Archiv für August, 2018

Und gleich nochmal: Schnitzel, wiener, das – goldgelb und souffliert

Posted in Essen & Trinken, German Heaven, smile and look alive on 31. August 2018 by Herr Grau

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Der Kommentar von unserem Leser acog zum letzten Beitrag, er würde sich sein Schnitzel doch goldener wünschen und wüsste nicht genau wie, wurde von meinem Hirn als sofortige und unumgängliche Aufforderung verstanden. Jeder Plan von Involtini oder Ragú für das letzte Stück Fleisch im Kühlschrank wurden stante pede im hohen Bogen über die Reling gepfeffert. Einmal Schnitzel goldgelb mit perfekt soufflierter Kruste? Kommt sofort.

Das Geheimnis zu güldenen statt braunen Schnitzeln ist eine deutlich kontrolliertere Temperatur. Diese in Kombination mit einer mit religiösem Fanatismus nicht angedrückten, sondern nur aufgestreuten Panade, einem glatten statt gezahnten Plattiereisen und stetiger Bewegung der Pfanne beim schwimmenden Ausbacken, um das heiße Fett stetig über die Oberseite zu bringen, führt zum gewünschten Ergebnis. Ich hatte ungefähr 1,5cm tief Fett in der Pfanne. Wie man die Temperatur des Fetts richtig hinkriegt? Bauchgefühl oder ein Thermometer (170°C). Rauchend (210°C) ist dafür zu heiß.

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Weil’s immer wieder schön ist: Wiener Schnitzel

Posted in Essen & Trinken, German Heaven, smile and look alive on 30. August 2018 by Herr Grau

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Wiener Schnitzel hatten wir ja schon ein paar Mal (hier und dort) und wissen eigentlich wie es geht. Aber weil wir uns dieses Mal dem platonischen Ideal-Schnitzel schon sehr stark genähert haben – und weil ein gutes Schnitzel wirklich eine meiner absoluten Leibspeisen auf unserem muckeligen kleinen blaugrünen Erdball ist -, wollte ich diese Bilder der mit Sicherheit vor Interesse schier berstenden Leserschaft nicht vorenthalten. Das Vorgehen ist eigentlich immer das gleiche (klick): Auf ca. 3-4 mm ausklopfen, salzen, pfeffern, in frischen Semmelbröseln vom Bäcker oder aus eigener Fertigung panieren ohne die Panade anzudrücken (!) und in fast rauchend heißem Butterschmalz schwimmend ausbacken, dabei die Pfanne bewegen  damit heißen Fett über die Oberseite läuft. Das vorherige Dünnschneiden vor dem Plattieren ist doch sehr hilfreich, stellte sich dieses mal heraus. Das Kalb vom örtlichen Vertrauens-Metzger war saftig und fantastisch zart, das Schnitzel hatte vom Braten in reinem Butterschmalz ein wundervoll butteriges Aroma. Apropos Butter: Der Kartoffelbrei bestand fast zur Hälfte daraus (zur anderen Hälfte aus Muskatnuss) und war deshalb offenkundig unschlagbar. Ach ja .. es gab irgendwie auch Salat…

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Frittierte Calamari und Sepia

Posted in Essen & Trinken, smile and look alive on 29. August 2018 by Herr Grau

Wenn Sepia oder Calamari übrig ist: In Milch für eine halbe Stunde einlegen, in Maismehl (Polenta) wenden und mittelheiß frittieren. Wer dazu keine Knoblauchmayo serviert, ist selber schuld.

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Bánh Mì – Betrachtungen eines Anfängers

Posted in Essen & Trinken, smile and look alive on 25. August 2018 by Herr Grau

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Ich bin mit meiner Begeisterung für Vietnam und seine Küche etwas spät, ich weiß. Die Hipster haben das Bánh Mì schon vor Jahren für sich entdeckt und turboveganisiert. Der Teufel soll sie holen. Ich hätte einmal cool sein können.

