japaner haben eine ganze Denkrichtung (Wabi Sabi), die sich mit nichts anderem als der einzigartigen Schönheit der natürlichen Alterung und der Auslegung der Dinge auf ebendiese befasst. Ein englischer Landsitz – zurückhaltend gepflegt – wird mit jedem Jahr, Jahrzehnt, Jahrhundert besser. Die Gebäude aus den noch nicht lange zurückliegenden Anfängen der postmodernen Architektur sehen jetzt schon aus wie die Hure von Bitterfeld. Vor allem dem öffentlichen Träger mangelt es an Geld für den jährlichen Ablass beim Schönheitschirurgen.

Inmitten dieses Problems hat sich die Verranntheit der ganzen verdammten Fehlleistung auf eine einzige Sache heruntergekocht, die diese nicht besser auf den Punkt bringen könnte: Die moderne Dusche.

Früher geziemte es sich, dass Duschen mit Türen von dem Rest des Bades abgeschlossen wurden. Es war ohne weiteres möglich – beispielsweise für Lebenspartner, Familie oder ausgesuchte Kompagnons – sich in den Gefilden des Balineums aufzuhalten, ohne automatisch an dem Erlebnis der von oben geregneten Körperwaschung zu partizipieren. Die Entdeckung der offenen Dusche durch satanistische Kommunistennazis auf der dunklen Seite des Mondes führt allerdings dazu, dass diese althergebrachte Trennung aufgelöst ist: Alles duscht jetzt mit. Es ist in halbwegs sinnvoll dimensionierten Bädern ein Ding der Unmöglichkeit, nicht mitzuduschen, wenn jemand der von oben gewaschenen Körperhygiene fröhnt. Aus der Dusche entweicht, dem Prinzip der Physik gebunden, ein steter Sprühregen variierender Intensität. Das Duschen gewinnt handwerklichen Anspruch – eine unbedachte Bewegung und die ganze nächste Wand wird fontainiert. Der mangelnden handwerklichen Ausbildung von Kindern in unserer Generation ist wohl zu danken, dass diesem Problem mit der Einführung fester Duschköpfe begegnet werden musste – traditionell eigentlich eine Einrichtung von militärischen Kasernen, Gefängnissen und anderen Etablissements, wo das vollständige Waschen im Schritt nicht oberste Priorität hatte. Ein weiteres inhärentes Problem erhebt sich aus der fehlenden Duschtasse, die aus optischen Gründen gleichermaßen wegrationalisiert werden musste: Der Abfluss muss nicht einmal richtig zu sein, bereits eine leichte Reduktion der Abflussmenge reicht, um die minimale Gefälletiefe der Einfliesung zu überwinden und das sich dann ebenerdig wie mit offenen Beinen darbietende Bad zu fluten. Und natürlich müssen die Wände aus Klarglas sein, denn das sei nochmal mit der Kraft der Verzweiflung ventiliert: Die ganze Nummer hat ausschließlich optische Gründe. Ein Opfer jeder Praktikabilität zugunsten von Optik. Aber eben in bester Tradition schnellst vergänglich: Wer nicht nach jedem Duschen enthusiastisch auf seine Duschwände einrakelt und den Boden des makulierten Bades putzt, der wird von der herabfahrenden Hand des Kalkes gestraft – die Dusche sieht jetzt scheiße aus, von jetzt bis immerdar, oder zumindest, bis man sich zu einer größeren Putzaktion durchringt. Ich weiß, Duschen altern naturgemäß insgesamt nicht wie englische Landsitze, aber der Unterschied im Pflegeaufwand zwischen Klarglas und Tropfenglas ist immer noch eine ganze Magnitude.

Völlig verkonstruiert, das. Die technisch gesehen – von völliger Abschaffung von Duschwänden abgesehen, aber vermutlich werden wir auch das noch erleben – schlechtest denkbare Lösung wird akzeptiert, sogar hoch gelobt und in eitelem Eifer verteidigt für ein bisschen hochgradig flüchtige Optik. Hurra, Du schönes Deutschland.

Hinweise zum Kauf von Messern für Metzgerei und Fischzerlegung

Posted in Scharfe Messer, smile and look alive on 7. April 2015 by Herr Grau

Ich bekomme immer wieder Fragen zu Zerlegemessern, die von meinem Artikel zum Küchenmesserkauf nicht abegedeckt sind. Deshalb hier mal der Versuch einer Antwort auf die meisten dieser Fragen – aus Faulheitsgründen eine direkte Kopie einer meiner Forenbeiträge.