Bánh Mì“ heißt auf vietnamesisch eigentlich nichts anderes als Weizenbrot und bezeichnet die Sandwiches, die es an jeder Ecke für 20 bis 30.000 Dong (jaaa, so unglücklich heißt die Währung da – ungefähr 80 Cent bis 1,20€) zu haben sind. In Hanoi war der Klassiker „mixed“ mit Schweinebraten, Schweineschinken und Geflügelleber-Pâté. Natürlich kann man ganze Bücher mit dem Versuch füllen, die Bánh Mì so authentisch wie möglich nachzumachen – ich glaube, es ist sinnvoller, das Konzept zu durchsteigen.

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Die besten Bánh Mì (meiner Meinung nach zu haben bei Bánh Mì 25, 25 Hàng Cá, Hanoi) zeichnen sich durch ein Brot mit einer dünnen Kruste ohne zu scharfe Kanten und fluffiger Krume, das innen oft minimal angetoastet wird, und einer gut ausbalancierten Mischung von Texturen und Geschmäckern aus, die aus der richtigen Mischung aus Fleisch, Đồ Chua (Everyday Pickles meist aus Daikon Rettich und Karotte), frischen Gurken, frischen Chilis und frischen Kräutern –  meistens Koriandergrün – entsteht.

Das Brot ist hier eigentlich nicht zu bekommen. Es lohnt sich, ein bisschen die Baguettes ortsnaher Bäcker zu vergleichen, um eines zu finden, das innen eher fluffig und außen nicht so kross ist. Wer die Zeit hat, kann natürlich selber backen. Ich wurde bei der Kette Malzers fündig.

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Für die Richtung des Geschmacks sind dann noch hauptsächlich zwei Dinge entscheidend: Die Wahl von Fleisch und Sandwichsauce. Als Fleisch kommen im am häufigsten anzutreffenden „Mixed“ Bánh Mì Schweinebraten, Schweineschinken und Enten- oder Hühnchenleber-Pâté zum Einsatz, und ich bevorzuge diese Variante zu nur einzelnen Komponenten oder geröstetem Hühnchen. Wichtig ist hier, es mit der Menge nicht zu übertreiben – in einem Bánh Mì ist idealerweise etwas mehr Gemüse als Fleisch. Den Braten und Schinken werden die meisten fertig von der Theke kaufen, ein Rezept für einen exzellenten Braten ist hier zu finden. Das Pâté kann man recht gut improvisieren:

Schnelles gemogeltes vietnamesisches Pâté: 3 Schalotten und ca 80g Champignons gewürfelt in 3 EL Butter anschwitzen, dann mit 2 EL Weinbrand, 2 Zehen Knoblauch, 1/2 TL Chinese Five Spice, etwas Pfeffer und einem ordentlichen Schuss Maggi Sauce pürieren. 350g Hühnchenleberwurst zugeben und beim Weiterpürieren mit etwas Wasser ausdünnen, bis die Konsistenz passt.

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Für die Sandwichsauce gehe ich etwas abseits der am häufigsten anzutreffenden Variante mit nur Mayonnaise und Maggi Sauce (die ist in Vietnam absolut groß) und orientiere mich an Bánh Mì 25. Hier gab es eine hausgemachte Hot Sauce, die das ganze perfekt zusammen gebracht hat. Um das zu simulieren, nehme ich Sriracha Mayonnaise (ggf. mit einem Schuss Maggi) – eine der besten Verwendungen für die selbstgemachte Sriracha.

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Wie schon gesagt: Es geht um die richtige Balance. Das Brot wird innen minimal angetoastet, bis gerade Knusprigkeit zu entstehen beginnt. Auf die Unterseite Pâté, Schinken, Braten, Pickles, Gurke, Chilis, Kräuter und auf die Oberseite Sandwich-Sauce. Manche Leute nehmen vorher etwas von der Krume aus dem Brot, kommt meiner Meinung nach auf das Brot an.

Der Artikel war jetzt für ein Butterbrot sehr lang, ich weiß. Es lohnt sich aber. Diese Sandwiches sind der Wahnsinn, ausnahmensweise besteht wirklich keine Frage, ob der Trend gerechtfertigt ist. Nachmachen!

Kartoffelgratin – Gratin Dauphinoise

Posted in Essen & Trinken, smile and look alive on 25. August 2018 by Herr Grau

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Ich war vor kurzem auf einer Hochzeit im Schloss Wilkinghege in Münster – das schönste Schlosshotel am Platz. Das Essen war natürlich ausgezeichnet. Unter anderem wurde endlich mal wieder demonstriert, was ein gutes Kartoffelgratin alles kann. Ich nahm mir fest vor, mich auf dem Gebiet mal fortzubilden.

Kartoffelgratin oder Gratin Dauphinoise kann man auf verschiedendste Arten zubereiten. Die Autoren sind sich nicht einmal über die bevorzugten Kartoffeln einig, für mich machen aber nur festkochende Kartoffeln Sinn. Ich will, dass die vielen Schichten auch am Ende noch klar abgrenzbar und texturiert sind. Nach einigen Versuchen mit verschiedenen Mengen Milch und Sahne und verschiedenen Zubereitungsarten bin ich jetzt mit folgendem (größtenteils so vom Guardian vorgeschlagenen) Vorgehen sehr zufrieden. Recipe!

Pro Person sollte man mindestens eine richtig große Kartoffel (ca 200g) rechnen. Zwar ist hiernach der Wochen-Kalorienbedarf gedeckt, es wird aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu Beschwerden kommen, wenn nichts mehr zum Nachnehmen da ist. Ich alleine habe etwas mehr als 400g Kartoffeln verdrückt…

Die Kartoffeln (in meinem Fall Annabelle) werden auf einer Mandoline oder in einer Küchenmaschine in 2 mm dicke Scheiben geschnitten. Pro 500g Kartoffeln brauchen wir 170 ml Sahne, 70 ml Vollmilch, eine fein gehackte Knoblauchzehe, je eine ordentliche Prise Salz, Pfeffer und Muskatnuss und eine kleine Prise Pimenton. Alle Zutaten samt Erdapfelscheibletten kommen in einen Topf. Aufkochen und dann auf ganz kleiner Hitze 10 Minuten sieden lassen.
Der Trick ist hauptsächlich, die Würzung auf den Punkt zu bringen. Nachwürzen nach dem Backen ist nicht mehr. Also die Sahnemischung abschmecken, bevor das ganze in den Ofen geht und ruhig in die eher salzige Richtung gehen. Die Kartoffeln vertragen einiges.

Das ganze in eine Auflaufform geben (diese vorher zu buttern ist eine Möglichkeit, dem Gericht noch etwas zusätzliches Milchfett zuzuführen) und mit Alu abgedeckt bei 160°C ca. 30 Minuten backen. Folie ab, geriebenen Käse darüber verteilen und nochmal ohne Abdeckung 15 Minuten in die Röhre. Ich habe Appenzeller und Gruyere genommen, aber jeder aromatische, gut schmelzende Käse tut den Dienst. Vor dem Servieren etwas abkühlen lassen. Total großes Kino, das. Die Experimente wären ausgesprochen lecker, aber ich habe mich bei weitem noch nicht daran satt gegessen.

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Bunte Bilder #2

Posted in Essen & Trinken, smile and look alive on 22. August 2018 by Herr Grau

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Der Falenholm, acht Stück im Korb, 2014.

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Panorama aus dem Estufa Fria in Lissabon, 2018.

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Falscher Deckel Sous Vide 53°C & Fusili mit Brokkolifond und Brokkoli, 2018. 

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Perfekte Zwiebelringe, 2018. 

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New York Elite Style Pepperoni Pizza, 2017.

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630er Dinkelbrot, 2018.

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Zucchini Tonda Chiara di Toscana, 2018. 

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Kachelofen in Sonnleitn im Nassfeld, 2018. 