Ich trenne immer zwischen Koch- und Fleischermesser, weil die Anforderungsprofile grundsätzlich gegensätzlich sind. Bei einem Kochmesser suche ich ein härteres, möglichst dünnes Messer mit einem schönen Griff; ich schneide hauptsächlich Gemüse und greife im Zangengriff (Pinch Grip). Beim Zerlegen von Fleisch und Fisch sieht alles ganz anders aus. Die Klingen müssen viel aushalten, weshalb ich einen zähen, nicht besonders harten Edelstahl bevorzuge. Sie sollten deshalb auch nicht dünn sein – bei Fleisch sowieso irrelevant – sondern gerne recht solide. Weiter muss der Griff, der mit der ganzen Faust umschlossen wird, sehr sicher in der Hand liegen und gut abwaschbar sein. Ich bevorzuge daher für dieses Feld Zerlegemesser von Dick, Giesser oder Victorinox. Da diese Messer quasi nichts kosten, kann man sie mit einem sehr aggressiven Stahl auf Gebrauchsschärfe halten und kauft eben neue, wenn sie ausgezehrt sind. Also: Statt neues Messer einen Sieger Longlife oder einen Stahl mit Diamant- oder Saphirzug kaufen und kräftig wetzen.

dickergoNoch ein Spökskes, weil es meinen Punkt schön untermauert:
Warum für Fleischerei – und dazu gehört auch Fischzerlegen – günstige, solide, rostfreie Messer meines Erachtens die richtige Wahl sind, wird hiervon gut illustriert: Einer der besten, wenn nicht der beste „Fish Butcher“ auf der Bildfläche, Justo Thomas von La Bernadin, benutzt rostfreie deutsche Messer. Der Mensch filletiert am Tag 350 bis 500 Kilogramm Fisch. Wenn er im Urlaub ist, müssen drei gut ausgebildete Sous Chefs einspringen, um seine Arbeit zu schaffen. Bourdain schreibt zu seinen Messern in dem fantastischen Kapitel „My Aim Is True„*:

Zu Deutsch:

Messerreview: Masamoto HC Gyuto 21cm

Posted in Scharfe Messer, smile and look alive on 12. März 2015 by Herr Grau

Eine ungeschriebene Regel der Kaufberatung besagt, möglichst nur Empfehlungen zu Messern abzugeben, die man selber kennt, daher haben wir beschlossen, in unregelmäßigen Abständen untereinander Kochmesser zu verleihen, um nicht jedes Messer von Interesse kaufen zu müssen. Wie hier angekündigt, gibt es fünf Meinungen zu einem Messer, von Amateuren als auch von Profiköchen.IMAG0455IMAG0457

Das erste Messer, das ich im Rahmen dieses Messerzirkels reviewt habe, ist eines, das ich mit großer Ungeduld erwartet habe: Das Masamoto HC ist das hochwertigste Messer im westlichen Stil, das der Traditionshersteller in Carbonstahl anbietet. Masamoto hat den Ruf, exzellent ausbalancierte Messer ohne spezifische Schwächen herzustellen; andererseits hatte die Firma zeitweise Probleme mit der Qualität des Finishs. Es ist also höchst spannend, wie dieses Messer sich in der Praxis zeigt.

Weiterlesen

Review aus 5 Blickwinkeln: Misono UX10 24cm Gyuto

Posted in Scharfe Messer, smile and look alive on 11. März 2015 by Herr Grau

Eine ungeschriebene Regel der Kaufberatung besagt, möglichst nur Empfehlungen zu Messern abzugeben, die man selber kennt, daher haben wir beschlossen, in unregelmäßigen Abständen untereinander Kochmesser zu verleihen, um nicht jedes Messer von Interesse kaufen zu müssen. Wie hier angekündigt, gibt es fünf Meinungen zu einem Messer, von Amateuren als auch von Profiköchen.