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Kanal in Venedig, 2016.

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Panorama im Nassfeld, Kärnten, 2018. 

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New York Elite Style Spinat Pizza, 2017.

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Sauerteig-Dinkellandbrot zum Käsetasting, 2016.

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Freistil-Landbrot für Abteilungsweihnachtsfeier 2017.

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Impression von einer Kreuzfahrt in der Ha Long Bucht, Vietnam, 2017.

Frittierte Zwiebelringe

Posted in Essen & Trinken, smile and look alive on 21. August 2018 by Herr Grau

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Es hat schon so mancher am Zwiebelring gemacht.. Und die sind meistens auch irgendwie gut. Ich meine .. es ist frittiert, wird schon schmecken. Aber es gibt hier und heute, exklusiv und in Leuchtschrift, wie man das wirklich richtig macht:

Gemüsezwiebeln in 5-7mm Ringe schneiden. Mitten weg. In Instantmehl wenden. Ca 100g Instantmehl mit 1 TL Backpulver und 1/4 TL Backnatron, einer sehr großen Prise Salz und ordentlich Pimenton vermischen. 60 ml Wodka dazu und dann mit Bier auffüllen, bis es die Konsistenz von dicker Farbe hat und ordentlich Striemen in sich selbst zieht. Frittieren bei größerer Hitze. Rapsöl oder Sonnenblumenöl ist gut, Schmalz pervers gut.

Normalerweise muss man beim Kochen nur keinen Mist machen, eigentlich gibt es keine Geheimnisse und keine Tricks. In diesem Fall – schon. Bei Frittierteig ist Instantmehl mit Wodka wirklich der Knaller. Kein Vergleich zu normalem Mehl. Molto fluffig und kein bisschen zäh. Das ganze kennen wir schon vom Backfisch, wo die selbe Kombination von Zutaten ebenfalls den größten Unterschied aller Zeiten macht.

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Musik & Melodey – The Oh Hellos

Posted in Musik & Melodey, smile and look alive on 18. August 2018 by Herr Grau

Den ersten Eintrag seit langer Zeit in dieser etwas verwaisten Kategorie machen die Oh Hellos, das Geschwister-Duo Maggie und Tyler Heath und ein großes Ensemble recht stetig begleitender Musiker. Zwecks Bewerbung ihrer neueren Alben haben sie fast alle großen Live-Session-Formate mitgenommen, die der liebe Herrgott auf derer Erde gestellt hat. Wie so häufig ist es aber auch hier wieder das NPR Tiny Desk Konzert, das aus der Masse heraus sticht. Die Performance ist herausragend und Mischung und Sound entsprechen diesem hohen Niveau. Meiner bescheidenen Meinung nach können auch die Studioversionen von Hello My Old Heart (Oh Hellos EP) und Like The Dawn (Through The Deep, Dark Valley) mit diesem Auftritt nicht mithalten. Like The Dawn in der NPR Version hat einen festen Platz als eins meiner absoluten Lieblingslieder der letzten zwei Jahre gefunden. Die wundervollen singenden Harmonien und die magische vielstimmige Instrumentenmischung sind hypnotisierend und sorgen auch bei der aberdutzendsten Wiederholung noch für Gänsehaut. Wie so oft denke ich, wie gut es gewesen wäre, wenn sie ein deutlich längeres Set gespielt hätten. Glücklicherweise ist die knappe Song-Auswahl einmal mehr perfekt. Chapot an das NPR-Team.

Auf den kulinarischen Spuren von Lissabon & Bifana Nachbau

Posted in Essen & Trinken, smile and look alive on 14. August 2018 by Herr Grau

Lissabon scheint die vergessene Hauptstadt zu sein. Während London, Madrid, Rom, Paris und Berlin jeden zweiten Tag irgendwo auftauchen, muss man schon ziemlich die Ohren spitzen, um Leute über Lissabon reden zu hören. Ich zumindest hatte die Stadt jahrelang überhaupt nicht auf dem Plan. Das änderte sich erst, als ein guter Freund vor einiger Zeit ein Jahr Studienaustausch im Rahmen von Erasmus dort hin machte. Mir war fast ein bisschen peinlich, dass ich mit einem der wichtigsten historischen Zentren Europas überhaupt nicht anfangen konnte – also fing ich an zu recherchieren. Die Faszination mit der portugiesischen Geschichte fasst einen ganz von selbst, wenn man einmal anfängt, sich damit zu beschäftigen. Wie dieses einst mächtigste Land der Erde zu seinem heutigen Ich geworden ist, ist ein tragisches Drama, das kaum bunter Ausschmückungen bedarf. Der zunehmende Verfall der Stadt, der schon vor langer Zeit seinen Anfang nahm, im Estado Novo unter Salazar sich massiv verschlimmerte und jetzt bei weiterhin fehlendem Kapital an den meisten Stellen weiterhin langsam vor sich hin schwelt, tut einem in der Seele weh – man beginnt langsam zu begreifen, warum der Fado, der traditionelle Gesang, der von Sehnsucht und Entbehrung erzählt, immer noch einen unveränderten Stellenwert in Portugal hat. Der Wunsch wuchs, mir das ganze aus der Nähe anzuschauen. Und natürlich wollte ich meinen ortskundigen Freund mitnehmen, damit ich die Stadt mit weniger unbedarften Augen erleben würde.

Später Frühling ist vermutlich die perfekte Zeit, um Lissabon zu besuchen. Es wird im Sommer erbärmlich heiß, was selbst mit den stetigen Brisen vom Meer her für den auf milden Herbst geeichten Deutschen die Erkundung der Stadt zu einem Stück aus Dantes Repertoire machen kann. Man muss ja keinen Ausflug in die Niederhölle machen, wenn es sich ausnahmsweise mal vermeiden lässt.

Anstrengend wird es so oder so, denn Lissabon will erlaufen werden. Es ist eine verwinkelte alte Stadt und viele der schönsten Eindrücke finden sich in kleinen Gässchen und Hinterhöfen. Und man sollte nicht wie ein nichtgenannter Autor dieses Artikels die Steigungen unterschätzen. Lissabon ist auf Hügeln gebaut und das heißt, dass man immer entweder eine unglaublich steile Straße hoch oder eine noch steilere herunter läuft. Die Belohnung dafür sind die s.g. Miradouros (wörtlich: Goldene Blicke), die Ausgucksplattformen, die an strategisch gut gewählten Punkten der Stadt verteilt sind und eine fantastische Perspektive über die Stadt bieten. Sie sind für Touristen wie Einheimische die Sammelpunkte, an denen man zwecks Entspannung und Einverleibung von bewusstseinserweiternden Getränken und Rauchwaren zusammen trifft. Apropos: Portugal hat festgestellt, dass die Verfolgung von Drogenkriminalität extrem viel Geld kostet und kaum etwas bringt – und hat mal eben mir nichts dir nichts alle Drogen legalisiert. Ergo riecht die ganze Stadt nach dem aus Marokko herüber schwappenden billigen Haschisch und man kann kaum zehn Meter weit gehen, ohne von einem Straßendealer angesprochen zu werden. Nicht wundern, das ist jetzt normal.

Eine chronologische Erzählung wie bei meinen Reiseberichten über Rom oder Paris bietet sich dieses mal nicht an – es würde zu stark auffallen, dass wir hauptsächlich in Parks oder an Miradouros gesessen und Bier getrunken haben. Und so sehr das der perfekte Urlaubsentwurf ist – und der, den ich jedem Lissabon-Reisenden ans Herz legen würde -, so ist das nicht die spannendste Erzählung, die je gesponnen ward. Ich beschränke mich also auf die Beschreibung einiger Höhepunkte, die ich besten Gewissens weiter empfehlen kann.