IMAG1125
Das UX10 war lange Zeit ein mythisches Tier, das nie jemand in deutschen Landen auch nur zu Gesicht bekommen hatte. Aber: The times, they are a-changing. Hiroshi Horie vom japan-messer-shop hat das Messer inzwischen im Sortiment, das die oberste Kategorie in Misonos Sortiment bildet. Und glücklicherweise hat einer unserer sympathischen Wahnsinnigen ihn auch mit sehr viel Geld beworfen um sich in den Besitz eines solchen Messers zu setzen, sodass ich es jetzt ausgiebig auf der Hausstrecke testfahren konnte. Ich war sehr interessiert, wieviel Gegenwert das Einhorn für seinen doch recht ausartenden Preis (240€ für ein 21cm Gyuto, 285€ für das hier getestete 24cm-Messer) bietet. Zeit zum Anblasen.

Weiterlesen

Review aus 5 Blickwinkeln: Tadafusa Santoku 165mm

Posted in Scharfe Messer, smile and look alive on 9. März 2015 by Herr Grau

Eine ungeschriebene Regel der Kaufberatung besagt, möglichst nur Empfehlungen zu Messern abzugeben, die man selber kennt, daher haben wir beschlossen, in unregelmäßigen Abständen untereinander Kochmesser zu verleihen, um nicht jedes Messer von Interesse kaufen zu müssen. Wie hier angekündigt, gibt es fünf Meinungen zu einem Messer, von Amateuren als auch von Profiköchen.

IMAG1086Ich mochte Tadafusa nie. Ich finde zur Show aufgebrachte Hammerschlagoptik nicht begeisternd und auch Holzzwingen chronisch hässlich. Von den Klingen hatte ich aber viel Gutes gehört. Jetzt musste ich mir die Frage gefallen lassen, ob ich das Messer weiter furchtbar finden durfte oder dieser Tage an mit gespaltenem Herzen würde leben müssen.
Weiterlesen

Review aus 5 Blickwinkeln: Herder 1922 Kochmesser 23cm

Posted in Scharfe Messer on 5. März 2015 by Herr Grau

Eine ungeschriebene Regel der Kaufberatung besagt, möglichst nur Empfehlungen zu Messern abzugeben, die man selber kennt, daher haben wir beschlossen, in unregelmäßigen Abständen untereinander Kochmesser zu verleihen, um nicht jedes Messer von Interesse kaufen zu müssen. Wie hier angekündigt, gibt es fünf Meinungen zu einem Messer, von Amateuren als auch von Profiköchen.

IMAG1106Das Herder 1922 ist meine persönliche Referenz für europäische Kochmesser abseits der erlauchten Kreise der Messermacher. Und das ist es schon ziemlich lange, denn in unserem Haushalt gibt es seit über fünf Jahren eines. Es ist damit das einzige Messer in diesem Messerzirkel, das ich wirklich umfassend in der Tiefe kenne. Es ist interessant, inwiefern sich meine Erfahrungen mit den Eindrücken der anderen Tester decken und wie nah mein heutiges Fazit an meinem Review von vor fünf Jahren liegt.

Weiterlesen

Reviews aus fünf Blickwinkeln: Ein Küchenmesserzirkel für alle

Posted in German Heaven, Scharfe Messer, smile and look alive on 4. März 2015 by Herr Grau

Es gibt ein großes Problem mit Empfehlungen und Beratungen beim Messerkauf: Die meisten Beratenden kennen nur eine Handvoll der Messer, die es zu kaufen gibt, tatsächlich selbst. Der Rest wird aus Quellen unterschiedlicher Glaubwürdigkeit zusammengestrickt, was mit „fehleranfällig“ sehr wohlwollend umschrieben ist. Der Markt ist groß – ein Mensch alleine kann unmöglich jedes Messer kaufen, nur um sich eine Meinung zu bilden. Mich störte das seit langem.

Havel

Die Havel

Wenn einen etwas stört, dann sollte man sich mit harten Getreidebränden befüllen, unüberlegte Großinvestitionen beschließen und eine plötzliche Leidenschaft für die Havel entwickeln. Oder – man ändert etwas.

Ich, also, beschloss in meinem jugendlichen Übermut, dass dem Problem beigekommen werden müsse. Die einzige Möglichkeit, die mir einfiel, war, mir andere Messerverrückte zu suchen und mit diesen die vorhandenen Küchenmesser durchzutauschen. Dieses halbjährige Unternehmen mit großem Lerngewinn ist nun zuende und damit die Öffentlichkeit – Sie also, werter Leser – auch etwas davon hat, haben wir alle unsere Eindrücke niedergeschrieben, die ich hier großzügigerweise veröffentlichen darf. In den nächsten Tagen werde ich die Reviews nach und nach aufarbeiten.
Wohl bekomm’s.