Es ist kein Zufall, dass man in der Hauptstadt der Seefahrernation Portugal direkt am Meer hervorragende Meeresfrüchte bekommt. Wie günstig das Vergnügen aber ist, das überrascht schon stark. Die Cervejaria Ramiro kann einem quasi gar nicht durch die Lappen gehen, wenn man sich auch nur kurz mit Restaurants in Lissabon beschäftigt. Das Restaurant wird zurecht zu den Essenszeiten heillos überlaufen – eine bessere und frischere Auswahl mit ausgezeichneter Einfachheit zubereiteter Meeresfrüchte habe ich noch nicht gesehen. Wir haben für zwei ziemlich hungrige Personen inklusive Getränke nicht mal 60€ bezahlt .. absolut lächerlich für eine ganze Spinnenkrabbe und Kaisergarnelen. Mein Tipp wäre, zwischen den Essenszeiten zu kommen, dann sind die Wartezeiten kurz und erträglich.

Pastéis de Nata sind eine traditionelle Süßspeise, die auf der Flagge von Lissabon sein könnte. Ursprünglich wurden die kleinen Puddingtörtchen im Mosteiro dos Jerónimos in Belém, einem heutigen Stadtteil von Lissabon, gebacken. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde das Kloster dicht gemacht und das Rezept an die naheliegende Zuckerraffinierie verkauft, deren Bäckerei sie seitdem durchgehend herstellt. Es gibt ausgezeichnete Kopien von unzähligen Lissaboner Bäckereien, besonders empfehlenswert ist die Manteigaria Fábrica de Pastéis de Nata. Ein Bica – die portugiesische Variante eines Espresso – und ein zwei Pastéis mit Puderzucker (…und wer muss auch mit Zimt…) und der Tag fängt vernünftig an.

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In der Rua das Flores findet sich die Weinbar ByTheWine, die man empfehlen kann. Nettes Ambiente, sehr gute Weine und leckeres Essen. Nur ein paar Meter weiter liegt die oft empfohlene Taberna da Rua das Flores, in der wir aber leider keinen Platz bekommen haben.

Beim Weg durch die Stadt sollte man sich eine Scheibe von den Einheimischen abschneiden und hie oder da einen Ginjinha trinken, einen gewürzten Kirschlikör, der aus kleinen Thekenausschänken verkauft wird. Einzige Option: Mit oder ohne Kirsche. Das Original gibt es bei A Ginjinha, aufgrund seiner zentralen Lage gut zu erreichen. Es gibt fast immer eine kurze Schlange, lange warten muss man aber nie.

Im Mercado da Ribeira direkt an der Küste hat TimeOut einen Food Market aufgezogen. Das ganze ist hübsch gemacht und vor allem haben sie tatsächlich viele der namhaftesten Köche Lissabons zur Mitarbeit bewegt. Das Preisniveau ist etwas höher als im restlichen Lissabon, aber dafür hat man eine tolle Auswahl von Speisen, die durchweg sehr gut waren.

Das schönste an Lissabon sind meines Erachtens aber weder die Restaurants noch die gekachelten Häuser und das fantastische Stadtbild, es ist das Lebensgefühl. Die Portugiesen sind deutlich weniger extrovertiert als ihre spanischen und italienischen Nachbarn, trotzdem wissen sie, gut zu leben. Man findet überall Menschen, die den Ausblick, ein Bier und ein Tosta mista genießen und scheinbar alle Zeit der Welt haben. Dafür bieten sich nicht nur die Miradouros an, sondern auch die wunderschönen Parks, die überall durch die Stadt verstreut sind. Eine geheime Perle ist der ehemalige königliche Park Tapadas das Necessidades, der trotz seiner Schönheit und botanischen Vielfalt kaum besucht ist. Auch der „Kalte“ botanische Garten, der Estufa Fria de Lisboa, ist eine Reise wert, wenn auch eher zum Staunen als zum Entspannen.