Anleitung zur Seifensiederei & Rezepte für Olivenölseife mit Lavendel, Alepposeife und Schmalz-Shea-Seife

Posted in Angewandte Wissenschaft, smile and look alive on 3. März 2015 by Herr Grau

Ich will schon seit ziemlich langer Zeit Seife sieden. Irgendwann haben wir mal im Biologie-Unterricht selber ein bisschen Seife gemacht, diese war aber – auf Grund der Unkenntnis des Lehrers über die chemische Reaktion hinaus, sprich: wie man das tatsächlich im Detail macht – ziemlicher gekörnter Quark. Seitdem hatte ich mir fest vorgenommen, es richtig zu lernen und besser zu machen. Das müsste jetzt gerade mal elf Jahre her sein. Vor dem Hintergrund erscheint das letzte halbe Jahr, in dem ich das Ganze trotz vorhandenem Wissen, Rohstoff und Instrumentarium vor mir hergeschoben habe, fast verschwindend gering.

Nein, dieses ist nicht eine Sache, bei der man sich furchtbar reich spart. Die Industrie kriegt die Rohstoffe in großen Mengen so unendlich viel billiger, dass man den Preis einer Supermarktseife nie unterschreiten wird. Dafür kann man aber die Inhaltsstoffe selbst kontrollieren. Keine Fette aus fragwürdiger Gewinnung, keine Allergene, keine überflüssigen Chemikalien – das freut den Regenwald, Rudi Völler und das Bundesverfassungsgericht.

seife

Und wenn man das Fabrikationsniveau betrachtet, wird es doch wieder lohnend. Denn eine handwerklich hergestellte Seife aus kontrollierten Zutaten kann gerne mal 5€ und aufwärts pro 100g kosten. Quer übers Feld gepeilt kostet eine reine Olivenölseife selbstgemacht pro Kilo etwa 5€, eine Alepposeife auf Grund des teuren Lorbeeröls 12€, was in Anbetracht der gerade genannten Preise geradezu nachgeworfen scheint – wie immer darf man nur die eigene Arbeit nicht rechnen…

Die Arbeit ist in diesem Fall überraschenderweise aber geradezu überschaubar. Ich beschreibe im Folgenden den Standardarbeitsablauf für das s.g. Kaltverfahren, das eigentlich für jeden halbwegs lernfähigen Menschen zu stemmen ist. Es gibt natürlich noch viele andere Möglichkeiten, dieses ist aber das Grundhandwerkszeug und für viele Seifensieder stellt sich danach nie wieder die Frage nach etwas anderem. Weiter will ich ein paar Bezugsquellen nennen, damit nicht jeder die selbe beschwerliche Suche hinter sich bringen muss wie ich.

Wir brauchen:
– Eine Schüssel aus Plastik oder einen Topf aus Edelstahl oder emailliertem Blech (kein Aluminium! Emaillierte Töpfe dürfen keine Schäden haben!) mindestens der doppelten Größe der gewünschten Seifenmenge
– Eine zweite Schüssel aus Plastik oder ein Becherglas mindestens der dreifachen Größe der nötigen Laugenmenge
– Eine grammgenaue Waage
– Einen alten Pürierstab, bevorzugt nicht billigster Qualität, denn er muss längere Arbeitsintervalle aushalten (Ebay Kleinanzeigen). Alternativ eine Bohrmaschine mit Rühraufsatz
– Ätznatron (Natriumhydroxyd, NaOH) (Günstigste Bezugsquelle hier)
– Schutzhandschuhe. Dabei tun es solche aus dem Laborzubehör aus Vinyl oder Nitril genauso wie Spülhandschuhe auch
– Schutzbrille aus Plastik. Gibt es inzwischen auch fast überall
– Destilliertes Wasser (Nur wirklich nötig in Regionen mit sehr hartem Wasser. Gibt es in jedem Supermarkt.)
– Fette und Öle nach Rezept (Bezugsquelle: Entweder der lokale Einzelhandel, wobei Discounterqualität für die Seifenherstellung natürlich völlig reicht. Wilderes Zeug gibt es hier so günstig, wie ich es sonst nirgendwo finden kann.)
– Seifenform. Darüber gibt es ganze Seiten mit Vorschlägen. Es geht quasi alles, was man mit Frischhaltefolie ausschlagen kann, oder was von sich aus Plastik ist

Das Zusammensammeln dieser Dinge ist die eine große Hürde. Wenn man das Zeug aber einmal beisammen hat, kann man fröhlich vor sich hin seifen, da die meisten Dinge keine Verschleißartikel sind. Töpfe, Schüsseln und Pürierstab sollten natürlich tunlichst nie wieder mit Speisen in Berührung kommen, nachdem sie zu chemischem Spielzeug umgeeignet wurden.

Knackpunkt der zweite ist, dass man mit Ätznatron ziemlich hochprozentige (etwa 30%ig) Natronlauge herstellen und damit hantieren muss. In bester Tradition dieses Blogs, in dem ich ja gerne auch mal die Arbeit mit den höheren Spannungen in Röhrenverstärkern empfohlen habe, ist das nicht ungefährlich, weshalb gehobene Vorsicht angebracht ist. Laugenverätzungen sind überhaupt nicht witzig, im Gegensatz zu Säuren lösen sie das Gewebe nämlich auf und dringen weiter in die Tiefe, anstatt eine feste Wunde zu erzeugen. Deshalb hier ein kleiner Verhaltenskodex:
Niemals Wasser in Lauge geben, sondern immer nur Lauge in Wasser. Ansonsten kann die plötzliche Erwärmung des Wassers zu ebenso plötzlicher Verteilung der Lauge im ganzen Raum führen, was nach Expertenmeinungen als nicht schön gilt. Während mit Lauge gearbeitet wird, ist lange Kleidung mit geschlossenen Schuhen sowie Schutzbrille und Handschuhe zu tragen. Davon gibt es keine Ausnahmen und keine dummen Ausreden. Kinder und Haustiere werden aus dem Arbeitsbereich ausgesperrt. Keine freundlichen Bitten, die Tür kommt zu, Ausrufezeichen. Es wird nur mit Plastik und Glas (zur Not Edelstahl) an der Lauge gearbeitet und die fertige Lauge so schnell wie möglich verwendet, denn blödes Herumstehen ist die Mutter des Unfalls. Der Laugenbehälter wird danach sofort mit viel Wasser ausgewaschen, dabei dringend das Spritzen verhindern! Sollte es doch mal zu einer Laugenverätzung kommen, so wird die Wunde mit reichlich fließend Wasser abgespült, also mehrere Minuten. Keine Neutralisierungsversuche mit Essig oder ähnliche Manöver nach Altvattersitte. Danach geht es sofort in die Notaufnahme.
So. Genug der Warnungen – wir sind erwachsene Menschen, wissen unsere Axt zu führen und den Mutigen hilft Gott.

Im Prinzip ist der ganze Zauber reichlich simpel: Erstmal gibt man sein Rezept oder seine Idee in den großartigen Seifenrechner ein und überprüft noch einmal alle Mengen, vor allem die des Ätznatrons. Dabei muss man sich für eine Überfettung entscheiden, wobei 4 bis 10% gängig sind. Ich orientiere mich zwecks Hautpflege in den oberen Bereich zwischen 7 und 10%. In das abgewogene (genauer!) Wasser die abgewogene Menge Ätznatron geben und dies unter vorsichtigem Rühren auslösen. Fette werden erhitzt, bis sie gerade so geschmolzen sind und Öle dann zugegeben. Arbeitet man nur mit Öl, wird dieses auf 30 bis 35°C erwärmt. Danach wird die Lauge zu dem Fett gegeben und die Masse püriert, bis sie sehr zähflüssig ist, etwa so wie sehr dicke Kartoffelsuppe. Diese Masse kommt in die bereitstehende Seifenform und wird mit Handtüchern isoliert. Am nächsten oder übernächsten Tag wird sie mit einer Stahlsaite oder notfalls einem alten Messer geschnitten und die Abschnitte dann vier bis acht Wochen bei Raumtemperatur gereift. In dieser Zeit trocknet die Seife und wird fest, sodass man sie sinnvoll nutzen kann. Außerdem läuft die Verseifung noch erstaunlich lange, sodass frische Seife noch recht scharf ist, da noch unverbrauchtes Ätznatron darin vorhanden ist.

Man kann von diesem Punkt aus jede Menge schöne, erstaunliche und kreative Dinge anstellen – dies ist nur das Grundhandwerkszeug. Im Folgenden gibt es noch meine ersten drei Rezepte und die Bilder von meiner wilden Siederei.