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Wie schaffe ich jetzt den Bogenschlag zum Bifana? Man stelle sich vor, man hat zwei oder drei eiskalte Flaschen Super Bock geleert (die deutlich überlegene Alternative zu Sagres, dem anderen omnipräsenten Bier) und bekommt ein Hüngerchen. Standesgemäße Kost ist an dieser Stelle Portugals Beitrag zum Thema Brot und Schwein, das Bifana. Es handelt sich um ein eher unspektakuläres Brötchen, das s.g. Papo seco – „trocken Brot“, soweit ich das übersetzen kann .. die Portugiesen sind nicht die größte Brotnation… -, das außen ein bisschen weniger knusprig und vor allem mit keinen röschen Kanten ausgestattet und innen eine dichtere Krume hat als das durchschnittliche deutsche Bäckerbrötchen. Darauf findet sich extrem dünnes mariniertes Schweinfleisch und optional Senf, Chili-Öl und karamellisierte Zwiebeln. Bei O Trevo, unserem bevorzugten Bifana-Fachtechniker, fallen Zwiebeln aus, was mir nur recht ist. Ich mag mit dem billigen klatschgelben Senf, mein Freund ohne. Beides so gut wie günstig.

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Aufgrund des überraschend und inzwischen unangenehm guten Wetters in Teutonien wird ja nun gefühlt jeden zweiten Tag gegrillt und langsam hängen mir Bratwürste und Grillbauch zu allen überzähligen Körperöffnungen heraus. Ich wollte ein bisschen Abwechslung schaffen und habe meinen Plan, Bifana selbst zu machen, wieder aus der Schublade gekramt. Das ganze ist natürlich eine schwarzmagische Kunst aller erster Kategorie, wie jede Traditionsspeise ein ganz heikles Thema. Es scheint so, als ob die meisten Rezepte im Netz von einander abgeschrieben wären. Ich habe ein bisschen improvisiert und soweit ich das jetzt noch sagen kann, ist das Fleisch nah am Original. Die Muße, die Brötchen nachzubacken, hatte ich nicht – sie sind zwar merklich etwas anders, aber nicht unbedingt schlechter. Ich glaube, mir müsste schon sehr langweilig sein, damit mir das als lohnenswert vorkäme (ein sinnvoll aussehendes Rezept findet sich hier).

Man sollte pro Person ca. 200g Fleisch einplanen, was für gut 2 Bifana reicht.

400g Schweinelachs, vom Metzger auf der Maschine (!) so dünn aufschneiden lassen, wie es geht (2-3 mm). Kurz weiter ausklopfen. Über Nacht in einer Marinade aus 4-5 zerdrückten Knoblauchzehen, einer gehackten frischen Chili, 1/2 TL Pimenton, 1 TL Salz, 2 EL Sriracha, 40 ml Weißwein- oder Apfelessig, Saft einer Limette, 500 ml Weißwein und 1 Lorbeerblatt einlegen. Auf einem extrem heißen Grill oder einer Plancha grillen, maximal eine Minute pro Seite. Ich tunke das Fleisch dann nochmal in die Marinade und lasse es ein paar Sekunden wieder heiß werden. Das sorgt für extra Geschmack, es wird aber auch saurer. Muss jeder selbst wissen. Das ganze kommt mit amerikanischem Senf (bloß keinen Dijon oder sonst hochwertigen Senf nehmen) auf ein Brötchen, fertig ist die Laube. Optional dazu Chili-Öl und karamellisierte Zwiebeln.

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Selbstgemacht: Fermentierte Sriracha Style Hot Sauce

Posted in Angewandte Wissenschaft, Essen & Trinken, smile and look alive on 9. August 2018 by Herr Grau

Wenn man mehr Chilis hat als man essen kann, weil man sie selbst anbaut, und scharfes Essen über alles liebt, liegt nichts näher, als selbst eine Hot Sauce herzustellen. Weder das eine noch das andere trifft auf mich zu. Ich bin auf dem Weg zum Klo falsch abgebogen und nur zufällig hier.