IMAG1248IMAG1250IMAG1255

Olivenölseife mit Lavendel:

Die Seife für den Freund der Provence. Das Öl riecht noch sehr kräftig, der Duft in der fertigen Seife ist fein und passt sehr gut zu dem Geruch klassischer Olivenölseife. Ob der Aufwand im Vergleich zur Parfümierung mit ätherischem Lavendelöl lohnt? Vermutlich nicht. Pro Kilo kann man auch 30g äth. Lavendelöl ansetzen, der Duft wird damit kräftiger ausfallen.

1000g Olivenöl
~50g Lavendelblüten
335g destil. Wasser
122g NaOH für 9% Überfettung

Lavendelblüten vier Wochen lang in einem abgeschlossenen Gefäß in 350g Olivenöl einlegen, danach mit einem Filtertuch abfiltern und Blüten auspressen. Ölmenge wieder auf 350g auffüllen – ein bisschen bleibt immer in den Blüten und den Tüchern. 350g Lavendelöl mit 650g Olivenöl mischen und auf 30 – 35°C erwärmen. Natronlauge zugeben (Zubereitung siehe oben) und pürieren. Reines Olivenöl braucht ganz schön lange, bis der Seifenleim die richtige Konsistenz hat, nicht die Hoffnung sinken lassen .. und nicht den Pürierstab abbrennen lassen. Wenn man will, kann man an diesem Punkt die Blüten wieder dazu geben, was in der fertigen Seife einen schönen Effekt hat. Nach 36 bis 48h schneiden, dann mindestens 8 Wochen reifen.

IMAG1253IMAG1281

Alepposeife:

Ich wollte auf jeden Fall eine klassische Alepposeife machen, weil ich sowohl die Seifen als auch die Tradition dahinter sehr faszinierend finde.Traditionelle Alepposeife hat zwischen 15 und 50% Lorbeeröl-Anteil, wenn ich das richtig verstanden habe. Ich habe mich – nicht zuletzt auf Grund des doch recht saftigen Preises – für 20% entschieden. Selbst wenn der Duft noch mit der Lagerung abnimmt – das ist mehr als genug. Ich werde in Zukunft den Anteil auf jeden Fall auf 15% senken .. der ganze Keller riecht nach Lorbeer.

800g Olivenöl
200g Lorbeeröl
335g destil. Wasser
122g NaOH für 10% Überfettung

Lorbeeröl vorsichtig schmelzen, Olivenöl zugeben, verühren. Dann Natronlauge dazu und kräftig pürieren. Nach 36 bis 48h schneiden, dann mindestens 8 Wochen reifen.

IMAG1251IMAG1271

IMAG1274IMAG1275

Schmalz-Shea-Seife:

Diese ist mein Baby ganz allein, eine Seife aus Schmalz mit Sheabutter. Sie orientiert sich nicht wirklich an irgend einem bestehenden Rezept, sondern ist meinsmeinsmeins. Die Seife hat jetzt schon mein Herz gewonnen, sie ist schneeweiß, war innerhalb kürzester Zeit gemacht und riecht kein Stück nach Schwein. Ich werde sie in Zukunft noch oft machen, variieren und weiterentwickeln. Die Sheabutter zur Pflege wird in Zukunft noch um etwas Seide ergänzt, das Rapsöl eventuell komplett rausgenommen und ich werde versuchen, Zitrusdüfte hinein zu kriegen.

550g Schmalz
220g Rapsöl
230g Sheabutter
335g destil. Wasser
122g NaOH für 10% Überfettung

Den Schmalz vorsichtig schmelzen. Nicht zu heiß werden lassen, sonst stinkt alles nach Schwein. In einem seperaten Topf Sheabutter vorsichtig schmelzen. Rapsöl dem Schmalz zugeben und mit Lauge versetzen. Pürieren, bis der Seifenleim dick wird – was innerhalb wengier Sekunden passiert. Sheabutter unterrühren und eventuell noch einmal kurz pürieren, bis die Konsistenz stimmt. (Die spätere Zugabe der Sheabutter ist wahrscheinlich Aberglaube, da die Verseifung lange läuft. Man kann sie auch einfach mit dem Schmalz schmelzen.) Nach 24h schneiden und 4 Wochen reifen.

IMAG1252IMAG1267   IMAG1277