Das sind Chilis. Oder Paprikae. Oder die Dächer von Bologna. Ich kann das nicht so genau erkennen.

Bei mir fermentieren gerade verschiedenste illustre Dinge vor sich hin, meine Küche hat Anklänge des chaotischen Labors eines leicht derangierten Wissenschaftlers. Viele meiner Freunde sind ausgemachte Scharfesser, vor allem über die thailändische und indische Küche bin auch ich dem Charme des Capsaicins langsam näher gekommen. Insbesondere Saucen im Sriracha-Stil haben es mir in letzter Zeit doch angetan, also glatt pürierte fermentierte süßsaure Chilisaucen mit Knoblauch. Mit Mayonnaise zusammen eine der besten Sandwich-Saucen aller Zeiten und mit Mayo, Ketchup und Gurken-Relish undoder Gewürzen zusammen als s.g. „Comeback Sauce“ eine der suchterzeugendsten Burger-Saucen im bekannten Universum. Natürlich kann man die Sauce mit dem Hahn einfach preisgünstig im nächsten Asia-Laden erwerben. Aber warum kaufen, wenn man sie für den doppelten Preis auch selbst machen kann? Man nehme.

Ausgangsbasis sind 500g frische Chilis, dabei sollte man keine pervers scharfen Sorten nehmen. Alles nördlich von Habaneros ist auf jeden Fall Unsinn, würde ich mal behaupten, da sollte man auf Rezepte mit weniger Chili und mehr anderem abstellen. Und auch bei Habaneros würde ich zur Hälfte deutlich mildere Chilis beimischen, damit das wunderbare fruchtige Aroma der Sauce nicht von übertriebener Schärfe übertölpelt wird. Ich habe das ganze mit roten Jalapenos gemacht und die Sauce ist immer noch ordentlich scharf.

Mir ist keine sinnvolle Art eingefallen, Sauce zu fotographieren. Es ist eine rote Flüssigkeit. Muss ich genau meine rote Flüssigkeit zeigen? Den Unterschied merkt doch eh keiner. Deshalb heute mal ein freies Stock-Photo. Wunderschön.

Die Chilis werden von ihrem Stamm befreit und in grobe Stücke geschnitten. Mit 4-8 Knoblauchzehen, 2 EL von unserem eher flüssigen Lieblingshonig, 250 ml Ananassaft (auch Mango macht sich hier angeblich super) und 1 EL nicht jodiertem Salz (Meersalz) ordentlich glatt pürieren. In einem Gefäß unserer Wahl wird das ganze deponiert und verschlossen, dabei sollte mindestens 1/3 des Gefäßes oben frei bleiben. Wir können es verschließen, weil das ganze sowieso mindestens einmal am Tag geöffnet und umgerührt wird, wobei man am besten mit einem Silikonspatel die Seiten wieder sauber kratzt. Ansonsten fermentierende Dinge nie fest verschließen! Nach 5-7 Tagen wird das ganze mit 80 ml Apfelcider-Essig versetzt, nochmal kräftigst püriert, sodann durch ein feines Sieb in einen Topf passiert (kräftig ausdrücken, da hängt richtig was drin) und auf kleinster Flamme eingekocht, bis uns die Konsistenz gefällt. Die Reste im Sieb nicht wegwerfen, sondern im Ofen bei 80-100°C ca. 12 Stunden trocknen, damit kann man auch noch hervorragend würzen, das Zeug ist Gold. Die Sauce hält in ausgekochte Flaschen abgefüllt im Kühlschrank ziemlich lange.

Dieses Zeug schmeckt absolut hervorragend. Die fruchtige Note von der Ananas, die waldig-holzigen Aromen vom Honig, der Knoblauch und das fermentiert-süß-säuerliche Krachbumms der Chilis passt einmalig gut zusammen. Möglicherweise püriere ich das nächste Mal ganze Ananas oder Mango mit hinein. Die Version mit dem Saft ist deutlich weniger aufwändig, funktioniert aber auch super.